In der Küche ist es vielen Schulabgängern zu heiß. Viele Lehrstellen als Koch oder Köchin bleiben unbesetzt Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Wer zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres noch keine Lehrstelle hat, kann noch hoffen. Viele Unternehmen im Land suchen auch jetzt noch Auszubildende. Wir zeigen, in welchen Bereichen es noch offene Stellen gibt.

Stuttgart - Erleichterung bei der IHK Region Stuttgart. Die „große Sorge“, dass die Betriebe 2015 weniger Ausbildungsstellen anbieten könnten, sei unberechtigt, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter. „Das Engagement der Betriebe für die Ausbildung ist ungebrochen.“ Ausbildung sei der beste Weg, um an qualifiziertes Fachpersonal zu gelangen. Das sei vielen Unternehmen klar.

Erstmals seit drei Jahren hat sich die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge in Industrie, Handel und Dienstleistung im Land wieder leicht erhöht. Bis zum 31. August 2015 hatten 40 190 Jugendliche einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen, melden die IHKs im Land. Das sind 366 Ausbildungsverträge oder fast ein Prozent mehr als zum gleichen Stichtag 2014. Den Grund für den Anstieg sieht die IHK in der guten wirtschaftlichen Entwicklung.

Auch das baden-württembergische Handwerk startet mit einem leichten Plus ins neue Ausbildungsjahr. Die Kammern verzeichnen 16 578 neue Auszubildende – 207 oder 1,3 Prozent mehr als im Vorjahr.

Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt

Noch sind die Ausbildungszahlen mit Vorsicht zu genießen. Einige Bewerber schaffen es quasi in allerletzter Minute noch, eine Lehrstelle zu ergattern, andere wiederum treten ihren Ausbildungsvertrag nicht an, weil sie etwas anderes gefunden haben. Auch in diesem Jahr werden viele Tausend Lehrstellen zum Jahresende unbesetzt bleiben. Die IHKs rechnen damit, dass auch in diesem Jahr zwischen 5000 und 6000 Lehrstellen offen bleiben. Im Handwerk sind etwa 8000 Lehrstellen im Land nicht besetzt. Nach Zahlen der Arbeitsagentur zum Südwest-Arbeitsmarkt kommen auf 12 000 Ausbildungsplatzsuchende derzeit 18 000 Ausbildungsstellen.

Viele Unternehmen, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Richter, beklagen den Mangel an geeigneten Bewerbern. Besonders groß seien die Klagen bei IT-Unternehmen und bei Banken und Versicherungen. Problematisch ist auch die Lage im Gastgewerbe und im Handel. Hier gibt es in der Region noch die meisten freien Stellen. Aber auch in der IT- und Medienbranche sind freie Stellen verfügbar. Im Handwerk der Region werden vor allem Lehrlinge im Lebensmittelhandel, für den Friseurberuf oder Anlagenbauer für den Sanitärbereich gesucht.

Die Zahl der unversorgten Bewerber ist viel zu hoch

Aus Sicht der IG Metall Baden-Württemberg ist es erfreulich, dass sich das Verhältnis zugunsten der Bewerber entwickelt hat. Gleichwohl sei die Zahl der unversorgten Bewerber viel zu hoch. „Die Unternehmen sollten nicht die fehlende Ausbildungsreife der Jugendlichen beklagen, sondern die bestehenden Fördersysteme nutzen, um die Jugendlichen fit für die Ausbildung zu machen“, fordert IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Auch DGB-Landeschef Nikolaus Landgraf mahnt, die Potenziale der Jugendlichen nicht brachliegen zu lassen: „Es stehen vielfältige Hilfen der Bundesagentur zur Verfügung, unter anderem die Assistierte Ausbildung als neues Regelinstrument sowie ausbildungsbegleitende Hilfen.“

Nach einer Umfrage der IHK beklagen viele Unternehmen die unklaren Berufsvorstellungen der Schulabgänger. Die Einführung des Schulfachs „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Richter. Der IHK-Chef warnt vor allzu großen Erwartungen an Zuwanderer und Flüchtlinge. „Bis diese jungen Leute in den Arbeitsmarkt integriert werden können, wird es noch eine Weile dauern.“ Die Kammerumfrage zeige, dass die Bereitschaft da sei, „jungen Flüchtlingen im Rahmen einer Ausbildung eine Perspektive zu geben“. Eine Hilfe dabei könnte ein Praktikum zur Einstiegsqualifikation sein. Dieses von der Arbeitsagentur bezahlte Programm könnte eine Chance für Flüchtlinge sein. Voraussetzung sei, dass die Bewerber ausreichend Deutsch sprechen.