Obst und Gemüse kommen der Augengesundheit zu Gute. Oder man schluckt hoch dosierten Nährstoffmix in einer Pille. Foto: 41705373

Sie heißen Augenfit oder Augen-Vital und sollen mit einem bestimmten Vitamin-Mix die Sehkraft erhalten. Doch was diese Nahrungsergänzungsmittel wirklich zur Augengesundheit beitragen können und warum sie auch schaden können, erklären Experten wie Florian Gekeler vom Klinikum Stuttgart.

Stuttgart - Das Auge isst mit, so heißt es. Und das sogar wortwörtlich: Da wäre beispielsweise das Vitamin A, das der Mensch für das Dämmerungssehen braucht. Die Vorstufe des Vitamins namens Betakarotin findet sich in großen Mengen in Karotten. Und da wäre noch das Lutein, ebenfalls ein pflanzlicher Nährstoff, den die Netzhaut braucht, um gut versorgt zu werden. Lutein, so heißt es, findet sich in grünem Gemüse wie Spinat, aber auch in Urgetreidesorten wie Einkorn oder Emmer. Nicht zu vergessen wären da noch die beiden Nährstoffe Vitamin B2 und Zink – ebenfalls im Ruf stehend, gut fürs Auge zu sein.

Wer besonders viele Vitamine isst, beugt keiner Augenkrankheiten vor

Karotten, Spinat und Emmer-Brot. So könnte also die Mahlzeit aussehen, die der Augengesundheit zu Gute käme. Oder vielleicht lieber so, wie es die Pharmaindustrie gerade vormacht: Hier wird der hoch dosierte Nährstoffmix zu Pillen gepresst, die dann für einige Euros unter dem Namen Augen-Fit oder Augen-Aktiv frei verkäuflich zur Verfügung stehen.

Doch sind diese Zusatzmittel auch wirklich sinnvoll? Florian Gekeler von der Augenklinik im Katharinenhospital am Klinikum Stuttgart warnt vor zu viel Wunderglauben. „Es reicht nicht, besonders vitaminreich zu essen, um sämtlichen Augenleiden vorzubeugen“, sagt er. Viele sind erblich bedingt, da könne man allein mit der Nahrung wenig ausrichten. Hinzu kommt, dass viele Menschen durch die normale Nahrung eigentlich gut mit Nährstoffen versorgt sind.

Nahrungsergänzungsmittel können das Fortschreiten einer AMD beeinflussen

Anders sieht es bei Menschen aus, die schon an einer Augenkrankheit leiden – nämlich der alterskorrelierten Makuladegeneration, kurz AMD genannt. Bei ihnen ist wird eine bestimmte Stelle auf der Netzhaut angegriffen. Diese Makula lutea oder auch der gelbe Fleck vermittelt beim gesunden Auge das scharfe und farbige Sehen.

Eine AMD führt dazu, dass alles, was man fixiert, nur als trübe Stelle wahrgenommen wird, das Detailsehen schwindet. Eine Heilung gibt es nicht, Medikamente gibt es nur gegen die feuchte Form, nicht aber bei der häufigeren trockenen Form: „Aber Studien haben gezeigt, dass man mit einer Gabe von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln das Fortschreiten der AMD verlangsamen kann“, sagt Gekeler. Dies gilt insbesondere für Patienten mit der trockenen AMD-Frühform.

Auch die Augenärzte halten eine ergänzende Therapie für sinnvoll

Die Erkenntnisse stammen von zwei 2001 und 2013 erschienenen US-amerikanischen Studien namens AREDS – zu Deutsch: Studie für altersbedingte Augenkrankheiten. Demnach verschlechterte sich nach der Gabe von hoch dosierten Nährstoffkombinationen die Krankheit bei etwa 25 Prozent, ohne die entsprechende Gabe waren es 30 Prozent. Zwar ist der Nutzen nicht übermäßig, aber immerhin groß genug, dass Fachverbände wie die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), die Retinologische Gesellschaft und der Berufsverband der Augenärzte (BVA) die Einnahme entsprechender Mittel bei AMD-Patienten für sinnvoll erachten.

