Bosch will künftig auch lenken: Mit der Komplettübernahme von ZF Lenksysteme baut der Konzern sein Angebot aus. Foto: dpa

Neben der Größe wird auch die Beherrschung von Technologien zur Überlebensfrage: In der Autobranche überlebt nur, wer jetzt die Weichen stellt, findet unser Kommentator Michael Gerster.

Stuttgart - Gleich drei Nachrichten aus der Automobilbranche haben innerhalb von einer Woche für Aufsehen gesorgt. Erst kündigte der neue Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer an, die Werklandschaft des Stuttgarter Autobauers komplett umzukrempeln. Einzelne Standorte spielen in Zukunft keine Rolle mehr, stattdessen wird die Produktion entlang von Plattformen organisiert – so wie bereits bei der neuen C-Klasse, die auf vier Kontinenten gleichzeitig angelaufen ist. Wenige Tage später meldete Bosch die komplette Übernahme von ZF Lenksysteme. Und der bisherige Partner, ZF Friedrichshafen, verkündete nur Stunden danach den Kauf des amerikanischen Zulieferers TRW Automotive für knapp zehn Milliarden Euro. Ja, was ist denn da plötzlich los?

Die Entscheidungen der drei baden-württembergischen Unternehmen zeigen, dass der globale Wettbewerb eine neue Dynamik gewonnen hat. Die deutschen Autohersteller, allen voran die Premiummarken Mercedes, Audi oder BMW, fahren zwar seit Jahren satte Gewinne ein und melden monatlich neue Rekorde beim Absatz. Sie stehen aber unter einem enormen Kostendruck. Die Zahl der Modelle und Motoren nimmt ständig zu, die Autos werden immer komplexer. Beispiel Scheinwerfer: Was früher eine einfache Lampe hinter Glas war, ist heute ein High-Tech-Steuergerät, das die Lichtintensität der Fahrsituation anpasst, Fußgänger bei Nacht erkennt und viele LED-Leuchten verwaltet. Kunden wollen diesen Komfort nicht nur bei den Luxuskarossen, doch höhere Preise für Neuwagen lassen sich kaum durchsetzen.

Mercedes versucht deshalb wie andere Hersteller auch, bei der Produktion an der Kostenschraube zu drehen. Statt in Werken und Standorten zu denken, kommt es in Zukunft auf die Modelle und Plattformen an. Die Fertigung wird angeglichen, so lassen sich Bauteile günstiger und in größeren Stückzahlen ordern. Um im Hochlohnland Deutschland die Beschäftigung halten zu können, wird die Fertigungstiefe reduziert. Das bedeutet, dass immer mehr Arbeiten nach außen vergeben werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Äußerung von Mercedes-Produktionschef Schäfer zu sehen, Gießerei und Schmiederei im Werk Untertürkheim auf den Prüfstand zu stellen.

Die Plattformstrategie wiederum setzt die Zulieferer unter Druck. Denn sie müssen in Zukunft Bauteile in riesigen Mengen auf allen Kontinenten – siehe C-Klasse – anbieten können. Das kann nur, wer eine bestimmte Größe hat und weltweit agieren kann. Nicht zuletzt können sich Schwergewichte wie Bosch und ZF besser zur Wehr setzen, wenn es um Preisverhandlungen mit den Autobauern geht.

Neben der Größe wird auch die Beherrschung von Technologien zur Überlebensfrage. Die gilt vor allem für den Wettlauf auf dem Weg zum automatisierten Fahren. Weder Autohersteller noch Zulieferer können es sich leisten, abgehängt zu werden. Bosch und ZF haben daher richtig gehandelt. Bosch holt sich mit ZF Lenksysteme Spezialwissen für elektronisches Steuern, das etwa für Spurhalte-Assistenten gebraucht wird. Über TRW greift ZF, bisher auf Fahrwerke konzentriert, auf Know-how bei elektronischen Sicherheitssystemen zu.

Den Mitarbeitern kann angesichts der rasanten Entwicklungen durchaus bange werden. Die gute Nachricht ist, dass weder bei Daimler noch bei Bosch oder ZF Jobs ernsthaft in Gefahr sind. Die Beschäftigten werden sich auf neue Aufgaben und den Einsatz weltweit einstellen müssen. Aber ihre Unternehmen sind gesund und gerüstet für den Überlebenskampf. Das gilt längst nicht für alle. Wer zu klein ist oder auf die falschen Technologien setzt, wird bald verschwinden. Der gnadenlose Wettbewerb verzeiht keine Fehler.