Vor der Fotowand der Aids-Hilfe trifft sich alles. Foto: LICHTGUT/Zophia Ewska

Festlich ist der Ball im Zeichen der roten Schleife, aber vor allem locker und fröhlich: Der ausverkaufte Tanz für die Aids-Hilfe ist zum gesellschaftlichen Höhepunkt in Stuttgart geworden, der zeigt, wie das rote Band der Solidarität die Stadtgesellschaft eint.

Unter den prachtvollen Kristalllüstern der Alten Reithalle trifft Eleganz auf Lebensfreude. Kerzen flackern auf den festlich geschmückten Tischen, Pailletten blinken auf Abendkleidern, rote Schleifen sind an Smoking-Jacken gesteckt. Strahlende Gesichter haben in dieser Nacht die Mehrheit übernommen. Viele Bälle gibt es in Stuttgart nicht mehr – umso mehr freuen sich die Fans des stilvollen Feierns, dass sich die Aids-Hilfe nach dreijähriger Corona-Pause mit ihrem Benefiz-Event zum Welt-Aids-Tag fulminant und voller Vergnügen zurückmeldet.

Aras schwärmt: Hier geht es so schön locker zu!

Landtagspräsidentin Muhterem Aras ist ein Fan des Stuttgarter Aids-Balls. „Hier geht es sehr locker zu“, schwärmt sie. Was der Grünen besonders gefällt: „Die Stadtgesellschaft ist stark vertreten.“ Querbeet aus vielen unterschiedlichen Bereichen sind die Gäste gekommen, um für die Rechte queerer Menschen einzutreten. Einst war der Kampf gegen die Krankheit Aids ein Kampf gegen Ausgrenzung. In der Alten Reithalle feiern nun so viele Stadtpromis, Vertreter der Kultur, der Medien, der Wirtschaft und der Politik mit, dass man’s spüren kann: Die Anliegen der Veranstalter sind in der Mitte der Stadtgesellschaft angekommen. Diversität tut vielen gut.

Schirmherr Rainer Reichhold, der Präsident des baden-württembergischen Handwerktags und der Handwerkskammer der Region Stuttgart, sagt im Gespräch mit Moderator Jürgen Hörig, dass Herkunft oder sexuelle Orientierung keine Rolle spiele. Es gehe vielmehr darum, gemeinsam nach vorne zu blicken und gemeinsam etwas erreichen zu wollen. Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit, die seit vier Jahrzehnten von der queeren Community als „Mutter der Schwulen“ verehrt wird, erntet den meisten Beifall des Abends, als sie in ihrer kämpferischen Rede ruft, die Solidarität der Anwesenden sei schön und gut, „aber wir brauchen vor allem euer Geld!“

Bei Heterosexuellen breitet sich Aids gerade am stärksten aus

Die Aids-Hilfe, erklärt Bernd Skobowsky, Mitglied der Geschäftsführung, könne aus eigener Kraft ihre vielfältigen Aufgaben nicht erfüllen. Auf Spenden sei der Verein dringend angewiesen. Sehr glücklich ist er, dass der Weihnachtsball seit Tagen ausverkauft und dass die Unterstützung nach der dreijährigen Corona-Pause so groß sei. Sponsoren zahlen mit. Promis wie DJane Alegra Cole werden verlost – sie legt bei einem Fest der Gewinner auf.

Prävention ist wichtiger denn je, da die Zahl der Ansteckungen wieder zunimmt, wie Skobowsky sagt: „Schwule wissen meist Bescheid, wie man sich schützt“ – aber bei Heterosexuellen breitet sich HIV gerade am stärksten aus.“ Auch mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten beschäftigt sich die Aids-Hilfe und informiert Migranten über die Gefahren.

Schlagerstar Patrick Lindner, der mit seinem Ehemann Peter Schäfer auf Einladung von Schönheitschirurg Christian Fitz, seines Freundes, beim Ball in der Alten Reithalle mitfeiert, erinnert sich an seine Jugend, als Aids oft einem Todesurteil gleichkam und die Angst vor der angeblichen „Schwulenseuche“ groß war. „Es ist gut, dass die Medizin enorme Fortschritte gemacht hat“, sagt er, „aber die jungen Leuten müssen sich trotzdem schützen, damit es gar nicht erst zur Ansteckung kommt.“ Die Feier in Stuttgart gefällt ihm sehr gut. „Die Stimmung ist Klasse“, schwärmt er.

Eine Hymne auf die Schlampe

DJane Alegra Cole legt bis nachts um 3 Uhr auf, die Band Boombox füllt mit ihrer Musik nach einem vorzüglichen Drei-Gänge-Menü rasch die Tanzfläche, Nils Strasburg heizt als Elvis ein. Zur späten Stunde begeistert das Ensemble der Show „Masque“ vom Friedrichsbau Varieté mit seinen Tänzerinnen und der Chansonnière Kristina Kruttke, die ihre Hymne auf die „Schlampe“ singt.

Rote Schleife meets roten Teppich. Unter den 320 Gästen sind viele bekannte Gesichter: Entertainer Michael Gaedt, SWR-Nachrichtenfrau Tatjana Geßler, Gudrun Nopper, die Ehefrau des Stuttgarter Oberbürgermeisters Frank Nopper, Künstlerin Christa Winter, Schagersängerin Madeleine Willers, Petra Maria Huber mit ihrem Stuttgarter Ladies Club, Henni, die Miss Aids-Hilfe, CSD-Sprecher Detlef Raasch , die Models Karlin Ivana (Ex-Kandidatin von „Germanys Next Topmodel“) mit ihrer Schwester Caviar Obliango, auffallend viele Geschäftsführer von erfolgreichen Firmen, ebenso zahlreiche Dragqueens, ein buntes Volk – jede, jeder, jedes folgt dem Dresscode „Elegant bis Extravaganz“ auf meist individuelle Weise.

Diese Nacht ist ein gesellschaftlicher Höhepunkt der Stadt, der kraft- und spaßvoll vorführt: Stuttgart ist bunt und fröhlich. Wenn so viele Farben an einem Strang ziehen, bekommt die rote Schleife Flügel.