Zirkusdirektor als Stallbursche: Juniorchef André Kaiser kümmert sich auf einer Wiese am Freiberger Neckarufer um seine nachts entlaufenen Bisons und Watussi-Rinder. Foto: Peter Petsch

Mit der Axt durchtrennte Stromkabel, mit Schmähbotschaften überklebte Zirkusplakate und regelmäßige Protestdemos wegen angeblicher Tierquälerei. Bei seiner Tour durch die Region sieht sich der Circus Kaiser massiven Attacken militanter Tierschützer ausgesetzt.

Freiberg/Neckar - Für die in der Nacht zum Donnerstag von der Autobahnausfahrt in Pleidelsheim in Richtung Freiberg rollenden Autofahrer war es ein Erlebnis besonderer Art: Kurz vor der Neckarbrücke standen zwei Bisons auf der Landesstraße 1129, am Fahrbahnrand graste ein ostafrikanisches Watussi-Rind mit seinen überdimensioniert mächtigen Hörnern. Ausgebüxt war die kleine Herde von zehn Tieren aus dem Circus Kaiser, der sein Gastspiel-Lager noch bis Sonntag am Neckarufer aufgeschlagen hat.

Von einem Ausbruch der Tiere allerdings kann laut dem Ludwigsburger Polizei-sprecher Peter Wiedenhorn keine Rede sein. Die mit Ketten gesicherten Tierboxen im mobilen Stall waren von Unbekannten geöffnet worden, unbemerkt vom Personal machte sich die exotische Rinderherde aus dem Staub. Erst eine von erschrockenen Autofahrern alarmierte Polizeistreife setzte dem Spuk ein Ende – und fing Bison und Co. bei einer nächtlichen Treibjagd wieder ein.

Am Tag danach steht André Kaiser neben dem fast 1000 Besucher fassenden Zirkuszelt und schüttelt den Kopf: „Das hat doch mit Tierschutz überhaupt nichts zu tun, wenn nachts die Gatter geöffnet werden“, sagt der 26 Jahre junge Juniorchef des Familienbetriebs. Nicht einmal bei einem Standort in der Nähe der Autobahn würden die militanten Zirkus-Gegner mehr Rücksicht auf die Sicherheit nehmen.

Polizei fährt verstärkt Streife

Nicht ausmalen will er sich, was passiert wäre, wenn der Watussi-Bulle ein Auto auf seine gut 1,50 Meter Spannweite messenden Hörner genommen hätte. Oder der gut eine Tonne schwere Bison „Taurus“ bei seinem nächtlichen Streifzug auf der Autobahn gelandet wäre. „Seit Wochen werden wir jetzt von diesen angeblichen Tierschützern verfolgt“, klagt André Kaiser. Tatsächlich wird nicht nur auf der Facebook-Seite der Tierrechtsinitiative Region Stuttgart massiv Stimmung gegen den mit mehr als 80 Tieren durchs Land reisenden Schaustellerbetrieb gemacht. Auch die Organisation Peta ruftregelmäßig zu Protestkundgebungen auf – in Winnenden und Schorndorf ebenso wie in Remseck, auch in Freiberg soll es an diesem Samstag unter dem Motto „Tierquälerei ist keine Unterhaltung“ direkt vor dem Circus-Kassenwagen eine Demonstration geben.

Inzwischen allerdings hat der Kampf von Tierschützern gegen den Zirkusbetrieb eine neue Dimension erhalten. André Kaiser wirft den Gegnern gezielte Sabotage vor, längst ermittelt die Polizei wegen Sachbeschädigung und fährt verstärkt Streife. Beim Gastspiel von Kaiser in Winnenden wurde Mitte Februar ein fast armdickes Starkstromkabel mit einer Axt durchtrennt, wegen des Ausfalls der Heizung mussten die 35-köpfige Zirkusfamilie in den Tierställen schlafen. Außerdem ließen die nach wie vor unbekannten Täter durchs Öffnen der Stalltore einige Ponys frei. Zirkus-Werbeplakate werden regelmäßig abgerissen oder mit Farbe besprüht, an Postern in Geschäften prangen gelbe Aufkleber mit der Aufschrift „Abgesagt wegen Tierquälerei“.

„Die Leute sind frustriert, weil sich in der Gesetzgebung nichts tut“

Nichts mit den Sabotageakten zu tun hat laut eigener Aussage die Tierschutzgruppe Peta. „Wir sind ein als gemeinnützig anerkannter Verein und beteiligen uns nicht an illegalen Aktionen“, betont Kampagnenchef Peter Höffken. Käfige zu öffnen sei eine Gefahr für Mensch und Tier, auch die gelben Aufkleber würden nicht von Peta vertrieben.

Nachvollziehen kann Höffken übers Ziel hinausschießende Proteste allerdings schon: „Die Leute sind frustriert, weil sich in der Gesetzgebung nichts tut und die Veterinärbehörden seit Jahren schlafen“, sagt er. Aus seiner Erfahrung kommt es außerdem oft vor, dass Zirkustiere durch Nachlässigkeit der Betreiber ausbrechen: „Das wird dann gern dem Tierschutz in die Schuhe geschoben.“ Vom Remsecker Gastspiel des Zirkus Kaiser liege ein entsprechendes Video vor.

Für die Aufsichtsbehörden zählt der im Winterlager in Esslingen sitzende Circus Kaiser nicht zu den großen Sorgenkindern der Branche. Gerhard Stehle, Leiter des Veterinäramtes Esslingen, nahm den Schaustellerbetrieb jüngst ausdrücklich von den schwarzen Schafen aus. Auch André Kaiser betont, dass es seit 15 Jahren keine Beanstandung gegeben habe. Die Tierhaltungs-Lizenz wurde erst im Januar verlängert.