Adolf Hölzel, Glasfenster (1933/1834) Quelle: Unbekannt

Stuttgart-Degerloch, Ahornstraße 22: Das ist eine Adresse, von der aus Kunstgeschichte geschrieben worden ist. Adolf Hölzel, Wegbereiter der Moderne, lebte und arbeitete hier. Nun soll das ehemalige Wohn- und Atelierhaus erneut zu einem Forum für die Kunst werden.

Stuttgart - Bei seinen Schülern war Adolf Hölzel beliebt. Nicht wenige unter ihnen wie Oskar Schlemmer und Willi Baumeister sind berühmt geworden. Denn bekanntlich hat sich Stuttgart, nachdem Hölzel 1905 als gediegener Landschafts- und Genremaler aus Dachau an die Königlich Württembergische Akademie berufen wurde, daraufhin unverhofft zu einer Hochburg der Moderne gemausert.

Niemand ahnte, dass der Maler schon im selben Jahr mit der abstrakten „Komposition in Rot“ künstlerisches Neuland beschritten hatte. Sympathie unter seinen Kollegen weckte sein Pioniergeist allerdings nicht. Auch der Wiederbelebung einer zuvor schon geschlossenen Damenklasse begegnete man mit Misstrauen.

Als Adolf Hölzel nach jahrelangen Anfeindungen 1919 das Feld räumte, ließ er sich in einer großbürgerlichen Villa in Degerloch nieder, die fortan zur Stätte seines Wirkens wurde. Erworben hatte der zum Schluss sogar Akademierektor gewordene „Wolf im Schafspelz“ die Immobilie im Jahr davor, 1918. Seine damalige Ausstellung bei der Kestner-Gesellschaft in Hannover war ein Riesenerfolg geworden, als Günther Wagner, Eigner der Pelikan-Werke, sich zum Kauf sämtlicher Exponate entschloss.

Mit Strahlkraft für Stuttgart und die Region

Jetzt schickt sich die 2005 von Hölzels Enkelin Doris Dieckmann-Hölzel gegründete Adolf-Hölzel-Stiftung an, das Haus in der Ahornstraße 22 wiederzubeleben. „Das Hölzel-Haus hat Zukunft“, heißt es und soll zur Kulturstätte ausgebaut werden: „mit Strahlkraft für Stuttgart und die Region“. Wie zu Lebzeiten des Meisters, als Künstler des Hölzel-Kreises wie Max Ackermann, Adolf Fleischmann, Camille Graeser und Ida Kerkovius, aber auch Hans Hildebrandt, der Kunsthistoriker, oder der Kunstkritiker Karl Konrad Düssel vom „Neuen Tagblatt Stuttgart“ da ein und aus gingen, soll es wieder eine Begegnungsstätte für Künstler und Kunstinteressierte werden.

Schon bisher sind von hier aus, wo Hölzels Nachlass gehütet wird, posthume Hölzel-Ausstellungen wie zuletzt die Kaleidoskop-Schau von 2009 im Kunstmuseum Stuttgart und andere in Heidelberg (2012) und Wien (2013) vorbereitet worden.

Effektiven Schub empfing das Projekt, das jetzt von Hans Dieter Huber, Kunstwissenschaftler an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, in Zusammenarbeit mit dem kunsthistorischen Institut der Universität Stuttgart und der Adolf-Hölzel-Stiftung in Angriff genommen wird, von einem überraschenden Fund. 2010 wurde nach dem Tod von Doris Dieckmann-Hölzel ein von ihr selbst unentdecktes Konvolut bisher nicht bekannter Skizzen und Mappen gefunden, das der Aufarbeitung und der Veröffentlichung harrt. In Anbetracht des umfangreichen Vorhabens, das es mit über 250 Skizzenbüchern und dreitausend Zeichnungen zu tun hat, konstituierte sich 2014 ein Förderverein und berief einen wissenschaftlichen Beirat.

Weil die Inventarisierung und Aufarbeitung des Segens viel Zeit wie auch Geld verschlingt, stellt sich Hans Dieter Huber ein „Publishing-On-Demand“ vor, das die Herkulesaufgabe zeitlich streckt. Außerdem soll die Last auf etliche Schultern verteilt werden, etwa auf interessierte Wissenschaftler, die sich an der Edition der Skizzenbücher beteiligen könnten.

„Künstlernachlässe – Wohin mit der Kunst?

Den Anfang machte im Sommersemester 2015 ein gemeinsames Seminar der beiden Stuttgarter Hochschulen, bei dem Christian Baudisch vom Institut für Kunstgeschichte, Irene Bückle als Expertin für Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken, Hans Dieter Huber und Stephanie Habel von der Stiftung sich kooperativ zusammentun. Letztlich soll die Hölzel-Rezeption, die bisher überwiegend seinen Gemälden und Pastellen galt, endlich auch den vernachlässigten, aber schon vom enormen Umfang her wohl bedeutsamen Werkanteil der Zeichnungen und Autografen gebührend würdigen. Offensichtlich formuliert das Thema „Künstlernachlässe – Wohin mit der Kunst?“ ein drängendes Problem. Im November findet in der Berlinischen Galerie dazu ein Symposion statt.

Lesungen, Vorträge, Führungen, Symposien und Konzerte stellt man sich künftig auch für das Hölzel-Haus vor. Das Nutzungskonzept für das entsprechend umgebaute Gebäude unterscheidet fünf „Bausteine“. Der vorhandene Fundus an Hölzel-Originalen soll in zu schaffenden „Museumsräumen“ Besucher anlocken. Zur Aufarbeitung des Nachlasses würde die Villa als Forschungsstätte dienen. Die schon erwähnten Vorträge und Lesungen sollen in entsprechend eingerichteten Vortragsräumen stattfinden. Im Dachgeschoss werden zwei oder drei Künstlerateliers Platz finden. Sogar an eine Malschule für Kinder ist gedacht.

Der Kostenaufwand wird auf 1,84 Millionen Euro geschätzt, der öffentliche Finanzierungsaufwand auf 920 000 Euro.

Geht die Rechnung der Initiatoren auf, könnte Stuttgart außer mit Schlemmer und Baumeister dann vielleicht auch mit dem Namen Hölzel punkten. Immerhin dürfte der Künstlertreff beim Bubenbad, wo Willi Baumeister in den 1950er Jahren die Avantgarde um sich scharte, durchaus von seinem Lehrer, von Adolf Hölzel, inspiriert worden sein.