Redakteure der Stuttgarter Nachrichten finden heraus, woran man gutes Bier erkennt. Klicken Sie sich durch die Bilder der Bierprobe. Foto: Max Kovalenko

Wie schmeckt ein gutes Bier? Und ist alles nur eine Frage des Geschmacks? Wir wollten es genau wissen und haben zusammen mit der Bier-Sommelière Irina Zimmermann fünf Pils-Marken getestet. Klicken Sie sich durch die Bildergalerie.

Stuttgart - Woran erkennt man ein gutes Bier? Alles nur eine Frage des Geschmacks? Wir wollten es genau wissen und haben zusammen mit der Bier-Sommelière Irina Zimmermann fünf Pils-Marken getestet.

Aussehen

Wie immer: Auch beim Biertrinken ist der erste Eindruck wichtig. Pilstrinker mögen es, wenn der Schaum nach dem Eingießen schön feinporig ist und stabil – und nicht schon nach Sekunden so aussieht, als würde das Glas seit Stunden rumstehen. Aber aufgepasst, der Schaum kann trügen. Das Krombacher Pils im Test verheißt exzellenten Biergenuss, weil die Krone so lecker  aussieht, schmeckt dann aber eher mittel.  </p><p>Falls die Krone schnell verschwindet, kann es auch daran liegen, dass   billigere Wintergerste verwendet wurde. Sie enthält mehr Eiweiß, und mehr Eiweiß macht den Schaum instabil. Wichtig für die Optik (aber nicht nur die Optik) ist richtiges Einschenken: Mit Schmackes ins fast aufrecht gehaltene Glas, nicht in der Beinahe-Horizontalen reinträufeln lassen.

Mundgefühl

Pils aus dem Glas oder Pils aus der Flasche? In Zeiten der Szenegastronomie wird diese Frage auch in alteingesessenen Restaurants immer öfter gestellt – und hat ihre Berechtigung. Wer die sportliche Spritzigkeit von Kohlensäure auf der Zunge liebt, sollte ein Pilsbier lieber direkt aus der Flasche trinken. Durch den engen Flaschenhals trifft das mit Kohlensäure durchsetze Getränk an einer klar definierten Stelle im Mund auf und entfaltet dort eine gewisse Wucht, die Sommeliers mit „spritzig“, „prickelnd“ oder „trocken“ umschreiben. Speziell eher kohlensäurearme Pilsbiere wie von der Kleinbrauerei Bosch können durch den Genuss direkt aus der Flasche so im Nachhinein aufgepeppt werden. Bei stark mit Gas versetzen Getränken zeigt sich allerdings der Nachteil der Methode: Das Getränkt schäumt im Mundraum oft heftig auf. Das kann das Mundgefühl des Bieres entscheidend beeinträchtigen und führt zudem zu vermehrtem Aufstoßen. Flaschentrinker sollten sich zudem darüber im Klaren sein, dass sie einen Teil des Biererlebnisses sowieso verpassen. Den Geruch des Getränks bekommen sie nämlich so gut wie gar nicht mit. Dieser entfaltet sich in einem bauchigen Glas dagegen besonders gut.

Geruch

Schon vor dem ersten Schluck kann sich entscheiden, ob ein Bier ankommt oder abschreckt. Der Hopfen muss nur ein bisschen zu lange im Sud gewesen sein und das Bier riecht süß wie Oma-Parfüm. Das will man nicht trinken, obwohl der Fehlgeruch auf den Geschmack keinerlei Auswirkungen hat. In solchen Fällen empfiehlt sich, aus der Flasche zu trinken.  Der enge Flaschenhals lässt nur wenig Bierduft nach draußen. Wenn die Nase beim Flaschenbier doch einen unangenehm muffigen Geruch entdeckt –  bei der Verkostung war das beim Oettinger der Fall –, stammt der eher von der Folie am Flaschenhals als vom Bier. Egal, ob aus der Flasche oder dem Glas – bei einem guten Pils dominiert der Duft nach Hopfen. Das darf ruhig ein bisschen nach Kneipe riechen – oder nach Butter, wie es Experten nennen. Pils ist übrigens nach wie vor das Lieblingsbier der Deutschen: Jeder zweite Bierkasten, der den Supermarkt verlässt, ist Pils.

