Das Geld, das in Großprojekte wie Stuttgart 21 fließt, fehlt anderswo. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die notwendigen Nachbesserungen bei Stuttgart 21 müssen endlich auf den Tisch. Da ohnehin niemand mehr an die S-21-Inbetriebnahme im Dezember 2021 glaubt, verliert das Zeitargument an Schlagkraft, meint Redakteur Thomas Durchdenwald.

Stuttgart - In diesen Tagen ist viel von den Lehren aus Rastatt die Rede, Lehren daraus, dass ein Zwischenfall bei einem Tunnelbau den gesamten Personen- und Güterverkehr aus dem Takt bringt. Eine Ursache dafür ist auch, dass es kaum Reserven auf möglichen Umleitungsstrecken gibt. Wer einen Grund dafür sucht, kann sie beispielsweise in der Bundestagsdrucksache 18/10925 über den Engpass zwischen Feuerbach und Zuffenhausen finden. Eine Auslastung bis 115 Prozent gilt bei der Bahn und beim Bundesverkehrsministerium als wirtschaftlich optimal. Deshalb sind viele Abschnitte – gerade in Hauptverkehrszeiten – an ihrer Kapazitätsgrenze.

Die mangelnden Investitionen in das bestehende Netz liegen aber auch daran, dass viel Geld in Großprojekte, auch in Stuttgart 21, fließt, das an anderer Stelle fehlt. Wohlgemerkt: das muss kein Argument gegen Großprojekte sein, aber es ist der Preis, der für sie zu bezahlen ist.

Die Ausbaukonzeption des Stuttgarter Bahnknotens zeigt immer deutlicher, dass hier Nachholbedarf besteht. Manches, was bei der Schlichtung vom ehemaligen Bahnvorständler Volker Kefer weggelächelt wurde, steht längst wieder auf der Tagesordnung. Das dritte Gleis am Flughafen kommt, die große Wendlinger Kurve hat jetzt sogar Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu seinem Anliegen gemacht – die Zulaufstrecken aus dem Norden sind ein weiteres Thema. Gerade rund um Feuerbach könnte künftig ein neuer Knotenpunkt entstehen. Deshalb muss hier zukunftsfest geplant und gebaut werden.

Man darf keine neuen Nadelöhre im Bahnverkehr mehr schaffen

Die Bahn versteckt sich bei solchen Forderungen – unterstützt vom Bund – hinter dem Kostendeckel. Selbst kleinste Verbesserungen wie zusätzliche Weichen, die im Störfall mehr Flexibilität des S-Bahnverkehrs ermöglichen, lässt sie sich vom Verband Region Stuttgart bezahlen. Auch bei der großen Wendlinger Kurve werden sich das Land und die Kommunen beteiligen müssen. Vor diesem Hintergrund wäre es an der Zeit, vorbehaltlos weitere notwendige Verbesserungen anzusprechen. Selbst unter S-21-Befürwortern wie dem Verband Region Stuttgart gibt es dafür eine Liste. Und da ohnehin niemand mehr an die S-21-Inbetriebnahme im Dezember 2021 glaubt, verliert das Zeitargument an Schlagkraft.

Eine Lehre aus Rastatt sei, sagt der Ministerpräsident, dass man keine neuen Nadelöhre im Bahnverkehr schaffen dürfe. Recht hat er. Das ist aber auch ein Arbeitsauftrag an die Verantwortlichen, der über die Wendlinger Kurve hinausreicht.