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Musikmanager Gernot Rehrl ist als Intendant der Bachakademie Stuttgart bestätigt worden.

Stuttgart - Seit Dienstagnachmittag ist es vertraglich bestätigt: Gernot Rehrl wird von 1. März 2013 an Intendant der Internationalen Bachakademie Stuttgart. Damit bildet Rehrl mit dem designierten Künstlerischen Leiter Hans-Christoph Rademann, der vor kurzem zum Nachfolger Helmuth Rillings berufen wurde, die neue Doppelspitze der von Rilling gegründeten Bachakademie.


Herr Rehrl, hatten Sie gestern bei der Vorstandssitzung der Bachakademie das Gefühl, der sofortige Rückzug von Helmuth Rilling hat Ihre Ernennung beschleunigt?
Nein. Ich war in diese Vorgänge ja nicht involviert. Es wurde eine Findungskommission eingesetzt, und die hat sich für Rademann als Künstlerischem Leiter entschieden. Auf mich ist man Ende vergangenen Jahres zugegangen. Rademann wurde zuerst nach mir befragt, wir kennen uns ja nicht nur aus unserer Berliner Zeit, sondern schon seit München. Ich hatte ihn einige Male als Gastdirigent engagiert. Die Gespräche zwischen Rademann und mir wurden immer intensiver,und jetzt erfolgte meine Vertragsunterschrift.

Wie schätzen Sie Rillings Rücktritt ein?
Auch da war ich nicht involviert. Ich habe ihn einige Male nach München engagiert, ich bin ein leidenschaftlicher Fan von ihm. Er hat hier in Stuttgart ein Lebenswerk aufgebaut, das seinesgleichen sucht. Insbesondere seine Gesprächskonzerte haben mich begeistert und nachhaltig beeindruckt. Sie waren so besonders strukturiert und gleichzeitig geistig absolut durchdacht. Rilling habe ich absolut positiv auf dem Bildschirm. Meine Frau, die Mezzosopranistin Donna Brown, hat einige Sommerakademiekurse mit ihm gemacht. Insofern bin ich irritiert, was hier in Stuttgart zuletzt passiert ist. Seinen Rücktritt bedaure ich sehr, aber dazu will ich mich nicht äußern, weil ich da nicht involviert war. Ich bin und bleibe ein leidenschaftlicher Fan von ihm und seiner Arbeit, die er hier mehr als 30 Jahre lang geleistet hat. Dass jetzt ein Schnitt kommen soll oder muss, diese Entscheidung ist schon vor vielen Monaten gefallen. Meine Aufgabe und die von Rademann ist es, die Einrichtung in die Zukunft zu führen, unser Blick geht also vor allem nach vorne.

Wie vertraut ist Ihnen die Bachakademie?
Auch ich habe schon eine Sommerakademie gemacht. Von daher kenne ich den Aufbau und die innere Struktur der Bachakademie, die damals wegweisend war. Ich bin da ja nicht weit weg, als Junge habe ich zehn Jahre im Bamberger Dom jeden Sonntag meinen Dienst als Mitglied im Knabenchor geleistet. Das ist mein Bezug zum Singen und zur geistigen Musik. In München habe ich die Reihe „Musik des 20. Jahrhunderts“ entwickelt, sie funktioniert heute noch. Es gibt also eine Affinität zwischen mir und den Dingen in Stuttgart.

In welchen Dingen hat die Bachakademie Nachholbedarf?
Von Nachholbedarf will ich nicht sprechen. Es gibt drei Marken, die man weiterpflegen muss: Das ist natürlich Bach, es sind die Ensembles die Gächinger und das Bach-Collegium sowie das Musikfest. Die drei Säulen bleiben, wir feilen jetzt an einem Konzept, mit dem wir Themen besetzen wollen. Rademann steht ja für die historische Aufführungspraxis, das wird auftauchen. Ein anderes ist die Migration, das ist für Stuttgart bestimmt interessant, und da bringe ich einige Erfahrungen aus Berlin mit. Musik ist ein hervorragendes Instrument, um Kulturen zueinander zu führen. Und ich will die geistige Musik des 20. und 21. Jahrhunderts pflegen, wie es ja Rilling auch schon tat. Das werden wir später detaillierter vorstellen.

Haben Sie nicht ziemlich Respekt davor, mit in die Fußstapfen solch eines Gründers und langjährigen Leiters zu treten?
Da warten natürlich Herausforderungen auf uns, denen wir uns stellen wollen. Es ist vor allem für Rademann eine künstlerische Herausforderung, das Lebenswerk von Helmuth Rilling und seinen Helfern auch aus der Wirtschaft in eine gute Zukunft zu führen. Das sind Herausforderungen, aber äußerst schöne. Das gilt ebenso für das Publikum: Wir müssen es gewinnen, und wir müssen dazu noch ein neues Publikum gewinnen. Wer aus Berlin kommt, weiß, was Herausforderung bedeuten kann. Ich freue mich hier sehr auf das bürgerschaftliche Engagement, das es so in Berlin nicht gibt.