Der Bund gibt mehr Geld für den regionalen Schienenverkehr. Baden-Württemberg profitiert davon besonders. Foto: dpa

Die Freude hat nur kurz gewährt: Die Zusage des Bundes, den Ländern von 2016 an mehr Geld für den regionalen Bahnverkehr zu übeweisen, wird in Baden-Württemberg begrüßt, in einigen Bundesländern – vor allem im Osten – aber kritisiert: Schuld ist ein neuer Verteilungsschlüssel.

Stuttgart - Aus Sicht des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) ist es überfällig, dass der Bund die sogenannten Regionalisierungsmittel an die Länder anhebt. Nach einer Vereinbarung, die auf die Bahnreform 1994 zurückgeht, zahlt der Bund jährlich eine bestimmte Summe an die Länder, die aus diesen Mitteln den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) finanzieren. Allerdings buttert das Land seit Jahren Millionen zu, weil allein zwischen 2002 und 2012 die Beförderungsleistung um 33 Prozent und die Auslastung der Züge um 21 Prozent gestiegen sind. Seit 1996 ist die Zahl der Fahrgäste sogar um 100 Prozent gestiegen. Um dies zu finanzieren, reicht es aktuell auch nicht mehr aus, dass die Mittel seit 2008 dynamisiert sind und damit jährlich um 1,5 Prozent steigen.

Um den Bund dazu zu bewegen, die Regionalisierungsmittel an die tatsächlichen Kosten anzupassen, einigten sich die Verkehrsminister der 16 Bundesländer auf eine gemeinsame Forderung an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Demnach sollte der Bund künftig jährlich 8,5 Milliarden Euro an die Länder zahlen statt wie bisher 7,3 Milliarden und die Dynamisierung von 1,5 auf zwei Prozent anheben. „Die Zukunft des Regionalverkehrs steht und fällt mit der Höhe der Regionalisierungsmittel“, sagte zur Begründung der damalige Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Reinhard Meyer (SPD) aus Schleswig-Holstein.

Überraschend lenkte der Bund im September tatsächlich ein. Kanzlerin Angela Merkel kündigte praktisch in einem Nebensatz an, den Regionalverkehr künftig zu stärken. Allerdings ging sie nicht ganz auf die Forderung der Länder ein. Ihr Kompromiss: 8,0 Milliarden Euro jährlich und 1,8 Prozent Dynamisierung. Der Bundestag segnete eine entsprechende Gesetzesänderung ab, auch der Bundesrat stimmte zu .

Neuer Verteilungsschlüssel

Der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann begrüßte die Beschlüsse: „Mit diesem Gesetz als Grundlage können wir nun wieder langfristig planen und unserer Aufgabe als Besteller des Schienenpersonennahverkehrs nachkommen.“ Andernfalls – so hatte er früher angedroht – hätte das Land Nahverkehrszüge abbestellen müssen.

Doch überraschend gibt es jetzt Mißtöne zwischen den 16 Bundesländern. Denn plötzlich fühlen sich einige Ostländer benachteiligt und sogar von den Westländern ausgetrickst. Hintergrund ist ein neuer Verteilungsschlüssel, den die Ländern sogar gemeinsam beschlossen haben. Kam bisher der sogenannte Königsteiner Schlüssel zum Einsatz, der nur die Einwohnerzahl der Bundesländer zugrunde legte, so einigte man sich jetzt auf den sogenannten Kieler Schlüssel, der neben den Einwohnern auch die bestellten Zugkilometer zu gleichen Teilen berücksichtigt.

Übergangsfrist soll Ost-Länder besänftigen

Nach diesem Modus würde der Anteil Baden-Württembergs von bislang 10,4 Prozent an den Mitteln auf 12,4 Prozent anwachsen. Für Baden-Württemberg wären das mehrere Hundert Millionen jedes Jahr. Das Land profitiert wie alle Länder, die viel Fahrgäste über weite Strecken befördern. Das gilt stark für Nordrhein-Westfalen, aber auch für Bayern und Niedersachsen und die Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Geringe Einbußen müssten Berlin und das Saarland hinnehmen, stärkere alle neuen Bundesländer im Osten. Dass sie künftig de facto weniger bekommen als bisher, liegt daran, dass der Bund nicht – wie von den Ländern gefordert – 8,5 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel zahlt, sondern nur acht Milliarden Euro. Andernfalls hätten die Ostländer für den regionalen Schienenverkehr in etwa gleich viel Geld zur Verfügung gehabt wie bisher.

Jetzt herrscht dicke Luft, die Ostländer wollen die Verteilung nach dem Kieler Schlüssel blockieren. Das wiederum wollen sich die Westländer, die sogenannten Mehrbedarfsländer, nicht bieten lassen. Jetzt hat Winfried Hermann mit seinen Kollegen Michael Groschek (SPD, Nordrhein-Westfalen), Joachim Herrmann (CSU, Bayern) und Frank Horch (parteilos, Hamburg) an den Bund geschrieben, um für einen Kompromiss zu plädieren. Demnach könnte – damit die Ostländer noch eine Übergangsfrist haben – noch ein Jahr der alte Königsteiner Schlüssel gelten. Dann aber soll definitiv das neue Verteilungssystem in Kraft treten.