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Berge und Seen aus Plastik sind weltweit ein riesen Problem. Kann die Biotüte es lösen?

Stuttgart - Durch die riesige, waschmaschinenartige Siebtrommel rieseln Eierschalen, Rasenschnitt und verschrumpelte Äpfel. Drin bleiben ganze Kohlköpfe, Holzstücke, Plastiktüten. Bevor auch aus ihnen Kompost wird, bläst ihnen auf einem Förderband noch einmal kräftig Wind entgegen. Er fegt alle Plastiktüten raus aus dem natürlichen Kreislauf. Statt im Kompostwerk Kirchheim unter Teck in den nächsten Wochen zu verrotten, werden sie verbrannt. Denn Plastik verrottet nicht. Es sei denn, es handelt sich um Bioplastik.

100 Prozent kompostierbar will sie sein, die grüne Alternative zur herkömmlichen Polyethylentüte im Supermarkt. Während diese komplett aus Erdöl hergestellt wird, ersetzen bei der Biotüte nachwachsende Rohstoffe wie Maisstärke zu 30 bis 50 Prozent das Öl. Die Stärke kann von den Mikroorganismen im Kompostwerk zersetzt werden. Übrig bleiben Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) – und winzige Polyethylenstückchen. „Fürs Auge sind sie zwar nicht mehr sichtbar, aber trotzdem noch da“, sagt Patrick Frohberg vom Zentrum für Ingenieurwissenschaften und Verfahrenstechnik der Uni Halle. Der Aufdruck „100 Prozent kompostierbar“ auf den Tüten, sei also ein wenig irreführend.

Biotüten bestehen aus Mais – und Erdöl

Genau deswegen wirft die Deutsche Umwelthilfe (DUH) den Supermarktketten Aldi und Rewe jetzt Verbrauchertäuschung vor und hat ihnen eine Unterlassungserklärung zugeschickt. Auch wenn die Tüten die gesetzliche Norm für Bioplastik erfüllen (siehe Hintergrund), würden die Konsumenten durch den Aufdruck hinters Licht geführt. Rewe hat die Tüten bereits aus dem Verkauf gezogen. Zusammen mit dem Hersteller will der Konzern nun prüfen, wie sich Aufdruck und Tüten verbessern lassen.

Gut möglich, dass sie bald zu 100 Prozent aus Erbsen bestehen. An der Uni Halle zumindest gibt es damit erste erfolgreiche Versuche. „Noch ist die Forschung aber nicht so weit, dass die Tüten marktreif wären. Sie reißen noch zu schnell“, sagt Patrick Frohberg.

Aber zumindest der Anteil an nachwachsenden Rohstoffenl wie Erbsen, Mais oder Pflanzenstängeln in den Plastiktüten wird schon in einem Jahr deutlich gestiegen sein, prophezeit der Leiter des Zentrums für Ingenieurwissenschaften und Verfahrenstechnik, Joachim Ulrich.

„Bisher war Erdöl einfach immer noch so billig, dass der Druck für die Alternative nicht groß genug war.“ Da Erdöl jedoch ein endlicher Rohstoff sei und die Plastikmenge in der Umwelt immer weiter wächst, hält er Biotüten für unumgänglich – selbst als Mischtüte aus Naturstoffen und Erdöl. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur muss man den Verbrauchern auch ehrlich sagen, was genau in der Tüte steckt.“

Die EU plant kostenlose Plastiktüten zu verbieten

Erklären müsste man dem Konsumenten auch, was er mit Biotüte machen soll, wenn er sie nicht mehr braucht. Denn im Kompostwerk Kirchheim , wo der Biomüll aus Stuttgart landet, kann Geschäftsführer Rolf Hahn nichts damit anfangen. Nicht, weil er Zweifel an der Zersetzbarkeit hat. „Das funktioniert bei Fertigkompost, wie wir ihn in sechs bis sieben Wochen herstellen schon.“ Bloß kommt es gar nicht dazu, weil die Maschine beim Aussortieren nicht unterscheiden kann, ob es sich um eine Biotüte handelt oder ein aus Plastik. Also werden beide verbrannt. „Sinnvoll wären Biotüten erst dann, wenn es nur noch solche gäbe. Dann könnten wir uns diesen Sortierschritt sparen“, sagt Hahn.

Dazu wiederum müsste die EU Plastiktüten aus Polyethylen in allen Mitgliedstaaten verbieten. Einem solchen Verbot aber hat eine im März veröffentlichte Studie im Auftrag der EU-Kommission gerade eine Absage erteilt. Es würde, so die Autoren, im Konflikt mit dem internationalen Handelsrecht und den Regeln des EU-Binnenmarkts stehen. Deswegen dürften auch einzelne Länder die Tüte nicht einfach vom Markt nehmen.

Stattdessen empfiehlt die Studie, die unentgeltliche Abgabe der Tüten zu verbieten. Als in Irland 2002 eine Tütenabgabe von 15 Cent Pflicht wurde, sank der Verbrauch von 328 Plastiktaschen pro Kopf und Jahr auf 21.