Die Demonstrierenden sammeln sich am Wasen, gemeinsam fahren sie in die Innenstadt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Obwohl mehr Traktoren kommen als angemeldet, bleibt die Lage auf den Straßen der Landeshauptstadt weitgehend entspannt.

Man kann sich seine Unterstützer in der aktuellen politischen Situation nicht immer aussuchen. An den Protest der Landwirte haben sich unter anderem auch Querdenker angehängt: In deren Kanälen auf Telegram waren in den zurückliegenden Tagen viele Sympathiekundgebungen für den Bauernprotest zu lesen. Deutschland werde „lahmgelegt“, hieß es da über die angekündigten Demos der Landwirte, die mit Nutzfahrzeugen auch in Stuttgart und der Region unterwegs waren. Zumindest in Stuttgart wurde dieser Lahmlege-Effekt nicht erreicht: Es war am Montag so ruhig auf den Straßen der Landeshauptstadt, dass es gar nichts zum Lahmlegen gab. Wer nicht musste, setzte sich offenbar nicht ins Auto, sondern stieg auf öffentliche Verkehrsmittel um oder arbeitete von zu Hause aus.

Versammlungsleiter: Landwirte wollen Stuttgart nicht lahmlegen

Das Ziel der Stuttgarter Gruppe sei es auch nicht gewesen, den Verkehr zu blockieren. „Das hätte die Menschen getroffen, die zur Arbeit müssen. Das wollten wir nicht“, sagt Michael Warth aus Stuttgart-Untertürkheim, der Versammlungsleiter des Stuttgarter Protestes. Die Kritik gelte der Bundesregierung, und an einer Protestfahrt und einer Kundgebung im Herzen der Stadt sollten die Menschen in Stuttgart nicht leiden. Und auch wenn sich seine Kritik an die Spitzenpolitikerinnen und -politiker in Regierungsverantwortung wendet, so wollten er und seine Mitstreitenden noch etwas nicht am Montag: die Vereinnahmung der Protestbewegung durch politische Gruppierungen. So habe man auch das gute Dutzend AfD-Anhänger, die sich mit Bannern und Fahnen bemerkbar machten, an den Rand der Kundgebung auf der Querspange zwischen dem Rotebühlplatz und der Eberhardstraße verwiesen – sie suchten dann bald das Weite, als die Reden vom Lautsprecherwagen begannen.

Die Landwirte waren am Montagmorgen mit rund 500 Fahrzeugen auf den Cannstatter Wasen gekommen. Davon durften – so die Auflage der Stadt als Versammlungsbehörde – 150 in die City fahren und sich zwischen dem Rotebühlplatz und der Eberhardstraße aufstellen. Dort hörten die Landwirte und ihre Sympathisanten den Redebeiträgen zu, die alle in eine ähnliche Richtung gingen: Sie kritisierten die Bundesregierung für die Überlegung, die Steuerfreiheit des Dieselkraftstoffes und die Kfz-Steuerbefreiung für Nutzfahrzeuge abzuschaffen. Unüberhörbar waren sie auf jeden Fall: Hupen und Sirenen an den Fahrzeugen, laute Musik vom Lautsprecherwagen. „Wir steigern das Bruttosozialprodukt“, „Highway to Hell“ und „Karl, der Käfer, wurde nicht gefragt“ waren die Hits, mit denen die Zuhörenden auf die kritischen Botschaften eingestimmt wurden. Und das verursachte, bei aller Verbitterung über politische Diskussionen, mit denen man nicht einverstanden ist, dann auch eine Art Partystimmung in den Reihen. Man sah schunkelnde und tanzende Menschen, die damit auch gegen die eisigen Temperaturen auf dem großen Platz ankämpften.

Nicht alle Protestierenden waren Landwirte. Es mischten sich Handwerker unter sie, auch ein Plakat mit der Aufschrift „Jäger für Bauern“ wurde geschwenkt. Entsprechend bestand auch der Fuhrpark nicht reinrassig aus Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen. Muldenfahrzeuge, Hubsteiger, ein Offroad-Spaßmobil, sogar ein Tieranhänger mit drei lebendigen Ziegen darin, die den Krach ertragen mussten, waren zu sehen am Rand der Kundgebung.

Rund 500 Fahrzeuge waren am Morgen auf den Cannstatter Wasen gekommen zum Auftakt. Die meisten starteten von dort dann nach dem Ende der Auftaktveranstaltung. Nur 150 durften jedoch zum Versammlungsort kommen. „Das war eine Auflage von uns“, sagte Stefan Praegert vom Ordnungsamt, der die Demo beobachtete: Für mehr sei kein Platz in der City an der Querspange, und die Auflage sei eingehalten worden.

Wann sich die Stadt wieder leerte, das war weithin zu hören: Über allem stand stundenlang der Polizeihubschrauber, um aus der Luft die Verkehrslage zu überwachen. Auch eine Drohne setzte die Polizei ein, um die Lage aus der Luft im Blick zu behalten. Gegen 14.30 Uhr flog der Hubschrauber davon. Da hatte sich das Demogeschehen in der Landeshauptstadt weitgehend aufgelöst. Stellenweise sei es vorübergehend zu Verkehrsbehinderungen gekommen, meldet die Polizei abschließend. Der Weg in die City hatte am Vormittag begleitet von der Polizei über die Bundesstraße 14 geführt, von Cannstatt kommend über die Kulturmeile und den Charlottenplatz, dann in Richtung Rotebühlplatz. Die Polizei sperrte am Rotebühlplatz die Zufahrt und regelte den Verkehr der landwirtschaftlichen Fahrzeuge so, dass alle schließlich einen Stellplatz fanden.