Zwei Flüchtlinge lesen in Hardheim eine ausgedruckte Version des Leitfadens mit Benimmregeln für Flüchtlinge, den die Stadtverwaltung unter Kritik auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat. Foto: dpa

„Liebe fremde Frau, lieber fremder Mann“ - mit den Benimmregeln für Flüchtlinge hat sich die Odenwald-Gemeinde Hardheim unfreiwillig in die Schlagzeilen katapultiert. Aus Sicht einer Migrationsforscherin geht es in die falsche Richtung.

Stuttgart/Hardheim - Die Benimmregeln für Flüchtlinge in der Gemeinde Hardheim (Neckar-Odenwald-Kreis) haben ein geteiltes Echo ausgelöst. Aus Sicht von Migrationsforscherin Nausikaa Schirilla könnten sie nach hinten losgehen.

Der Städtetag Baden-Württemberg hingegen äußerte Verständnis für das Schreiben der Kommune, um ein reibungsloses Miteinander von Asylsuchenden und Einheimischen zu gewährleisten. Trotz heftiger Kritik will die Gemeinde das Regelwerk weiter nutzen. „Im Sinne der Integration werden wir an dem Leitfaden festhalten“, sagte Bürgermeister Volker Rohm (Freie Wähler).

Hardheims Verwaltung war in die Kritik geraten, weil sie für die in dem 4600-Einwohner-Ort untergebrachten 1000 Flüchtlinge Belehrungen aufgestellt hatte. Darin heißt es etwa, keinen Müll auf die Straße zu werfen, Ware im Supermarkt zu zahlen oder die „Notdurft“ nur auf Toiletten zu verrichten. In einer neuen Version des Leitfadens soll laut Rohm künftig der Satz „Seien Sie versichert, dass unser Regelwerk in keiner Weise eine Art von Diskriminierung oder gar rassistischer Ablehnung zum Hintergrund hat“ hinzugefügt werden.

„Wir sind die Guten, die anderen die Schlechten“?

Rohm ist überzeugt: „Die Flüchtlinge werden davon profitieren.“ Der zuständige Städtetagsdezernent Gerhard Mauch sagte: „Die Grundwerte des Zusammenlebens müssen eingehalten werden, das ist ein Muss.“ Wichtig sei dabei, die richtigen Worte zu finden. „Man muss ja nicht alles stigmatisieren“, warnte er. Flüchtlinge dürften aber nicht abschätzig behandelt werden.

Professorin Schirilla von der Katholischen Hochschule Freiburg kritisierte hingegen: „Da wird ein Überlegenheitsanspruch deutlich nach dem Motto: Wir sind die Guten, die anderen die Schlechten.“ Solche Unterschiede erschwerten aber gerade die Integration. „Wenn die Flüchtlinge als „die anderen“ dargestellt werden, werden sie sich abgrenzen.“ In dem Schreiben seien pauschale Unterstellungen enthalten. „Privateigentum gibt es auch in Syrien.“

Konflikte müssten konkret da gelöst werden, wo sie auftreten, sagte Schirilla - etwa über Aushänge zur Sauberkeit in Toiletten oder Flyer zu Diebstahl in Supermärkten, sagte die Wissenschaftlerin.

Unmut auch in anderen Kommunen

Wie Städtetagsdezernent Mauch betonte ein Sprecher des Karlsruher Regierungspräsidiums, dass es auch in anderen Orten Kritik etwa über Müll gegeben hatte, den Flüchtlinge auf dem Rückweg aus der Stadt liegengelassen hatten. In Heidelberg sei das Problem gelöst worden, indem Busse auf der Strecke von der Stadt zu den Unterkünften fahren.

Laut Integrationsministerium gibt es im Südwesten keine Vorgaben des Landes für etwaige Verhaltensregeln. Das Regierungspräsidium Karlsruhe, das für die größte Erstaufnahmestelle im Land zuständig ist, hat beispielsweise in Zusammenarbeit unter anderem mit der Polizei und Sozialverbänden einen Flyer erarbeitet. Unter der Überschrift „Was Sie über das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland wissen sollten...“ wird auch mit Hilfe von kleinen Zeichnungen erklärt, dass Männer und Frauen in Deutschland gleichberechtigt sind und Menschen ihre Religionszugehörigkeit selbst wählen und die Werte frei und friedlich leben.