Ein Vierteljahrhundert Zeitreise: das Freiburger Barockorchester (in 2011). Foto: promo

Das Freiburger Barockorchester feiert seinen 25. Geburtstag. Am Montag geben die Musiker ein Festkonzert im Stuttgarter Beethovensaal.

Freiburg/Stuttgart - Das Neue kann auch von gestern sein. Manches, was schon vor Jahrhunderten erdacht und aufgeführt wurde, erscheint uns aufregender und näher als etliche Klänge unserer Zeit. Die Interpreten allein sind dafür verantwortlich, dass Altes heute noch neu wirkt. Eine Gruppe von Musikern, der das zumal bei Musik des Barock besonders gut gelingt, feiert in dieser Saison ihren 25. Geburtstag: Seit einem Vierteljahrhundert ist das mittlerweile vielfach preisgekrönte Freiburger Barockorchester (FBO) eines der interessantesten Vorzeige-Ensembles der so genannten historisch informierten Aufführungspraxis – und eine der aufregendsten Musiker-Truppen Baden-Württembergs .

Wer das Freiburger Barockorchester hört, der geht durch Höhen und Tiefen der Gefühle und teilt eine ausgefeilte Kultur der Überraschungen. Das im Kern 26-köpfige Ensemble zelebriert im gemeinsamen Atmen, im körperlichen Akt des koordinierten Phrasierens die physische Kraft emotionaler Extremwerte ebenso wie das Verschmelzen von Individuen zu einem sprechenden Ganzen.

Man ahnt die utopische Dimension gemeinsamen Musizierens: Mit seinem Spiel gelingt dem FBO nichts weniger als die Übersetzung von Basisdemokratie in Klänge. Vom ersten, dem Konzertmeister-Pult aus werden die Darbietungen der Musiker so angeleitet, dass ein Impuls spürbar ist, kein diktatorischer Akt. Zu erleben ist ein waches Geben und Nehmen. Und das (womöglich vorläufige) Ergebnis eines Diskussionsprozesses auf höchstem Niveau, gespeist von unbändiger Lust am Experimentieren und einem gewachsenen, profundem Wissen um die Art und Weise, in der zur Entstehungszeit der aufgeführten Werke musiziert wurde. Der Rest ist lebendige Spekulation. Faktengespeistes kommunikatives Rätselraten. Dass die Musiker des FBO Gesellschafter sind: Man meint es tatsächlich zu hören.

Dabei macht die Truppe, die 1987 erstmals unter dem Namen Freiburger Barockorchester auftrat („Am Anfang“, sagt Intendant Hans-Georg Kaiser“, habe ich den Namen des Orchesters vielen Veranstaltern im Ausland am Telefon buchstabieren müssen“) schon lange nicht mehr an der Grenze zur Frühklassik halt. Als Mozart-Orchester hat es sich vor allem mit seinen Operneinspielungen unter René Jacobs weltweit einen exzellenten Ruf erspielt, seit 2007 erarbeitet es nach und nach sämtliche Beethoven-Sinfonien, und sogar Ausflüge in die Romantik haben die Freiburger schon gewagt – um anschließend von Wagner, Schumann oder Mendelssohn mit heißem Herzen wieder in die barocke Heimat zurückzukehren.

Schließlich ist dort immer noch viel Wohlbekanntes neu zu entdecken und viel Unbekanntes zu erforschen. Neben Werken des großen Bach müssen es also auch solche von den kleineren „Bächen“ sein, von Muffat, van Wassenaer, Rossi, Locatelli oder Marini. Die Musiker rund um die auf fruchtbare Weise unterschiedlichen Konzertmeister Gottfried von der Goltz und Petra Müllejans – er eher der Kopf, sie eher die Seele des Ensembles – sind auch Trüffelschweine des Unbekannten. „Wir sind so neugierig, dass wir vor nichts Halt machen“, hat Petra Müllejans in einem Interview einmal gesagt, und Gottfried von der Goltz betonte, man fühle sich beim FBO manchmal „wie in einem Western. Wir ziehen mit einem Planwagen durch die Landschaft und suchen nach Neuland.“ Qualität muss dieses allerdings haben, und etwas Berührendes, Aufregendes muss es haben. Das ist wichtig. Konzerte der Freiburger sind Gefühls-Explosionen.

Dabei ist die Revolution, für die in der Alten Musik einst Musiker wie Nikolaus Harnoncourt oder John Eliot Gardiner kämpften, schon lange Geschichte. Nachgeborene der historisch informierten Aufführungspraxis müssen niemandem mehr etwas beweisen, sondern können gelassen an der eigenen Klasse arbeiten – und davon sogar einigermaßen leben. 200 Euro Tagesgage gewähren sich die Gesellschafter-Musiker. Das Orchester gibt zwischen 80 und 100 Konzerten jährlich und spielt 85 Prozent seines Etats selbst ein. „Eine solide Finanzierung für das FBO und seine Musiker“, fordert Intendant Kaiser, sollte sich aber auf rund 30 Prozent an Subventionen stützen können.“ Ein eigenes Ensemblehaus konnte das Orchester immerhin im Mai dieses Jahres beziehen. 1, 4 Millionen Euro dafür gab die öffentliche Hand, 1,6 Millionen Euro kamen von privaten Spendern. Dass mit dem Ensemble Recherche ausgerechnet eine Neue-Musik-Truppe mit in das neue Domizil einzog, spricht für sich.

Jubiläumskonzert des Freiburger Barockorchesters (Beethoven, Sinfonie Nr. 5, Klavierkonzert Nr. 5 mit Kristian Bezuidenhout, Doppelkonzert mit der Geigerin Anna Katharina Schreiber und dem Cellisten Jean-Guihen Queyras): Mo, 22. 10., 20 Uhr, Beethovensaal. Es gibt noch Karten