„Kalligrafie ist wie Mathematik“ – und doch viel schöner: der Künstler Imad Alkhaldi vor seinen Werken im Kornhaus Foto: Ines Rudel

Der syrische Künstler, Journalist und Flüchtling Imad Alkhaldi stellt in der Städtischen Galerie im Kornhaus aus. Wir haben den beeindruckenden Mann hinter den kunstvollen Kalligrafien und den dokumentarischen Kriegsfotos getroffen.

Kirchheim/Teck - Das Treffen mit Imad Alkhaldi beginnnt fröhlich bei arabischem Kaffee. Der 38-Jährige philosophiert scherzhaft über die Bedeutung der braun-tropfenden Ränder an der Tasse – als würde er damit in die Zukunft blicken können. Bernd Steyer sitzt neben ihm, die beiden teilen sich seit kurzem ein Büro in der Kirchheimer Innenstadt.

Dieses Treffen wäre unter anderen Umständen kein besonderes Treffen. Einen Künstler vor einer Ausstellung vorzustellen ist nichts Außergewöhnliches. Doch der Journalist Imad Alkhaldi ist kein gewöhnlicher Künstler. Um ihn vorzustellen, reicht es nicht, mit ihm über seine Kunst zu sprechen und seine Bilder zu beschreiben.

Vor zwei Jahren ist Alkhaldi aus seiner Heimat Syrien geflohen. „Ich habe für die Syrian Arab News Agency gearbeitet – eine syrische Nachrichtenagentur. Irgendwann hielt ich diesen Krieg, die vielen Toten und Verletzten, die Zerstörung und dauernden Bombenangriffe nicht mehr aus. Als syrischer Journalist in dem Land zu arbeiten, ist nicht einfach. Ich bin gegen diesen Krieg und gegen das Regime. Also musste ich fliehen“, sagt Alkhaldi mit Tränen in den Augen. Heimlich tritt er seine Flucht über die Türkei und Griechenland an. Dann läuft er durch Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich bis nach Deutschland. Das habe eineinhalb Monate gedauert, sagt er. Als er nach Aufenthalten in München, Nürnberg Karlsruhe und anderen deutschen Städten 2015 in Wernau ankommt, trifft er auf den Flüchtlingshelfer Bernd Steyer.

„Es war einfach Imad zu helfen“

Der 43- jährige Steyer begleitet Alkhaldi durch den Behördendschungel und hilft ihm, langsam ein neues Leben aufzubauen. „Ich war am Ende“, sagt Alkhaldi.

Mittlerweile ist er als anerkannter Flüchtling in Deutschland und darf an einem Deutschkurs teilnehmen. Dass er in Steyer einen Freund und Helfer gefunden hat, macht vieles für Alkhaldi leichter als für geflüchtete Menschen, die ohne eine solche Hilfe auskommen müssen. „Für mich ist es einfach, Imad, einem Akademiker mit ausgezeichneten Englischkenntnissen und einem Mann mit so vielen Ideen und Tatkraft zu helfen“, sagt Steyer. „Ich habe gleich gesehen, dass es ihn fertig macht, tatenlos in Deutschland auf das Vorankommen seines Verfahrens zu warten. Als ich seine Kalligrafien gesehen habe, war mir klar, dass wir daraus etwas machen können“, so Steyer. 2016 hat er die erste Ausstellung von Alkhaldi in Köngen organisiert. „Das war ein voller Erfolg“, so Steyer. „Das Publikum war interessiert, und wir haben viele Bilder verkauft“, erzählen beide stolz. Im Kornhaus bekommt Alkhaldi nun zwei Wochen lang das erste Stockwerk, um seine Arbeiten zu zeigen: etwa 40 Kalligrafien und 40 dokumentarische Fotos aus Syrien.

In akribischer Arbeit verfasst Alkhaldi die kalligrafischen Werke, dabei überträgt er Lebensweisheiten, Liebesgedichte und Sätze aus dem Koran mit speziellen Farben aus Saudi-Arabien und selbst geschnitzten Stiften auf Papier. „Besonders angetan haben es mir die Liebesgedichte von dem syrischen Dichter Nizar Qabbani“, sagt Alkhaldi. Aus einigen dieser Gedichte hat er Frauenfiguren entstehen lassen. „Die Kalligrafie ist in der arabischen Kultur eine hoch angesehene Kunstform. Ich möchte mit meiner Kunst und den Ausstellungen auch unsere Kulturen näher zusammenbringen“, sagt der 38-Jährige.“

„Ich habe mehr Leid gesehen als ein Mensch ertragen kann“

Der zweite Teil der Ausstellung zeigt Fotos von Alkhaldi und einem seiner Kollegen, die während ihrer journalistischen Tätigkeit in Syrien entstanden sind. „Ich habe die Fotos vor meiner Flucht zu einem Freund nach Deutschland geschickt, weil ich ja nicht wusste, ob ich lebendig hier ankommen würde“, sagt der Fotograf.

„Syrien ist wie eine Mutter für mich. Ich liebe dieses Land, umso mehr schmerzt mich der Verlust. Ich will aber nicht nur die Zerstörung und den Krieg zeigen, sondern auch die Schönheit des Landes.“ Deshalb hat Alkhaldi die Fotos in fünf Teilen aufgebaut: Das schöne Syrien, den Krieg, das Leid der Kinder, die Zerstörung öffentlicher Gebäude und die flüchtenden Menschen. Die Fotos führen die Gräuel des Krieges als dokumentarische Zeitzeugnisse vor Augen. „Ich habe mehr Leid gesehen als ein Mensch ertragen kann“, sagt Alkhaldi. Schwer vorstellbar, dass die Lichtbilder nur Bruchstücke seiner Erlebnisse sind.

Das Treffen endet traurig. Und doch schafft es der Künstler, dem Ganzen etwas Positives hinzuzufügen: „Ich möchte, dass sich die Menschen ein umfassendes Bild von der arabischen Kultur machen und sich öffnen. Das wichtigste Wort in jeder Sprache und Kultur ist das Wort ‚Frieden‘. Ich glaube, es macht einen Unterschied, wenn ich meine Geschichte erzähle, weil ich glaube, dass es etwas in den Menschen auslöst.“ Damit hat Alkhaldi zweifellos recht.

Termine und Adresse

Zur Ausstellungseröffnung am Sonntag, 30. April, um 17 Uhr wird auch ein Video mit Eindrücken aus Syrien gezeigt. Zudem hält Adnan Emin eine Einführung über das Integrationsprojekt BILO, das Flüchtlingen Mentoren zur Seite stellt.

Die Ausstellung ist bis zum 28. Mai im ersten Stock des Kornhauses, Max-Eyth-Straße 18, Kirchheim/Teck zu sehen. Das Fotostudio von Imad Alkhaldi befindet sich in der Gerberstraße 7, Kirchheim/Teck, www.foto-imad.de