Statt Werkstatt (rechts) und Autohaus dahinter sollen zwei neue Gebäude entstehen, eines davon mit bis zu 22 Meter Höhe. Foto: Simon Granville Foto:  

Die Stadt Ludwigsburg setzt auf Nachverdichtung und höhere Gebäude, um mehr Wohnraum zu schaffen, betroffene Anwohner klagen, darunter leide die Wohnqualität und Ludwigsburg als lebenswerte Stadt. Ein Beispiel aus der Oststadt.

Der Alte Oßweiler Weg in der Ludwigsburger Oststadt ist in weiten Teilen eine ruhige Straße, kurz vor der Grenze zu Oßweil sogar eine Anliegerstraße, die in einem Feld- und Radweg endet. Die Wohnbebauung ist geprägt von kleineren Gebäuden- einige Einfamilien- und Doppelhäuser, aber auch Mehrfamilienhäuser mit zwei Stockwerken plus Dachgeschoss.

Sowohl mit der über Jahrzehnte gewachsenen Optik als auch mit der Ruhe könnte es schon bald vorbei sein, befürchten einige Anwohner. Ein Investor plant nämlich an der Stelle, wo der Alte Oßweiler Weg endet, im rückwärtigen Bereich der parallel verlaufenden Schorndorfer Straße zwei Neubauten mit Platz für Geschäfte im Erdgeschoss und Wohnungen darüber zu errichten. Ein Gebäude soll vier Stockwerke hoch werden, das andere soll im Süden einen siebenstöckigen „Hochpunkt“ bekommen – das wären knapp 22 Meter Höhe ohne Dachaufbauten, etwa für Solartechnik.

Keine Rücksicht auf bestehende Bebauung?

„Damit wird die Frischluftschneise für das obere Schlösslesfeld, die hier verläuft, abgeblockt“, sagt Barbara Benke-Scherer, die im Anliegerteil des Alten Oßweiler Wegs wohnt. Das ist nicht der einzige Kritikpunkt, den sie und etliche ihrer Nachbarn an den Plänen haben: „Wir haben das Gefühl, dass die Stadt Ludwigsburg der Schaffung neuer Wohnungen alle anderen Ziele einer lebenswerten Stadt unterordnet. Warum greift man nicht jetzt aktiv in die Planungen ein und prüft die zukünftige Bebauung auf die Verträglichkeit mit ihrer Umgebung?“

Ebenfalls stark in der Kritik: Das Vorhaben, mit Ausgang hin zum Alten Oßweiler Weg ein Café oder einen anderen Gastronomiebetrieb zu ermöglichen. „Wohin das führt, haben wir bei der HCL-Gaststätte gesehen, wo ständig Lärm ist“, klagt ein anderer Anwohner. Eine Gastronomie vertrage sich nicht mit dem Wohngebiet. Was das betrifft, zeigt sich die Baubürgermeisterin Andrea Schwarz aufgeschlossen. Aber auch aus ihrer Sicht würde ein solcher Betrieb besser auf den Quartiersplatz passen, der in Richtung Schorndorfer Straße auf dem Grundstück entstehen soll.

Vorgaben der Baunutzungsverordnung entfallen

In dem gesamten Bereich bis zum Stadion gilt laut Auskunft eines Stadt-Pressesprechers ein Bebauungsplan aus dem Jahr 1951. Der sehe überwiegend ein Bauverbot vor, zur Höhe gebe es keine Festsetzungen. Doch die Stadt will neuen Wohnraum ermöglichen. Weil das Gebiet nach Ansicht der Verwaltung ein hohes städtebauliches und freiraumplanerisches Potenzial aufweist, sei ein neuer Bebauungsplan nötig. Der Eigentümer des Grundstücks hat dazu auf seine Kosten einen sogenannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan erstellt. Dieser hat die Besonderheit, dass man sich dabei nicht an die Vorgaben der Baunutzungsverordnung im Hinblick auf Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche halten muss – sprich: Man kann Grundstücke dichter bebauen, als dies normalerweise erlaubt ist.

Dass damit überdimensionierten Bauvorhaben Tür und Tor geöffnet seien, verneint die Baubürgermeisterin: „Die Kommune hat im Gegenteil sehr viel bessere Möglichkeiten, über einen Durchführungsvertrag das Bauvorhaben zu steuern.“ Die Stadt könne auch sagen: „Das wollen wir nicht.“

Die Argumente Wohnraum und Nahversorgung sind diskutabel

Danach sieht es aber indes nicht aus. Denn laut Schwarz haben sich die Planer des Investors an die Vorgaben des städtebaulichen Konzepts für das Gebiet Fuchshof aus dem Jahr 2019 gehalten, das dort zwei solche Gebäude mit Quartiersplatz vorsieht. Darin sieht man bei der Stadt und im Gestaltungsbeirat ein wichtiges Entrée für das künftige Quartier Fuchshof. Dass der Eindruck des Hochpunkts von Süden und Norden her kommend eher ein „Bis hierher und nicht weiter“ ist, glaubt die Baubürgermeisterin nicht. Sie argumentiert mit dringend benötigtem Wohnraum und einer besseren Nahversorgung für das obere Schlösslesfeld und das neue Quartier Fuchshof. Indes befinden sich schon heute etliche Lebensmittelläden sowie Apotheken und Ärzte in nur wenigen hundert Meter Entfernung in Richtung Oßweil, Stadtmitte und Stadion.

Im Hinblick auf den Wohnraum werden vor allem bezahlbare Mietwohnungen benötigt. Hier möchte die Stadt in Verhandlungen erreichen, dass ein gewisser Prozentsatz der Wohnungen – die Zielvorstellung liegt laut Schwarz bei 30 Prozent – sozial gefördert ist. Und was die Höhe betrifft, sagt die Baubürgermeisterin, habe man gar keine andere Wahl, wenn man nicht im Außenbereich Flächen versiegeln wolle. Dass sich in der jüngsten Bürgerbefragung viele, vor allem jüngere Menschen dagegen und ebenso gegen eine weitere Nachverdichtung ausgesprochen haben, führe sie darauf zurück, dass man bei einer solchen Befragung ja nicht in die Diskussion gehen könne. Ohne Diskussionen werden aber auch künftige derartige Bauvorhaben sicher nicht abgehen.

Auch das künftige Quartier Fuchshof ist und bleibt ein Zankapfel

Die Pläne der Stadt
 Auf dem Gelände entlang der Fuchshofstraße, wo bislang Gewächshäuser waren und noch Ackerflächen sind, soll Wohnraum für bis zu 1500 Menschen entstehen. Dafür soll der Bebauungsplan aus dem Jahr 1951 geändert werden. Allerdings nur für den Teil östlich der bereits gebauten Fuchshofschule.

Die Pläne privater Eigentümer
 Das Gelände westlich der neuen Fuchshofschule gehört privaten Eigentümern. Auch die würden dort gern bauen, nachdem sie mit Unterstützung des Verwaltungsgerichtshofs die Absicht der Stadt verhindert haben, durch die Änderung des Bebauungsplans dieses Privatgelände für eine mögliche Erweiterung der Fuchshofschule vorzuhalten. Der bislang gültige Bebauungsplan sieht dort nur einstöckige Gewächshäuser vor. Dieser alte Bebauungsplan habe Bestand und sei rechtsgültig, Überlegungen hinsichtlich einer Wohnbebauung gebe es daher nicht, so die Baubürgermeisterin.