Anwohnerin Andrea Schweighart ist genervt von den zahlreichen Auto-Fans, die sich jedes Wochenende an ihrem Wohnort treffen Foto: Max Kovalenko

Zwischen 200 und 400 Auto-Tuning-Freunde treffen sich an den Wochenenden in einem leeren Parkhaus in Bad Cannstatt. Die Stadt ist froh, dadurch weniger Raser in der Innenstadt zu haben. Für die Anwohner beim Parkhaus sind die Veranstaltungen aber ein Ärgernis.

Stuttgart - Sie kommen aus Stuttgart, Pforzheim oder Tübingen, aber auch aus Hamburg oder Bremen. Ihre aufgemotzten Autos sind ihr ganzer Stolz und der Grund für die Treffen im Parkhaus P 7 in Bad Cannstatt jeden Samstag und Freitag. Von Cadillacs über Mercedes-Combis bis hin zu Motorrädern, Buggys und VW-Golfs findet sich hier alles, was das Autofahrerherz begehrt. Auf dem Parkdeck 5b haben sich die Auto-Tuner versammelt. Die Szene hat das Parkhaus, das der Stadt gehört und unter der Woche von Daimler-Mitarbeitern genutzt wird, bereits vor einigen Jahren entdeckt. Seitdem der Treff vor einem halben Jahr auch über die Stadt hinaus bekannt wurde, rollen 200 bis 400 Autos pro Abend in das leere Parkhaus. „Wir parken dort, schauen uns die anderen Autos an und tauschen unsere Erfahrungen aus“, erzählt Sascha, der sich darum kümmert, dass die Treffen möglichst reibungslos ablaufen. An diesem Samstag ist etwas weniger los als sonst. Aufgeschreckt durch die Recherchen unserer Zeitung haben die Organisatoren versucht, die Veranstaltung abzusagen – denn offiziell genehmigt ist sie nicht.

„Wir haben Kenntnis von diesen Treffen“, sagt Fabian Schlabach, Sprecher der Stadt Stuttgart. Bisher habe sich niemand daran gestört. Doch vor wenigen Tagen ging die Beschwerde einer Anwohnerin aus der Augsburger Straße ein: Andrea Schweighart fühlt sich massiv durch den Lärm aus dem Parkhaus gestört. Schon mehrmals musste sie nachts die Polizei rufen, nun habe sie eine schriftliche Beschwerde bei der Stadt eingereicht, berichtet sie: „Bis in die Morgenstunden höre ich das Quietschen der Reifen, Musik – aber vor allem lautes Knallen, das einem das Schlafen unmöglich macht.“ Abends auf ihrem Balkon zu sitzen sei deswegen unmöglich. Das bestätigen auch mehrere Nachbarn von ihr unserer Zeitung. „Ich kann am Wochenende kein Fenster mehr offen stehen lassen“, sagt zum Beispiel Rita Kupilik. Die gesamte Nachbarschaft fühle sich von dem Lärm belästigt, jedoch „wohnen hier vor allem ältere Leute, die sich dagegen nicht wehren“.

Veranstalter bemühen sich, Ruhestörungen zu vermeiden

Ein Anwohner aus der Hindelanger Straße, der seinen Namen nicht nennen möchte, hat nichts gegen die Autos und die Leute, die sich dort treffen. Doch spätestens um Mitternacht müsse Ruhe herrschen. „Wir haben ein kleines Kind, das wegen des Lärms nachts immer wieder aus dem Schlaf hochschreckt“, sagt er. Vor allem die Knallgeräusche bringen die Anwohner Wochenende für Wochenende um den Schlaf. Sie rätseln, ob es sich dabei um Silvester-Böller, Fehlzündungen der Motoren oder gar um Schüsse aus Schreckschusspistolen handeln könnte.

„Wir hatten hier wenige Personen, die sehr laute Autos haben. Aus dem Auspuff kamen Schläge, die man auch über weite Entfernungen gehört hat“, bestätigt Sascha. Er beteuert, dass diese Personen nicht mehr zu den Treffen kommen werden. „Wir geben uns sehr große Mühe, niemanden zu stören“, sagt er. Aber bei solch einer großen Anzahl an Leuten gebe es immer mal einen, der sich nicht an die Regeln hält. Diese besagen, dass unnötig laute Geräusche wie aufheulende Motoren oder quietschende Reifen zu unterlassen sind. „Das hat auch gut funktioniert, schließlich musste die Polizei nur ein einziges Mal die Veranstaltung auflösen“, sagt Sascha. Er habe sich darum bemüht, eine Genehmigung für die Veranstaltungen zu bekommen – bisher vergebens. „Wenn wir offiziell für die Treffen verantwortlich wären, könnten wir die Unruhestifter einfach rausschmeißen“, sagt er.

Bei der Polizei haben die Jugendlichen einen guten Eindruck hinterlassen: „Die Veranstalter sorgen selbst dafür, dass es ruhig bleibt, weil sie keinen Ärger wollen“, sagt Thomas Geiger, Sprecher der Polizei in Stuttgart. Anfangs habe es zwar Beschwerden vonseiten der Anwohner gegeben. Inzwischen höre man bei der Polizei jedoch kaum mehr etwas. „Es liegt schließlich keine Straftat vor, denn sie befinden sich in öffentlichem Verkehrsraum“, sagt Geiger. Für Andrea Schweighart liegt allerdings zumindest eine Ruhestörung vor: „Wenn die Polizei vorbeifährt, herrscht im Parkhaus für eine Weile Ruhe. Doch zwei Stunden später ist es dafür umso lauter.“

Auf der Suche nach einem alternativen Ort

Es gibt jedoch einen schwerwiegenden Grund, warum Polizei und Stadt im Grunde froh darüber sind, dass sich die Tuning-Szene in dem Parkhaus trifft: „Vorher haben die Fahrer der getunten Autos die Theodor-Heuss-Straße unsicher gemacht“, sagt Schlabach. Dort hätten sie viele Passanten gefährdet. „Wir haben die Szene besser im Blick, wenn sie sich an einer Stelle trifft“, sagt Schlabach. Auch Sascha sieht es so: „Wenn wir uns in Zukunft nicht mehr in dem Parkhaus treffen dürfen, rasen die 300 getunten Autos durch die Innenstadt.“ Um guten Willen zu zeigen, putzen die Organisatoren des Treffs das Parkhaus sonntags. Dennoch haben sich Daimler-Mitarbeiter beim Tiefbauamt über den Gestank dort beschwert. „Wir würden gerne Dixie-Klos aufstellen, aber das dürfen wir nicht, weil es keine offizielle Veranstaltung ist“, sagt Sascha. Er wolle alles dafür tun, damit die Jugendlichen bleiben dürfen, „auch Miete zahlen oder einen Verein gründen“. Nach einer Alternative habe sich die Gruppe ebenfalls umgesehen – bisher ohne Erfolg. „Es würde uns helfen, wenn uns jemand ein Gelände zur Verfügung stellen könnte“, sagt Sascha.

Die Stadt Stuttgart will nun prüfen, ob der Lärmpegel aus dem Parkhaus für die Anwohner zumutbar ist.