Beim Stadtteilspaziergang im Mai ging es unter anderem um die Attraktivität des Dürrlewanger Ortskerns für die Betreiber der Geschäfte. Die Kunden bleiben weg. Foto: Rüdiger Ott

Der Bezirksbeirat hat dem neuen Bebauungsplan an der Osterbronnstraße zugestimmt. Damit soll die Gegend attraktiver für Einzelhändler werden.

Dürrlewang - Bürgerbeteiligung, ja klar, das ist eine gute Sache. Das hat sich inzwischen bis in die Verwaltung herumgesprochen. Aber wann sollte denn Schluss sein mit mehr Demokratie, aus ganz praktischen Gründen, um überhaupt vorwärts zu kommen? Genau damit beschäftigte sich jüngst der Vaihinger Bezirksbeirat. Das Thema, an dem sich die Debatte entzündete, war ein eher trockenes.

Es ging um den Bebauungsplan für den Ortskern von Dürrlewang. Dahinter verbirgt sich aber ein Aufreger. Lidl wollte vor drei Jahren einen Teil der Ladenzeile abreißen, um einen eingeschossigen Discounter mitten in die Siedlung zu setzen. Die Anwohner liefen Sturm. Manche tun es noch. Und andere verquicken das Thema zudem auch mit etwas ganz anderem.

Um das zu verstehen, hilft ein Blick zurück. Der Einzelhandel tut sich seit langem schwer in Dürrlewang. Die Geschäfte gehen nicht gut, der Leerstand ist hoch. Immerhin: ein kleiner Supermarkt versorgte früher die Anwohner mit dem Nötigsten. Anfang 2011 stellte Lidl eine Bauvoranfrage. Die Kette wollte an eben jener Stelle eine „eingeschossige Kiste“ bauen, wie es im Ort bald hieß.

Dem Ladenzentrum soll Leben eingehaucht werden

Die Stadt reagierte, auch auf Wunsch der Lokalpolitik und vieler Bürger, mit einer Veränderungssperre. Der Einkaufsladen war passé. Doch der bestehende Supermarkt schloss im Sommer 2012 seine Türen, der Betrieb lohnte nicht mehr. Seitdem müssen die Dürrlewanger woanders ihre Lebensmittel kaufen.

Die Stadt war erneut gefordert, der Bebauungsplan sollte so geändert werden, dass es sich für Geschäfte wieder rentieren könnte, in Dürrlewang zu investieren. So sollte dem darbenden Ladenzentrum wieder neues Leben eingehaucht werden. Das war der Wunsch der Lokalpolitik wie auch der Bürger, und zwar erneut.

Zwischenzeitlich rutschte Dürrlewang in das Bund-Länder-Förderprogramm „Soziale Stadt“. Damit kann die in den 50er- und 60er-Jahren entstandene Trabantenstadt aufgehübscht werden. Die Anwohner wurden schriftlich befragt, was sie sich wünschen. Im Mai 2014 spazierten mehr als 100 Anwohner zusammen mit dem Baubürgermeister Werner Wölfle durch den Stadtteil.

Unter anderem, aber eben nicht nur, kam auch zur Sprache, dass die Ladenzeile belebt werden soll. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass sich das Förderprogramm und der neue Bebauungsplan zwar örtlich überschneiden, aber ansonsten nichts miteinander zu tun haben.

1100 Quadratmeter für einen Supermarkt

Die Verwaltung ist nun dabei, zu liefern. Anfang der Woche wurde dem Vaihinger Bezirksbeirat das Grundkonzept des neuen Bebauungsplans vorgestellt. „Wir befinden uns mitten im Verfahren“, sagte Michael Hausiel vom Stadtplanungsamt. Es sieht vor, dass an der Osterbronnstraße 50 ein bis zu fünfstöckiges Gebäude entstehen könnte mit maximal 1100 Quadratmetern Fläche für einen Supermarkt im Erdgeschoss. Und die Ladenzeile soll künftig durch bis zu dreistöckige Gebäude ersetzt werden dürfen.

Zum einen stritten sich die Räte über die Details des Bebauungsplans selbst. Vor allem die fünfgeschossige Bebauung stieß allen Fraktionen außer der CDU sauer auf. Zum anderen ging es um die Frage, ob nicht noch die Auswertung der Bürgerbefragung im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“ abgewartet werden sollte. „Ich würde sehr gerne die Ergebnisse berücksichtigen“, sagte Kristin Wedekind von den Grünen. Diese werden im Herbst erwartet.

„Irgendwie gefällt mir auch nicht, dass wir, ohne die Befragung abzuwarten, mit dem Bebauungsplan weitermachen“, sagte Sven Ostertag von der SPD. Doch dränge eben die Zeit. „Sicherlich, die Nahversorgung muss ich unterstützen“, sagte auch Konrad Ruf von den Freien Wählern. Und Heike Mössner vom Stadtplanungsamt, die das Projekt „Soziale Stadt“ betreut, sagte: „Der jetzige Vorschlag widerspricht nicht den Anregungen der Bürger.“

Während die Christdemokraten die Pläne anstandslos durchwinken wollten und die SÖS/Linke sie aus Prinzip ablehnten, weil das gesamte Verfahren mal wieder die Investorenfreundlichkeit der Stadt beweise statt auf Bürgerwünsche einzugehen, einigte sich die Mehrheit auf einen Kompromiss. Sie stimmten dem sogenannten Auslegungsbeschluss zu unter der Maßgabe, dass die Ergebnisse der Bürgerbefragung berücksichtigt werden und nicht höher als dreigeschossig gebaut werden darf. Ob der Bebauungsplan dergestalt angepasst wird, darüber wird letztlich der Umweltausschuss des Gemeinderats am kommenden Dienstag entscheiden.