Lässt in Ludwigsburg die Fäuste für den guten Zweck fliegen: François Botha. Foto: Baumann

François Botha war eine der schillerndsten Figuren des Boxens. Und er kämpft immer noch. Für den guten Zweck in Ludwigsburg bei „Blaue Flecke für soziale Zwecke“.

Ludwigsburg - Diesen Abend wird keiner vergessen, der dabei war. Im Dezember 1995 kassierte der Boxsport in der mit 13 000 Zuschauern bis auf den letzten Platz gefüllten Stuttgarter Schleyerhalle einen Tiefschlag. Nach dem umstrittenen Punktsieg von François Botha gegen Axel Schulz flog minutenlang alles in Richtung des Rings, was als Wurfgeschoss zu missbrauchen war: Sektgläser, Champagnerflaschen, Geldmünzen, Mundwasser-Probepackungen. Die Promis, die in den ersten Reihen saßen, wurden von ihren Leibwächtern aus der Gefahrenzone gebracht oder flüchteten unter Tische und Stühle. Es gab sechs Leichtverletzte und eine Forderung des damaligen Sportbürgermeisters Wolfgang Schuster: „Kein Profiboxen mehr in Stuttgart!“

Späte Entschuldigung an Schulz

Darüber spricht heute niemand mehr. Über den Kampf schon. Nie saßen mehr Deutsche beim Boxen vor dem TV-Bildschirm (18,03 Millionen bei RTL, Marktanteil 68 Prozent). Axel Schulz hätte als erster Deutscher nach Max Schmeling Weltmeister im Schwergewicht werden können. Stattdessen gewann Botha, der kurz danach als Doping-Betrüger überführt wurde. Der Skandalkampf ist längst aus der offiziellen Statistik gestrichen – als hätte er nie stattgefunden. Heute sind Botha und Schulz Freunde, der Südafrikaner hat sich bei seinem früheren Kontrahenten entschuldigt: „Sorry Axel, du hast damals in Stuttgart gewonnen. Du hast Millionen Dollar verloren, aber du bist ein wahrer Champion.“

Botha (Kampfname: „Der weiße Büffel“) hatte viermal die Chance, Weltmeister in einem der großen Verbände zu werden. Genutzt hat er keine. Er boxte gegen Wladimir Klitschko, Mike Tyson, Lennox Lewis und Evander Holyfield, war ganz dick im Geschäft. Heute wiegt Botha (1,88 m) rund 130 kg, doch er zeigt immer noch Größe. Der Südafrikaner engagiert sich in seiner Heimat für Kinder und Jugendliche in den Townships, aber auch für nachhaltiges Wirtschaften. Und er steigt an diesem Samstag in der Ludwigsburger MHP-Arena bei der Wohltätigkeitsveranstaltung „Blaue Flecke für soziale Zwecke“ in den Ring.

Körperlich ein bisschen außer Form, verbal noch top

Körperlich ist Botha ein bisschen außer Form geraten, doch verbal hat der Haudrauf nicht an Kraft eingebüßt. Weil sein Gegner Uwe Hück, Chef des Porsche-Gesamtbetriebsrates, rund 30 kg weniger auf die Waage bringt als er selbst, sagt der frühere Profiboxer: „Er ist nicht mehr als ein Moskito, der um mich herumfliegt. Blaue Flecken gibt es nur für einen – für Hück!“

Wer gewinnen wird? Ist völlig egal. Weil auch ein Wohltätigkeitskampf zwischen Botha und Hück ein Spektakel ist. Und weil es vor allem darum geht, Geld zu sammeln für benachteiligte Kinder. Der Erlös fließt an die Lernstiftung von Hück und an die SOS-Kinderdörfer, für die sich sein Mitstreiter Luan Krasniqi engagiert. Und irgendwann vielleicht auch an Projekte in Südafrika. Hück jedenfalls hat Botha schon einen Rückkampf am Kap in Aussicht gestellt. Und auch der Ex-Boxprofi geht davon aus, dass er nicht nur im Ring Volltreffer landet. „Ich nehme aus der Region Stuttgart viele Anregungen für meine Arbeit in den Townships mit. Ich will Kindern und Jugendlichen eine Perspektive aufzeigen“, sagt er, „Porsche und VW könnten in Südafrika viel bewegen. Sie haben dort bisher nicht gerade den Ruf, soziale Unternehmen zu sein. Ich will meinen Draht zu den beiden Firmen nutzen, um das zu ändern. Zum Wohle der Benachteiligten in unserer Gesellschaft.“

Hück will sich für Botha einsetzen

Hück, leidenschaftlicher Kämpfer für Arbeitnehmerrechte und soziale Gerechtigkeit, gefällt diese Einstellung. Folglich hat er Botha versprochen, sich auch für ihn einzusetzen – nach dem Kampf: „Du wirst nie wieder boxen wollen. Ich werde versuchen, dass du stattdessen bei Porsche arbeiten kannst.“ Botha hat es mit einem Lächeln vernommen. Und eiskalt gekontert: „Hück wird diesen Abend nie vergessen.“