Doch auch wenn die Studien Hoffnung machen, so sollten AMD-Patienten unbedingt mit ihrem Arzt besprechen, welcher Nährstoffmix für sie infrage kommt. „Die AREDS-Ergebnisse sind nur auf Präparate derselben Zusammensetzung und Dosierung übertragbar.“ Das wären dann ein Mix aus Vitamin C, E, Zink, Kupfer und Betakarotin – wobei das Betakarotin durch Lutein und Zeaxanthin ausgetauscht werden kann.

Vorsicht bei rezeptfreien Mitteln aus dem Drogeriemarkt

Einfach in den Drogeriemarkt zu gehen und zu den rezeptfreien Nahrungsergänzungsmitteln oder ergänzenden bilanzierten Diäten bei AMD zu greifen, scheint dagegen nicht sinnvoll zu sein – selbst wenn viele Präparate größtenteils dieselben Inhaltsstoffe enthalten wie in den AREDS-Studien angegeben. So hat eine Stichprobe der Stiftung Warentest im Februar 2016 gezeigt, dass bei den meisten Mitteln zum Erhalt der Sehrkraft die Dosierung und Zusammensetzung nicht mit der AREDS-Studie übereinstimmt. Weshalb die Warentestester eher vor den Mittelchen warnen: „Der recht geringe Nutzen ist gegen die Risiken der hoch dosierten Nährstoffe abzuwägen.“ Zwar helfe Betakarotin den Augen, es fördere aber bei Rauchern nachweislich Lungenkrebs.

Auch von einer vorbeugenden Einnahme raten Fachleute ab. „Es existiert aktuell kein Nachweis, dass die prophylaktische Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in der allgemeinen Bevölkerung das Risiko der Entstehung von AMD reduzieren kann“, heißt es in der gemeinschaftlichen Erklärung der DOG, der Retinologischen Gesellschaft und dem BVA. Allgemein schadet es aber nicht, sich viel zu bewegen und sich gesund zu ernähren – mit viel Seefisch, Vollkorn, Pflanzenfetten wie Oliven- und Rapsöl. Das schützt vor Gefäßerkrankungen und ist somit auch netzhautfreundlich. Als besonders aggressiv für Gefäße gilt dagegen das Rauchen, warnt der Stuttgarter Experte Florian Gekeler. „Wer es lässt, leistet viel zum Schutz seines Sehsinns.“

Die alterskorrelierte Makuladegeneration (AMD)

Rund 4,2 Millionen Menschen in Deutschland leiden an dem chronischen Augenleiden namens alterskorrelierte Makuladegeneration (AMD). Die Krankheit, bei der die Stelle des schärfsten Sehens angegriffen wird, trifft vorwiegend Ältere ab 50 Jahren, Männer mehr als Frauen.

Ärzte unterscheiden zwei Formen: Bei einer trockenen AMD werden Abfallprodukte der stoffwechselaktiven Netzhaut nicht mehr richtig abgebaut. Es kommt zu Ablagerungen unter der Netzhaut, die dazu führen, dass die Fotorezeptoren nicht mehr richtig funktionieren. Rund 85 Prozent der Makula-Patienten leiden an dieser Form. Mitunter geht sie in die feuchte AMD über: Hier wachsen Blutgefäße in die vorbelastete Netzhaut ein und sondern dort unter anderem Flüssigkeit ab. Auch das führt zu schlechterem Sehen.

Bislang kann nur die feuchte Form behandelt werden: Die Arzneimittel werden ambulant ins Auge gespritzt. Dort hemmen sie den körpereigenen Stoff VEGF, der die unerwünschten zusätzlichen Blutgefäße wachsen lässt. Studien belegen, dass diese Spritzen die Sehfähigkeit bei einem Großteil der Patienten stabilisieren. Geheilt werden können AMD-Patienten aber nicht.