Die Tristesse des Lustigseins: Peter Coffins namenloses Förderband aus dem Jahr 2008 Foto: © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2014 Foto: Norbert Miguletz

Der Roman „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace ist kein lustiges Buch, sondern eine Abrechnung mit einer Welt, die sich zu Tode amüsiert. Die Ausstellung in der Frankfurter Kunsthalle Schirn, die sich Wallace’ Buchtitel borgt, übersetzt die Tristesse der Spaßgesellschaft in Bilder.

Der Roman „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace ist kein lustiges Buch, sondern eine Abrechnung mit einer Welt, die sich zu Tode amüsiert. Die Ausstellung in der Frankfurter Kunsthalle Schirn, die sich Wallace’ Buchtitel borgt, übersetzt die Tristesse der Spaßgesellschaft in Bilder.

Frankfurt - Im Zeitlupentempo ruckeln die sechs bunten Luftballons über das Förderband. Schwerfällig kreisen sie auf und ab, umrunden den Raum auf einem kurvenreichen Parcours. Immer wieder. Ein tristes, leeres Bild erschafft Peter Coffins namenlose Installation, die einem mit ihrer mürrischen Eintönigkeit den letzten Spaß verdirbt.

Auch rund um diese raumfüllende Achterbahn der Ernüchterung gibt es in der Frankfurter Kunsthalle Schirn nicht viel zu lachen. Die Ausstellung „Unendlicher Spaß“ erzählt aus dem Zeitalter der Überforderung und Übersättigung, dokumentiert die Krisen des Ich, die Vereinzelung und die stille Verzweiflung, die in den totalitären Ablenkungs- und Vergnügungsmaschinerien des 21. Jahrhunderts schlummern.

Wie der US-Amerikaner Peter Coffin mit seiner Jahrmarktsdekonstruktion finden viele der rund 20 Künstler, die in der Schirn zu sehen sind, immer wieder neue betörend-verstörende Bilder für den Zustand der (Spaß-)Gesellschaft und für das Ich, das sich in dieser zu Tode amüsiert.

Der niederländische Konzeptkünstler Joep van Liefland zum Beispiel verdingt sich als medialer Archäologe. Er hat unter dem Titel „Video Palace #36 – Archive I (Shadow Hunter)“ mitten in dem Kunstmuseum eine Videothek aufgebaut. Bis zur Decke stapeln sich in zahllosen Regalen Videokassetten als Überbleibsel einer längst vergessenen Unterhaltungskultur, als Erinnerung an eine Zeit der Prä-Digitalisierung. Jetzt taugt dieses groteske Archiv der Videobänder nur noch als Entertainment-Müll. Und entsprechend stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass die meisten Filme, die van Liefland zusammengetragen hat, tatsächlich Trash-Filme sind – von „Der stählerne Adler“ bis „Mortal Combat“.

Wenn die Soziologin Eva Illouz recht hat, dass das 20. Jahrhundert das Jahrhundert des Ich war, „in dem über das Ich ständig geredet und diskutiert wird, um das gerungen wird“, dann ist das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Selbstbetäubung des Ich, das sich mit Facebook und Twitter, Castingshows und Dauerwerbesendungen letztlich von sich selbst ablenkt und sich in einem Zustand der Dauerberieselung und Dauerbespaßung die Selbstwahrnehmung vernebelt.

Dies lässt sich in ein Judith Hopfs Skulptur „Erschöpfte Vase“ ebenso entdecken wie in Francis Alys’ verbogenem Fahrrad („Reise ohne Ankunft“), in den 250 Gummimasken von Maurizio Cettelan („Spermini“) oder den 400 Tennisbällen von Claire Fontaine, aus deren Innerem Netzteile, Reise-Shampoos oder Socken quellen. Und Lara Favarettos „Tutti gìu per terra“ hat Industrieventilatoren so lange Konfetti aufwirbeln lassen, dass inzwischen von der einst so lustigen Party nur noch eine öde blaue Spaßwüste übrig geblieben ist.