Das Bundesverfassungsgericht hat das Betreuungsgeld vom Bund für verfassungswidrig erklärt. Nun muss jedes Land für sich klären, ob es die Leistung weiter bezahlen will. Foto: Fotolia/babimu

Ministerpräsident Kretschmann und CDU-Fraktionschef Wolf sind ab dieser Woche auf Sommertour durchs Land. Gesprächsthema mit den Bürgern dürften Bildung und Familienpolitik werden. Auch das Betreuungsgeld wird zum Streitthema.

Stuttgart - Der Vorstoß von CDU-Landtagsfraktionschef Guido Wolf, dass er im Fall einer Regierungsübernahme nach der Landtagswahl 2016 eine neue Form der Familienförderung in Baden-Württemberg an der Stelle des bisherigen Betreuungsgeldes einführen will, hat am Wochenende über alle Parteigrenzen hinweg ablehnende Reaktionen ausgelöst.

Selbst die FDP, sozusagen der potenzielle Koalitionspartner für die CDU nach einem Sieg bei der Wahl, hält nicht viel von dem Vorstoß. Hans-Ulrich Rülke, Landtagsfraktionschef und Spitzenkandidat seiner Partei, sagte den Stuttgarter Nachrichten: „Ein solches Betreuungsgeld wäre keine politische Priorität der FDP. Wenn Haushaltsmittel für diesen Bereich zur Verfügung gestellt werden, dann würde ich es bevorzugen, dieses Geld in den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten zu investieren.“ Man müsse noch „mehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie tun“.

Auch die SPD äußerte ein klares Nein zu Wolfs Überlegungen. Der stellvertretende SPD-Landeschef Peter Friedrich machte klar: „Das sogenannte Betreuungsgeld war ein Fehler im Bund, es wäre auch ein Fehler im Land.“ Land und Kommunen brächten Milliarden für die Kinderbetreuung auf, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. „Ein Betreuungsgeld wäre eine Prämie dafür, dass vor allem Frauen auf Wahlfreiheit verzichten und Kinder von Bildungschancen ferngehalten würden“, sagte Friedrich.

"Ein von der Realität überholtes Familienbild"

Wolf, der Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl 2016 ist, hatte im Interview mit unserer Zeitung angekündigt, nach einem möglichen Wahlsieg eine Art baden-württembergisches Betreuungsgeld einführen zu wollen. „Ich möchte infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Betreuungsgeld einen Akzent für jene Familien setzen, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Er wolle, „dass entweder der Bund die Mittel, die er als Betreuungsgeld zur Verfügung gestellt hat, an die Länder weiterreicht“. Wenn der Bund dazu nicht bereit sei, werde die CDU eine vergleichbare Familienförderung auf den Weg bringen, die aus dem Landeshaushalt finanziert werde. Wie das genau geschehen soll, ließ er offen.

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld vom Tisch – zumindest als Familienleistung des Bundes. Denn nicht der Bund, sondern die Länder seien dafür zuständig.

Für die mitregierenden Grünen in Baden-Württemberg kommt Wolfs Idee nicht infrage. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Bildungsexpertin Sandra Boser sagte am Sonntag: „Wir würden das Geld lieber in die Qualität unserer Bildung und Betreuung investieren.“ Seit dem Regierungswechsel 2011 habe Grün-Rot die Mittel für die Kleinkindbetreuung auf 550 Millionen Euro versiebenfacht. Die Kommunen hätten dennoch nach wie vor großen Bedarf an flexiblen Kita-Angeboten.

Das von Wolf angedachte Betreuungsgeld führe aber dazu, „dass gerade die Kinder von bildungsfernen und Migranten-Haushalten zu Hause bleiben“. Boser kritisierte Wolf deshalb scharf: „Guido Wolf will auf dem Altar eines von der Realität überholten Familienbildes die Chancengleichheit unserer Kinder opfern.“ Die Regierung selbst wollte sich nicht äußern. „Wir geben keine Stellungnahme zu diesem Thema ab“, sagte ein Sprecher von Kretschmann den Stuttgarter Nachrichten.