Test in Augsburg mit roten LED-Leuchten Foto: Stadtwerke Augsburg

Fußgänger, die laufend auf ihr Handy starren, werden im Stadtverkehr immer mehr zum Problem. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) sucht die Lösung dafür allerdings nicht am Boden.

Stuttgart - Sogenannte Bodenampeln, die Fußgänger an Gleisübergängen zusätzlich vor herannahenden Stadtbahnen warnen, wird es bis auf Weiteres im Raum Stuttgart nicht geben. Wie die Sprecherin der Stuttgarter Straßenbahnen AG, Susanne Schupp, unserer Zeitung gesagt hat, stehen die Verantwortlichen des Nahverkehrsbetriebs der Idee bislang „grundsätzlich zurückhaltend“ gegenüber. „Wir möchten eigentlich nicht, dass die Menschen auf den Boden schauen, sondern in Richtung Bahn und in Richtung des Springlichts, das vor einfahrenden Bahnen warnt“, so Schupp. Sollten allerdings die Tests mit Bodenampeln in anderen Städten Erfolg versprechend verlaufen, schließt man ein Umdenken bei der SSB in dieser Frage nicht aus. „Wir beobachten das und warten die Erfahrungen und Ergebnisse ab“, so Schupp.

In Köln und Augsburg experimentieren die dortigen Nahverkehrsbetriebe gerade mit LED-Lichtern, die vor einzelnen Gleisübergängen im Boden eingelassen sind. Naht eine Stadtbahn, blinken diese Lichter rot. Damit sollen jene Fußgänger erreicht werden, die auch im Gehen ständig auf ihr Handy schauen – und davon gibt es immer mehr. Laut einer jüngst veröffentlichten Untersuchung der Unfallforscher des Stuttgarter Prüfkonzerns Dekra nutzen mittlerweile 17 Prozent der Fußgänger während der Teilnahme am Straßenverkehr ihr Smartphone auf die eine oder andere Art.

10 000 Euro kostet eine Warnanlage

In Köln werden die Bodenampeln bereits seit dem vergangenen Jahr getestet, in Augsburg erst seit wenigen Wochen. Billig ist das Ganze nicht: Pro Gleisübergang kostet eine derartige Anlage rund 10 000 Euro.

Bei den SSB fragt man sich, ob man mit solchen Bodenampeln nicht ein falsches Signal an Fußgänger sendet. „Ist es gut, wenn wir sagen: Guckt auf den Boden?“, fragt Schupp. „Uns wäre es wichtig, wenn man die Aufmerksamkeit nicht auf den Boden lenkt, sondern in die Richtung, wo eine mögliche Gefahr herkommt.“ Und was sei im Winter, wenn die LED-Lichter zumindest an manchen Tagen mit Schnee bedeckt seien? Die SSB wollen jedenfalls erst mal hören, was die Kollegen in Köln und Augsburg über ihre Tests zu berichten wissen. „Unter den Nahverkehrsbetrieben werden solche Erfahrungen und Ergebnisse ja auch ausgetauscht“, so Schupp.

Kritiker bezweifeln, dass Fußgänger die blinkenden Lichter wahrnehmen, wenn sie in ihr Smartphone vertieft sind. Eine Lösung könnten Sender sein, die an Gefahrenstellen angebracht werden und Warnhinweise direkt aufs Handy schicken, wenn sich der Fußgänger der Stelle nähert. In München lief erst kürzlich ein solches Pilotprojekt aus. Es hieß „Watch out!“. Interessierte konnten sich für eine Teilnahme eine entsprechende App herunterladen und sich registrieren lassen. Ob das Projekt eine Fortsetzung findet, ist noch unklar.

Eigene Gehwege für Handy-Nutzer

Auslöser der Aktivitäten sind tragische Unfälle – verursacht von Fußgängern, die auf ihr Handy gestarrt haben. Auch im Raum Stuttgart kommt so etwas vor – separat erfasst werden solche Unfälle aber nicht. Laut der Statistik der Polizei verursachten zehn Fußgänger im vergangenen Jahr Stadtbahnunfälle. Es gab zwei Tote, vier Schwer- und zwei Leichtverletzte. In rund 60 Prozent dieser Fälle war die Unfallursache, dass der Fußgänger den Gleisbereich betreten hat, ohne auf den Verkehr zu achten. Das ist ein Anstieg um vier Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr und insgesamt die mit Abstand häufigste Unfallursache in diesem Bereich.

Die zunehmende Handynutzung von Fußgängern bereitet Verkehrsplanern weltweit Kopfzerbrechen. In chinesischen Städten sowie in Antwerpen (Belgien) gibt es erste Gehwege nur für Menschen, die mit dem Kopf nach unten herumlaufen. Verboten ist das nicht. Während Autofahrer mit einem Bußgeld von 60 Euro sowie einem Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei rechnen müssen, wenn sie mit dem Handy am Steuer erwischt werden, appelliert man bei Fußgängern noch an die Vernunft.