Die Lage auf dem derzeitigen Immobilienmarkt ist dramatisch. Foto: dpa/Soeren Stache

In Baden-Württemberg gibt es 52 000 Sozialwohnungen – bei einem geschätzten Bedarf von 500 000. Darum wollen die Architektenkammer, die Internationale Bauausstellung (IBA) und der Mieterbund von der Landesregierung 150 bis 200 Millionen Euro zusätzlich.

Die Dramatik, die derzeit die Situation auf dem Wohnungsmarkt beherrscht, sei nicht erst mit der Ukrainekrise entstanden, sagt Markus Müller, Chef der Architektenkammer. Vielmehr arbeite sich die Branche bereits seit Jahren daran ab. Zu einer Lösung sei man bisher allerdings nicht gekommen.

Nun schlagen die Baubürgermeister in vielen Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg Alarm. „Wir müssen jetzt endlich etwas tun, damit wir Projekten, die in der Pipeline sind, über die Rampe helfen“, sagt Müller.

Nur für jeden zehnten Haushalt, der eine Sozialwohnung bräuchte, ist eine da

Darum hat sich die „Notfallhilfe“ für sozialen Wohnungsbau – und sozialen Frieden“ zusammengetan, ein Bündnis aus Architektenkammer, der Internationalen Bauausstellung IBA’27 und dem Mieterbund Baden Württemberg. „Es ist etwas Besonderes, wenn wir uns zusammenfinden und ein Notprogramm für Wohnungsbau fordern“, sagt der Landeschef des Mieterbundes Baden-Württemberg, Rolf Gassmann. Will heißen: Der Druck sei groß, die Belastungsgrenze bei weitem überschritten. Zumal Baden-Württemberg mit 52 000 Sozialwohnungen aufwarten könne, es aber einen geschätzten Bedarf von 500 000 gäbe. Das heißt: Nur für jeden zehnten Haushalt, der eine Sozialwohnung bräuchte, sei auch eine da.

Das müsse sich nun ändern, so das Bündnis – das eindringlich das Ende staatlicher Zurückhaltung fordert. Bevor die Wohnungsfrage noch mehr Sprengkraft entfalte und die Demokratie im Land ernsthaft gefährde, müsse ein soziales Konjunkturprogramm als „Notfallhilfe“ aufgesetzt werden. Nötig seien 150 bis 200 Millionen Euro zusätzlich für die Förderung gemeinwohlorientierter Bauprojekte. Diese befristete Förderung über zinsfreie oder zinsermäßigte Kredite solle ausschließlich dem Ausgleich der Verluste dienen.

Konkret verlangt das Bündnis, das Land müsse genauso viel für den sozialen Wohnungsbau beisteuern wie der Bund. Von diesem kommen jährlich 358 Millionen, das Land gibt bisher 193 Millionen. Bei einer Erhöhung der Landesförderung um 165 Millionen Euro komme man dann auf eine Gesamtfördersumme von 716 Millionen statt derzeit 551 Millionen.

Andreas Hofer, Intendant der IBA, steht staatlichen Mitteln eher skeptisch gegenüber, sieht aber auch, dass es in der Krise nicht mehr ohne diese geht. „Wir können aber nicht nur sagen: ‚Liebe Politik, gib uns Geld’. Wir sind nur glaubwürdig, wenn wir von bestimmtem Unsinn unserer Branche wegkommen.“ Unsinn, das sei etwa, dass die Bauwirtschaft eine Wegwerfwirtschaft sei. Und das sie Häuser baue, die eine durchschnittliche Lebensdauer von nur 36 Jahren haben. „Solche Verrücktheiten können wir uns nicht mehr leisten, wir müssen Baubestand so herrichten, dass die Nachfolger etwas damit anfangen können.“

Nicole Razavi: „Das Ganze muss auch umsetzbar und finanzierbar sein“

Landesbauministerin Nicole Razavi (CDU) reagierte auf die Kritik: „Ich freue mich über jeden, der sich darüber Gedanken macht, wie wir zu mehr bezahlbarem Wohnraum kommen. Aber das Ganze muss auch umsetzbar und finanzierbar sein.“ Auch sie wünsche sich, noch mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu haben. „Aber wir werden das Wohnraum-Problem nicht allein mit der sozialen Wohnraumförderung lösen können“, sagt sie. Das Hauptproblem seien die Schwierigkeiten auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt, auf dem weit über 90 Prozent der Wohnungen entstehen. Der Bau von Wohnungen ohne staatliche Förderung rechnet sich aktuell schlicht nicht mehr – für niemanden. Hier müsse man ihrer Meinung nach ansetzen.