So sieht eine Blackbox fürs Auto aus. Foto: Siemens/dpa/gms

Bald könnte der Einbau einer Blackbox in Autos Pflicht werden – Der Datenspeicher soll die Unfallzahlen senken.

Stuttgart - Was passiert in den Sekunden während eines Autounfalls, was davor und was danach? Das sollen künftig serienmäßig eingebaute digitale Datenspeicher dokumentieren – nach dem Vorbild der Blackbox in Flugzeugen. Einem Zeitungsbericht zufolge gibt es auch im Bundestag bereits grünes Licht.

Es hat gekracht. Zwei Autos stehen auf der Kreuzung, vom Aufprall völlig verformt. Der Notarzt ist schon unterwegs, die Polizei vernimmt bereits die Beteiligten und fragt: Wer ist schuld?

Eine Antwort auf die Frage könnte künftig von einem zehn mal zehn Zentimeter kleinen schwarzen Kästchen im Inneren des Fahrzeugs kommen: von einer Blackbox für das Auto. Wie die Saarbrücker Zeitung berichtet, hat sich der Bundestag bereits Ende Mai auf Empfehlung des Petitionsausschusses einstimmig für den digitalen Unfalldatenspeicher in Fahrzeugen ausgesprochen. Mit einer Blackbox kann – ähnlich wie mit dem Flugschreiber aus der Luftfahrt – festgestellt werden, was in den Sekunden kurz vor oder nach einem Unfall passiert ist.

Serienmäßiger Einbau von Unfall-Daten-Speicher in Pkws ist in vielen Autos längst Alltag

Für den Verkehrssicherheitsexperten der Union, Gero Storjohann (CDU) ist die Blackbox im Auto „ein weiterer Baustein, um zu mehr Verkehrssicherheit zu kommen“. Es sei nicht selbstverständlich, „dass alle Fraktionen das so sehen“.

Ein serienmäßiger Einbau von Unfall-Daten-Speicher in Pkws – was sich revolutionär anhört –, ist in vielen Fahrzeugen längst Alltag: So vertreibt das Unternehmen Continental seit drei Jahren über die Firma Kienzle Argo mit Sitz in Berlin Geräte zur Unfall-Daten-Speicherung in ganz Europa, mit deutschen Herstellern auch nach Übersee – vornehmlich an Flottenfahrzeuge der Polizei oder Feuerwehr, sowie an Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs wie Omnibusunternehmen. Dieser Einbau wird vom Land Baden-Württemberg sogar gefördert, ebenso von Sachsen-Anhalt und Bayern. Denn diese Fahrzeuge sind laut Statistik öfter in Unfälle verwickelt als Privatfahrzeuge.

Das UDS-Gerät zeichnet mit Betätigung der Zündung Daten wie Datum, Uhrzeit und Kilometerstand auf. Und das regelmäßig. Es merkt sich aber auch Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Richtungsänderung und Radgeschwindigkeit – das allerdings jede Dreiviertelminute wieder neu. „Es handelt sich hierbei um einen Ringspeicher, der sich alle 43 Sekunden neu überschreibt“, sagt Walter Gerlach von der Firma Kienzle Argo. Erst wenn es zu einem Unfall kommt werden die Daten tatsächlich abgespeichert – und zwar 28 Sekunden vor dem Aufprall und 15 Sekunden danach.

Auch ob und wie lange das Licht ein- oder ausgeschaltet war, ob und wann gebremst oder geblinkt wurde, kann aus den Daten ermittelt werden. Ebenso ob der Fahrer zum Unfallzeitpunkt angeschnallt war – sofern diese Funktion zuvor angeschlossen war. „Es ist aber nicht möglich, das Fahrzeug zu orten“, so Gerlach. Geo-Daten, also wo der Unfall passiert ist, werden nicht übermittelt.

„Man fährt einfach vorsichtiger, wenn man weiß, dass alles, was man tut oder lässt, im Ernstfall aufgezeichnet und bekannt wird“

Nach einer Erhebung der EU-Verkehrskommission können mit dem Einbau der UDS-Geräte auch Unfälle vermieden werden. Der Grund ist der psychologische Effekt, den die Blackbox auf den Fahrer hat: „Man fährt einfach vorsichtiger, wenn man weiß, dass alles, was man tut oder lässt, im Ernstfall aufgezeichnet und bekannt wird“, sagt Gerlach.

Ein Pilotversuch des Schweizer Versicherers Axa Winterthur bestätigt die Erfahrungen des Experten: Das Unternehmen hatte 2007 und 2008 Fahranfängern das Gerät kostenlos in deren Autos einbauen lassen. Der sogenannte „Crash Recorder“ speicherte Funktionen wie Lenk- und Bremsbewegung, außerdem Datum und Uhrzeit. Nach Angaben der Unfallexperten seien die Fahrer vorsichtiger gefahren und hätten auch weniger Unfälle verursacht.

Ein Effekt, der sich aber abnutzen wird, warnt der Automobilclub ADAC, der sich entschieden gegen einen serienmäßigen Einbau in Privatfahrzeugen ausspricht. „Es mag sein, dass die Einführung einer Blackbox bei Flottenfahrzeugen der Polizei oder Feuerwehr dazu führt, dass sich die Fahrer umsichtiger im Straßenverkehr verhalten“, sagt Katharina Bauer vom ADAC. Schließlich gehöre ihnen das Auto ja nicht. Mit Privatfahrzeugen würden die Leute aber viel sorgloser umgehen.

Alle acht Jahre gerät ein Auto in einen Unfall

Hinzu kommen die hohen Anschaffungskosten. Tatsächlich kostet nach Angaben der Firma Kienzle der Kauf einer Blackbox rund 600 Euro, der Einbau rund 400 Euro. Zu viel Geld für ein Gerät, dass vielleicht nie zum Einsatz kommt. So belegt die Statistik, dass ein Auto alle acht Jahre in einen Unfall gerät. Und selbst dann, so Bauer, würden die bisherigen elektronischen Funktionen der Autos ausreichen, um mit Hilfe eines Gutachters einen Unfallhergang zu rekonstruieren. „Dazu braucht es keine Blackbox.“

Auch seien diesem Gerät Grenzen gesetzt: Das Missachten einer roten Ampel oder ein Spurwechsel könnten nicht erfasst werden, sagt Bauer. „Aber gerade diese Fragen sind in den etwa drei Prozent der Unfälle mit unklarem Hergang offen.“

Auch im Bundesverkehrsministerium scheinen Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Unfall-Daten-Speicherung aufgetaucht zu sein. Zumindest äußerte es sich am Montag zurückhaltend zu den verkehrspolitischen Plänen des Bundestags: „Bevor man solche Geräte verbindlich einbaut, sind die technischen Fragen zu klären, die Kostenfragen und vor allem die datenschutzrechtlichen Fragen“, sagt ein Sprecher.

So rückt die Einbaupflicht – obwohl die Pläne in der Politik vorangeschritten sind – wieder in weite Ferne. Das letzte Wort hat nach Angaben des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) ohnehin die Europäische Kommission. Dieser liegt ein entsprechender Vorschlag des Verkehrsausschusses im EU-Parlament vor – mit der Forderung, bis Ende 2012 einen Vorschlag mit Zeitplan und detailliertem Zulassungsverfahren vorzulegen. Angedacht ist eine schrittweise Einführung zunächst für Leihfahrzeuge und später für gewerbliche und private Pkw.