Chris Dorfmüller, Jeannette Franz und Paul Malcharek tüfteln seit 2009 an ihren Arrangements, nehmen Songfragmente auf, komponieren, spielen und texten. Foto: Dario Nassal

Harter Rock und softer Pop: Die Bands und Musiker, die im Stuttgarter Norden proben, haben unterschiedliche Wünsche und Träume. Zum Auftakt: Stullenheimer.

Stuttgart-Weilimdorf - Kalte synthetische Klänge wabern durch den Proberaum. Dann knallt der Beat, der Bass ertönt, verzerrte Gitarrenakkorde grunzen und kratzen in einem Urwald aus Sound. Und irgendwo ganz nah haucht eine Frauenstimme eine sanfte Melodie. Wer bei Stullenheimer die Augen schließt, der kann sich treiben lassen und das Gefühl für Zeit verlieren. Und genau das wollen die drei Musiker aus Stuttgart auch bewirken: „Neulich kam ein Konzertbesucher zu uns, nachdem wir zwei Stunden gespielt hatten und meinte, es sei ihm vorgekommen wie zwanzig Minuten. Wenn so was passiert, dann wissen wir: Wir haben alles richtig gemacht“, sagt Jeannette Franz – die Sängerin.

Stullenheimer – das sind Paul Malcharek an der Gitarre, Chris Dorfmüller an den Synthesizern und Jeannette Franz, die singt und textet. Bei den Konzerten ist Dilini Keethapongalan als Video-Djane mit dabei. Sie untermalt Stullenheimers Musik mit Bildern, projiziert synthetische Muster auf die Bühne in knalligen Farben. „Wir sind Elektroerzieher“, sagt Paul Malcharek und lächelt. „Wir wollen mit unserer Musik die Menschen dazu bringen, sich in Trance zu tanzen.“ Damit das klappt, müsse vor allem auch der Sound stimmen. Und an dem feilen die drei Musiker immer und immer wieder. Seit 2009 tüfteln sie an ihren Arrangements, nehmen Songfragmente auf, komponieren, spielen, texten.

Stullenheimer nehmen sich ständig selbst auf

Wer wissen will, wie der Stullenheimer-Sound entstehen, der muss ins Proberaumzentrum Weilimdorf kommen. Dort haben die drei sich seit vergangenem November ein kleines Studio eingerichtet: Keyboards, Verstärker, Mikrofone und ein Computer stehen in einem hellen Raum mit Sofa und Topfpflanze. Auf dem Bildschirm flimmern bunte Wellenformen, eine Aufnahmesoftware ist geöffnet – Stullenheimer nehmen sich ständig selbst auf. Momentan arbeiten sie an ihrem zweiten Album.

„Die groben Fragmente stehen schon – bald geht es an den Feinschliff“, sagt Chris Dorfmüller. Meist bringe er die Grundidee für einen Song mit in den Proberaum. Dann werde allerdings immer viel verändert. „Die Kreativität von uns allen kommt hier zusammen: Jeder hat eigene Ideen und unterschiedliche Vorstellungen von den Arrangements“, so Dorfmüller. Erst durch das Zusammentragen all dieser Ideen entstünden die Songs. Selbst die Texte schreibt Sängerin Jeannette Franz, wenn alle dabei sind – im Proberaum: „Ich brauch den Sound, das Feeling und die Atmosphäre.“

„Wir haben keine vorgefertigte Taktanzahl“

Keiner der drei Musiker lebt ausschließlich von Musik. Alle gehen einem anderen Brotberuf nach. „Aber Musik ist unsere Leidenschaft“, sagt Malcharek. Wenn er abends ins Studio der Stullenheimer komme, dann lasse er alles andere hinter sich. „Der ganze Mist von der Arbeit, alle Sorgen und so weiter – das bleibt alles draußen vor der Tür. Hier drin gibt es nur noch Musik.“ Und das sei das Beste.

Für ihre Leidenschaft haben Stullenheimer viel Zeit auf deutschen Autobahnen verbracht. Schon mehrmals sind sie durch die Bundesrepublik getourt. Große und kleine Clubbühnen, Open-Air-Konzerte, WG-Partys, Festivals – Stullenheimer haben viel Erfahrung als Live-Band. Deshalb wissen sie: „Du kannst nicht auf einer Vernissage die gleiche Show machen, wie in einem überfüllten Festivalzelt.“ Das hätten sie schnell gemerkt, und deshalb spielten sie die Songs bei jedem Konzert anders. „Das ist nicht wie bei Rockcombos; wir haben keine vorgefertigte Taktanzahl. Je nach Show verändern wir die Länge, die Einsätze und die Pausen zwischen den Beats“, sagt Paul Malcharek. Daher rührt auch der Name der Band. Stullenheimer – das kommt von Stulle. Und wie beim beschmierten Brötchen, so schmecke auch ihre Musik immer anders. „Je nachdem was wir draufschmieren, sozusagen“, sagt Jeannette Franz und lacht. Das Konzept geht auf. Mit ihrer eigentümlichen Mischung aus elektronischer und organischer Musik hat sich das Quartett vor allem in Süddeutschland einen Namen gemacht.

Was die Wünsche für die musikalische Zukunft angeht, so sehen es die drei Stuttgarter Musiker gelassen. „Uns ist klar, dass wir mit unserer Musik nicht reich werden“, sagt Malcharek. Aber das sei auch gar nicht ihr Ziel. Es mache sie einfach glücklich Songs zu schreiben und an Wochenenden mit der Band unterwegs zu sein. Vor kurzem seien sie beispielsweise freitags in Berlin gewesen, um ein Radiointerview zu geben. „Abends sind wir an die Nordsee gefahren, haben am Strand geschlafen. Und am Tag danach spielen wir auf einem wunderschönen Festival vor 400 Leuten in Mecklenburg-Vorpommern – alle sind begeistert und tanzen zu unserer Musik. Was will ich Geld, wenn ich so was erleben darf?“, sagt Malcharek, lächelt und schnappt sich seine Akustik-Gitarre. Jeannette Franz geht rüber zum Mikrofon in der Mitte des Studios. Chris Dorfmüller stellt sich hinters Keyboard. Und dann spielen sie „Wüstenstulle“ – einen Song vom ersten Album.