Der sechsjährige Saud, ein Kurde aus dem Irak, malt Häuser in der Luft schwebend: Er hat bei der Flucht aus dem Irak die Bodenhaftung verloren, interpretieren die Experten. Foto: Sabine Schwieder

Terre des hommes zeigt im Vaihinger Bezirksrathaus Bilder von traumatisierten Kindern. Die meisten können nicht gleich von ihren Erlebnissen erzählen, doch sie können sie malen und so ihre Geschichte mitteilen.

Vaihingen - Sie haben Krieg erlebt, Zerstörung, Gewalt oder eine Naturkatastrophe. Nach der Flucht leben sie in einem relativ geschützten Raum, doch sprechen können sie über ihre Erlebnisse nicht: Kinder, die aus Krisenländern nach Deutschland gekommen sind. Manchmal hilft nur eines: malen. Unter dem Titel „Zurück ins Leben!“ zeigt das Kinderhilfswerk Terre des hommes bis zum 26. März im Bezirksrathaus von Vaihingen Bilder, die von traumatisierten Kindern gemalt wurden. Eröffnet wurde die Schau im Häussler-Bürgerforum mit Vorträgen und musikalischen Beiträgen. Von heute, Montag, an ist sie im Rathaus zu sehen.

Wenn ein Schild mehr sagt, als tausend Worte

Gastgeberin Cornelie Köpf, Mitarbeiterin bei Terre des hommes, bat ihre Zuhörer darum, auch die Fotos im Blick zu haben, die Kinder im Refugio-Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer in München zeigen. Dort sind die Gemälde entstanden, die jeweils mit einem kurzen Text erläutert sind. Martin Gürtler, Präsidiumsvorsitzender von Terre des hommes Deutschland, erinnerte daran, dass für die Kinder jegliches Sicherheitsgefühl verloren gegangen sei. „Wir haben gesehen, dass ohne die Behandlung von Traumata das Leben nicht weitergehen kann“, erklärte er.

Lucas-Johannes Herzog vom Jugendamt Stuttgart berichtete von der Situation von minderjährigen Flüchtlingen, die unbegleitet nach Deutschland kommen. „Die Kinder stehen bei der Polizei oder in einer Jugendeinrichtung mit einem Schild um den Hals, auf dem ,Help’ steht“, berichtete er. Auf das Jugendamt seien völlig neue Herausforderungen zugekommen.

Täglich müsse der Spagat zwischen Aufenthaltsrecht, Asylrecht und Jugendrecht geleistet werden. Die Jugendlichen seien besonders schutzbedürftig und von Angst und Unsicherheit gekennzeichnet. „Man darf aber nicht vergessen, dass es sich um ganz normale Jugendliche handelt, die altersgemäße Themen wie Pubertät mit sich bringen“, sagte er, „mir ist wichtig, dass die Mitarbeiter ihr Augenmerk nicht nur auf die Besonderheiten richten.“

Ihr Neuanfang soll eine Perspektive bekommen

Vor allem geht es darum, den jungen Flüchtlingen eine Perspektive zu eröffnen. Mithilfe von etwa 25 ehrenamtlichen Paten wird versucht, die jungen Menschen in Sport- und Kulturgemeinschaften einzubinden. Zudem sei man vom ersten Tag an um einen Schulbesuch bemüht. „Doch zunächst geht es um banale Fragen: Wie komme ich von A nach B“, sagte Herzog.

In Vaihingen sind unbegleitete Jugendliche unter anderem im Übergangswohnheim an der Kupferstraße, im ehemaligen Hotel Gambrinus an der Möhringer Landstraße und in einer Wohngruppe im Hans-Rehn-Stift untergebracht. Insbesondere im Seniorenheim werde den Jugendlichen viel Verständnis entgegengebracht. „Es ist eine Besonderheit in Stuttgart, dass es hier viel Unterstützung gibt“, lobte Herzog.

Was Kinder leisten können, die in einer eher heilen Welt aufwachsen, zeigten die 14-jährigen Schüler Dilara Elif Yildiz, Violine, und Martin Schünemann, Klavier. Die beiden Preisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ beeindruckten ihre Zuhörer mit „Cinq mélodies“ von Sergei Prokofjew und dem ersten Satz von Edvard Griegs Sonate G-Dur für Violine und Klavier.

Weitere Informationen:

Zurück ins Leben!
-Die Ausstellung im Rathaus, Rathausplatz 1, ist werktags von 8.30 bis 13 Uhr zu sehen, dienstags bis 16 Uhr, donnerstags bis 18 Uhr.