Der Microraptor im schwarzen Federkleid auf Beutefang Foto: Lichtgut/Achim Zweygart

Die Erkenntnis „was Federn hat, ist ein Vogel“, gilt nicht mehr. Funde in der Nordchinesischen Provinz Liaoning beweisen: Saurier trugen Federn. Vom 6. November bis zum 18. Januar sind einige davon im Naturkundemuseum am Löwentor zu sehen.

Stuttgart - Auf einem Baumstamm im Rosensteinmuseum sitzt eine Art Vogel in doppelter Krähengröße. Das merkwürdige: Auch an seinen Hinterbeinen hat er schwarz gefiederte Flügel und in seinem mit spitzen Zähnen bewehrten Schnabel hält er ein Beutetier. Was wie ein schräger Vogel aussieht, ist ein Saurier, ein Microraptor, eines von 14 Fossilien, die bis zum 18. Januar in der Ausstellung „Gefiederte Drachen – neue Saurier aus China“ im Naturkundemuseum präsentiert werden.

„Was Sie im Hollywood-Saurier-Filmen wie Jurassic Parc von 1993sehen, können Sie vergessen. Steven Spielberg kannte die Funde aus China noch nicht“, sagt Rainer Schoch, Kurator für fossile Amphibien und Reptilien und Saurierexperte des Rosensteinmuseums.

Im Jahre 1996 wurden in Liaoning der erste Federsaurier gefunden. Danach fanden die Forscher immer mehr, und die Fachwelt stand Kopf. „Das sind die bedeutendsten Funde der letzten Jahrzehnte“, schwärmt Rainer Schoch. Die Funde aus der Kreidezeit vor rund 145 Millionen Jahren geben wesentliche Aufschlüsse über die Entwicklung der Vögel. Als Charles Darwin seine Evolutionstheorie entwickelte, war für ihn die Entstehung der Vögel der interessanteste Aspekt. Bekannt war ihm damals nur der Archäopteryx, ein Urvogel, der 1861 im bayerischen Solnhofen entdeckt wurde.

„Die Funde aus China belegen, dass wir uns die gesamten Dinosaurier als gefiedert vorstellen müssen“, sagt Rainer Schoch. In Liaoning habe man einen vier bis fünf Meter großen Verwandten des Tyrannosaurus Rex, einen Fleischfresser, entdeckt, der vollständig gefiedert war.

Die Provinz Liaoning ist eine Art Pompeji der Urzeit. Ähnlich wie der Vesuv einst das römische Leben in Pompeji und Herculaneum in Ascheregen und Lava konservierte, hielten die Vulkane in Liaoning das Leben vor rund 125 Millionen Jahren fest. In den feingeschichteten Kalken blieben dort feine Strukturen erhalten, die anderenorts verloren gingen: die Haut von Fröschen, die Schuppen von Echsen, die Haare früher Säugetiere und die Federn von Dinosauriern und Urvögeln. Sogar die Federfarbe der gefiederten Drachen ließ sich noch anhand der Pigmentdichte bestimmen.

Wie kommt ein Saurier zu Federn? Die Urfeder entwickelte sich aus der Reptilien-Schuppe. Eine stärker gekrümmte und verlängerte Schuppe bildete ein Rohr. Verlängert man dieses, erhält man einen Schaft, der den Ur-Federn der Dinosaurier gleicht. Diese Urfedern waren also Borsten, keine Haare. Federtypen, wie sie die Vögel tragen, wurden erst bei den als Theropoden bezeichneten räuberischen Sauriern entwickelt. Tyrannosaurier waren also ebenso gefiedert wie die Tauben am Stuttgarter Schlossplatz. Ursprünglich diente die Feder allerdings nicht zum Fliegen. Dinosaurier waren nach neuen Erkenntnissen Warmblüter. Sie brauchten das Federkleid wie die Säugetiere das Fell zum Wärmen.

Die Ausstellung am Löwentor zeigt nicht nur die Saurier, sondern auch versteinerte Farne, Nadelgehölze und Blütenpflanzen der Urzeit. All dies beweist: Die Fundstellen von Liaoning sind eines der wertvollsten Archive der Erdgeschichte.