Auf den Straßen von Peking geht es meist nur im Schritttempo voran. Trotzdem wird die Zahl der Fahrzeuge in Zukunft noch deutlich zunehmen. Foto: Gerster

2000 Aussteller aus 14 Ländern zeigen bis Ende der Woche ihre Neuheiten auf der Automesse in Peking, die zu den größten der Welt zählt. Die deutschen Hersteller setzen auf starkes Wachstum.

2000 Aussteller aus 14 Ländern zeigen bis Ende der Woche ihre Neuheiten auf der Automesse in Peking, die zu den größten der Welt zählt. Die deutschen Hersteller setzen auf starkes Wachstum.

Peking/Stuttgart - Es entbehrt nicht einer gewissen Komik. In den riesigen Messehallen von Peking wird in diesen Tagen die Mobilität mit dem Auto groß gefeiert. Doch die Zufahrten dorthin sind den ganzen Tag über hoffnungslos verstopft. Chaos und Gehupe, wohin das Auge blickt. Viele Besucher verlassen auf dem letzen Kilometer Busse sowie Pkw und laufen zu Fuß.

Dass man auf den Straßen kaum vorankommt, scheint den Chinesen egal zu sein. Sie lieben Autos. Und sie lieben vor allem Autos aus Deutschland. Fast jedes dritte Fahrzeug eines deutschen Herstellers wird bereits in China verkauft. Dass auch der Marktanteil in China hoch ist, lässt sich gut im Straßenbild Pekings ablesen, wo sich zwischen all die VW, BMW, Audi und Mercedes deutlich weniger japanische und noch weniger chinesische Marken mischen.

Zwar hat das Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte in diesem Jahr etwas an Dynamik verloren. Doch dies reicht immer noch für satte Zuwächse bei den Absatzzahlen. So hat Daimler hier im vergangenen Jahr 238 700 Autos verkauft. „2015 sollen es über 300 000 sein“, kündigt Daimler-Chef Dieter Zetsche an. Auch VW, Audi oder BMW konnten ihre Absatzzahlen prozentual im ersten Quartal zum Teil zweistellig steigern.

Forschung für spezielle Wünsche chinesischer Kunden

Ein Selbstläufer ist dies trotzdem nicht. Deshalb beschäftigt etwa Daimler in Peking im eigenen Forschungszentrum eine ganze Abteilung, die spezielle Wünsche und Eigenheiten der chinesischen Kundschaft erforscht. Augenfälligstes Beispiel für die unterschiedlichen Anforderungen ist, dass Mercedes und viele andere Hersteller ihre Modelle hier als Langversionen auf den Markt bringen. Das gilt auch für Mittelklassemodelle wie die C-Klasse, die auf der Messe erstmals mit ihrem acht Zentimeter größeren Radstand präsentiert wurde.

Dies hängt nicht immer nur damit zusammen, dass ein Chauffeur am Steuer sitzt. „Wir haben in China eine höhere Besetzungszahl“, sagt Alexandra Strassburger, bei Daimler in China zuständig für die Erforschung von Trends. Weil selbst in Großstädten wie Peking oft noch die Großeltern mit in der Familie leben, sind auch die hinteren Plätze der Autos häufig belegt. Zudem herrsche in China eine „Abholkultur“. Für die einsteigende Person sei eine größere Tür schlicht bequemer.

Viele Eigenheiten erschließen sich erst nach hartnäckiger Recherche. So hat Daimler etwa festgestellt, dass viele Chinesen in ihrer S-Klasse einen Notfall-Hammer in der Mittelkonsole liegen haben. Auf Nachfrage bei Kunden sei herausgekommen, dass dies an einem Unwetter liegt, das sich vor Jahren in Peking ereignet hat. In den Wassermassen starb ein Mensch in seinem Auto. Weil darüber groß in den Zeitungen berichtet wurde, haben viele Fahrer Angst, bei Wasser im Auto eingeschlossen zu werden. „Da mussten wir viel Aufklärungsarbeit leisten“, so Strassburger.

Wasserwärmer im Auto für den Tee bei der Fahrt

Weitere Anpassungen ergeben sich vor allem im Innenraum. So besitze ein Chinese im Gegensatz zu Europäern nicht nur ein Smartphone, sondern meistens drei oder sogar vier. Daher müssten die Ablageflächen im Auto anders gestaltet sein. Auch bei Flaschen- oder Becherhaltern heißt es umdenken. „Niemand würde hier aus einer Eineinhalb-Liter-Flasche trinken, das gilt als unhygienisch, wenn Wasser so lange steht“, so Strassburger. Stattdessen denkt man in der Entwicklungsabteilung über einen Wasserwärmer nach, da die Chinesen gerne beim Fahren Tee trinken.

Die eingebauten Luftfilter haben schon jetzt wegen der hohen Luftverschmutzung in den Städten eine stärkere Reinigungsleistung als diejenigen in den europäischen Modellen.

Obwohl Pekings Straßen meist hoffnungsvoll überfüllt sind, ist eine Sättigung des Marktes noch lange nicht erreicht. Gerade mal 75 von 1000 Chinesen besitzen ein Auto, in Deutschland sind es 562 von 1000 und in den USA sogar 742 von 1000. Zwar ist eine ähnliche Relation in China schon aus Platzmangel kaum denkbar, doch zumindest jeder dritte Chinese könnte in ferner Zukunft Auto fahren, glaubt Alexandra Strassburger.

Die deutschen Hersteller sind daher bemüht, ihre Kapazitäten in China möglichst rasch auszubauen. So hat Daimler vier Milliarden Euro in den Ausbau des Werks in Peking gesteckt.

Dort werden neben der E- und C-Klasse sowie dem Geländewagen GLK nun auch Motoren produziert. Von 2015 an soll hier außerdem der GLA vom Band laufen. Von dem angestrebten Absatz von 300 000 Einheiten im Jahr 2015 sollen 200 000 aus dem Werk von Beijing Benz Automotive Co. stammen, das Daimler zusammen mit seinem strategischen Partner BAIC betreibt. Ob darunter in Zukunft auch ein speziell für die chinesische Kundschaft entwickeltes Modell ist, ließ Daimler-Chef Dieter Zetsche offen.