Linos Rudel bei diesem Spaziergang: Sabine Poeppel (links), Tobias und seine Freundin Carolin Müller und ihr Hund Bonnie. Foto: Peter Petsch

Sie waren zum Sterben im Wald abgestellt worden – zum Glück wurden die acht ausgesetzten Welpen gefunden und haben überlebt. Das Tierheim hat die Hunde vermittelt. Wir begleiten Lino auf seinen ersten Schritten in sein neues Leben. Heute: beim Gassigehen.

Stuttgart - Kaum geht die Haustür auf, kommt Lino herausgeschossen. Freudig rennt er die paar Treppenstufen hinauf und begrüßt den Besuch. Dem geht das Herz auf – wann sonst wird man schließlich so stürmisch begrüßt?

Aber halt, an einem Menschen hochspringen soll der Welpe ja nicht. Es fällt sehr schwer, vernünftig zu sein und den kleinen Racker in die Grenzen zu weisen. Aber es gehört eben zum Hundeeinmaleins, dass Lino lernt, seine Freude anders zum Ausdruck zu bringen als durch Hochspringen – etwa durch Schwanzwedeln. Schließlich finden diese ungestüme Freudenbekundung nicht alle menschlichen Zeitgenossen prima, und wenn Lino erst einmal ausgewachsen ist, dann könnte seine tatkräftige Euphorie im wahrsten Sinne umwerfend wirken.

Aber der inzwischen viereinhalb Monate alte Rüde muss ja auch noch nicht alles richtig machen – obwohl er auf dem besten Wege ist, ein Musterschüler zu werden. Freilich einer, der es faustdick hinter den Ohren hat. Seit wenigen Wochen besucht er einen Welpenkurs der Hundeschule, er konnte aber bereits zuvor Sitz und Platz machen und die Pfote geben. Das haben ihm Tobias und seine Freundin Carolin Müller beigebracht. „Im Moment ist die Hauptübung, ihn abzurufen, das heißt, ihn zum Herkommen zu bewegen“, sagt Sabine Poeppel.

Inzwischen war Lino sogar schon im Fernsehen

Ob das schon klappt? Das werden wir gleich sehen, denn nun geht’s Gassi mit Lino – raus auf die Felder, die gleich hinterm Haus beginnen. Lino behält genau im Blick, ob ihm sein Rudel auch folgt, als er an einer knallroten Leine mit Sabine Poeppel die Treppen hinaufsteigt: Da sind Tobias und Carolin – und nicht zu vergessen: Bonnie. Die achtjährige Chihuahua-Hundedame von Carolin Müller kennt der Welpe seit seinem Einzug bei den Poeppels.

Ein paar Meter geht es an der Straße entlang, da muss Lino an der Leine bleiben. „Am vergangenen Freitag waren wir zum ersten Mal auf dem Markt“, erzählt Sabine Poeppel. „Das hat prima geklappt – und Lino wurde auch noch erkannt.“ „Dich kennen wir doch aus der Zeitung“, habe ein Ehepaar gesagt. Inzwischen war Lino sogar schon im Fernsehen, bei „Tatjanas Tiergeschichten“ im SWR. „Ja, Lino ist ein richtiger kleiner Star“, sagt Sabine Poeppel. Lino zeigt sich unbeeindruckt und verrichtet sein Geschäft in einer Hofeinfahrt – klar, auch ein Star muss mal. Nachdem die Hinterlassenschaften eingesammelt wurden, gilt es nun noch, die Straßenseite zu wechseln. Dazu muss Lino erst einmal Sitz machen – erst dann darf er auf ausdrückliche Aufforderung die Straße überqueren. Vorbildlich, Lino!

Doch dann ist kein Halten mehr. Lino darf von der Leine und vollführt Bocksprünge vor Freude. Er fegt über die Erdschollen und Wiesen. Dann macht er Bonnie ein Spielangebot, indem er die Vorderbeine nach vorne streckt. Doch Bonnie knurrt warnend – und fegt dann bellend hinter ihm her. „Sie ist ein Prinzesschen, ihr Bruder tobt sonst mit Lino rum“, sagt Carolin Müller. Lino wackelt unbekümmert weiter.

Täglich erste Begegnungen und Erfahrungen

„Oh, dahinten hat er sich kürzlich in etwas gewälzt“, sagt Sabine Poeppel. Aber heute ist Lino brav – nur die Schafkacke, die da plötzlich auf dem Boden liegt, hat er zum Fressen gern. „Wo kommt denn die her?“, wundert sich Sabine Poeppel. Das Rätsel ist schnell gelöst: Einige Hundert Meter weiter grast eine große Schafherde.

Lino muss an die Leine und nähert sich neugierig dem ihm bisher unbekannten Tier. Das Schaf steht still, kaut auf einem Büschel Gras herum und blickt den Neuankömmling in aller Gemütsruhe an. Dann macht es einen Schritt auf ihn zu – und Lino macht einen Satz zurück; wackelt aber gleich wieder freundlich mit dem Schwanz. Die erste Begegnung mit einem Schaf war erfolgreich.

Erste Begegnungen und Erfahrungen macht der Welpe derzeit fast jeden Tag. Am Sonntag war er zum ersten Mal beim Grillen, oben auf Schloss Solitude. Hmm, das roch sicher fein für die Hundenase. Doch Würstchen gab es keine für Lino. „Er bekommt bei uns nichts vom Tisch“, sagt Sabine Poeppel. So bettelt der Welpe auch nicht – sein eigenes Futter verschlingt er allerdings in nur wenigen Sekunden. „Das kommt wohl daher, dass er zusammen mit seinen Geschwistern fast verhungert wäre“, sagt Sabine Poeppel.

Aber halt, haben wir nicht was vergessen? Wollten wir nicht sehen, wie das mit dem Herrufen klappt? „Komm her, Lino!“, sagt Tobias. Doch Lino ist am Tollen. Kommen? Nö! Tobias will Lino einfangen. „Oh, toll – spielen!“, denkt dieser und flitzt über die Wiese, direkt in die Arme von Sabine Poeppel. Das ist nicht ganz, wie es im Lehrbuch steht – aber Lino blickt Tobias so treuherzig an, dass auch dieser lachen muss. Ja, es fällt sehr schwer, immer vernünftig zu sein.