Nachtrunk

Mit dem Wort Nachtrunk beschreiben Sommeliers das Gefühl, das sich direkt nach dem Schlucken des Bieres einstellt. An dieser Stelle  entscheidet sich nicht selten der Ausgang des gesamten Abends, denn es gibt Biere, die förmlich „zum Weitertrinken zwingen“, wie Fachleute es ausdrücken. Andere entwickeln im Nachtrunk einen galligen Geschmack und verleiden die Lust auf mehr. Der Herrscher über das Geschmackserlebnis an dieser Stelle ist der Hopfen, denn sein Aroma entfaltet sich im Nachtrunk besonders gut. Hier rächt sich, wenn der Hersteller billigen Hopfenextrakt verwendet hat. Dieser führt nicht selten zu einem trockenen, unmundenden Gefühl im Rachen. Außerdem wird ihm nachgesagt, Kopfschmerzen Vorschub zu leisten. Andererseits können hochwertige Aromahopfen, wie sie etwa in den Anbaugebieten um Tettnang und in der Hallertau immer mehr Einzug halten, dem Abgang eine Finesse verleihen, wie sie Bierfans lieben. Die Hopfen-Züchtung hat hier rasante Fortschritte gemacht und zaubert mittlerweile wunderbare Limonen-, Mandarinen- oder Röstaromen ins Bier.

Geschmack

Optik, Duft, Gefühl: Alles schön und gut! Aber dem normalen Konsumenten geht es in erster Linie um den Geschmack. Der kann einem – je nach Sorte und persönlichen Vorlieben – verdorben vorkommen, mangelhaft, charaktervoll oder überragend. Manchmal schmeckt das Bier aber einfach nach nichts. Kaum hat der Schluck den Mund verlassen, ist er bereits vergessen. Zum Leidwesen vieler Bier-Sommeliers geht der Trend zum  Einheitsbier: wenig Geschmack, wenig Farbe, wenig Charakter. „Der typische Biergeschmack ist nicht mehr gefragt“, sagt Irina Zimmermann. Die Brauereien reagieren  auf diese Entwicklung: Noch vor sieben Jahren habe etwa ein Stuttgarter Hofbräu anders geschmeckt als heute, so die Expertin. Eines ist allerdings beruhigend: Mit etwas Übung kann der Biertrinker schmecken, ob eine Brauerei auf Masse setzt oder hochwertige Zutaten verarbeitet (etwa Aromahopfen statt Hopfenextrakt) und sich die nötige Zeit nimmt. Billig-Marken wie Oettinger können da nicht mithalten.

Die Getesteten

Für den Test haben wir uns auf Pils beschränkt, das meistverkaufte Bier in Deutschland. Und  uns auf fünf Marken geeinigt: Oettinger, weil es bundesweit der Marktführer ist; Krombacher als Klassiker aus der TV-Werbung; Stuttgarter Hofbräu ist lokaler Marktführer; Pilsner Urquell als Mutter aller Pils; und Bosch als Vertreterin der kleinen, handwerklichen Brauereien. Es wurde nicht blind verkostet. Unterm Strich kam Bosch am besten an.  Oettinger schnitt am schwächsten ab.

 

Die Bier-Dolmetscherin

Eine große Biertrinkerin war Irina Zimmermann nie. Bis sie das Trinken zu ihrem Beruf gemacht hat. Oder besser: Andere trinken lassen. Die 42-Jährige ist studierte Braumeisterin und Bier-Sommelière. Sie berät Brauereien, Getränkemärkte und bietet Verkostungen für Privatpersonen an. Die gebürtige Kasachin bekommt jeden rum. „Manchmal kommen Frauen, die gar kein Bier mögen“, sagt sie. Ihnen mixt sie einen Aperitif mit Campari oder Aperol. Der überzeugt so ziemlich jeden. Ansonsten bevorzugt die quirlige Sommelière Bier in Reinform. Am liebsten mag sie Hefeweizen. Aber in ihrem Jahrgangskeller gibt es nicht nur Weißbier, sondern auch andere Raritäten. Rund 700 Flaschen dürften es sein - einige liegen dort seit Jahren. Denn manche Biersorten verändern mit der Zeit ihr Bouquet. Wie ein guter Wein. Wenn Zimmermann in ihren Geschäftsräumen in Kornwestheim von Jahrgangsbieren erzählt oder von Hopfenarten, die mal nach Zitrone, mal nach Schokolade riechen, strahlt sie. Bier macht schön – nicht nur wegen des Vitamins B, das gut für Haut und  Haare ist. Den Beruf des Bier-Sommeliers gibt es seit zehn Jahren. Zimmermann trägt den Titel seit 2010. Sie weiß, wie man Bier herstellt, es richtig zapft und verkostet, welches Bier zu welchem Essen passt und woran man Fehler im Bier erkennt, ohne es zu probieren. Vor kurzem hat sie wieder angefangen zu studieren. Ziel ist der „Master of Beer“. „Da geht es vor allem um Emotionen“, sagt sie. Um Bier in all seinen Facetten zu beschreiben, braucht man eine eigene Sprache. Die beherrscht Zimmermann schon ziemlich gut.