Die Stadt Philippsburg will keinen fremden Atommüll am Standort akzeptieren. Foto: dpa

Die Stadt Philippsburg will keinen fremden Atommüll am Standort akzeptieren. „Wir würden zivilen Ungehorsam leisten und dagegen auf die Straße gehen“, sagte Bürgermeister Stefan Martus (CDU).

Philippsburg - Bürgermeister Stefan Martus (CDU) reicht es. Das Zwischenlager am Atommeiler Philippsburg hat der Chef des 12.600-Einwohner-Ortes noch zähneknirschend hingenommen. Schließlich fiel die strahlende Hinterlassenschaft vor Ort an. Dass nun aber einige der restlichen Castoren mit im Ausland aufbereitetem Atommüll statt nach Gorleben in die Kleinstadt nördlich von Karlsruhe rollen könnten, bringt für ihn das Fass zum Überlaufen. „Das ist gar keine gute Idee“, sagt Martus. „Notfalls stellen wir uns dagegen auf die Gleise.“

Verkehrte Welt: Haben doch zu Zeiten, als die Atomkraft florierte und Castor-Behälter aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague quer durch die Republik transportiert wurden, linke Demonstranten und Atomkraftgegner genau das getan. In der Regel kamen die Blockierer damals von außerhalb.

Philippsburg profitierte wirtschaftlich

Den Philippsburgern selbst wurde das Kraftwerk mit seinen zwei mächtigen Kühltürmen durch jährliche Steuermillionen des Kraftwerksbetreibers EnBW versüßt. Damit konnte sich die Kleinstadt manches Extra leisten, darunter ein Gymnasium, eine Realschule und eine Förderschule. Mit dem Atomausstieg und der Abschaltung des älteren der zwei Meiler am Standort ging Philippsburg neben viel Geld auch Gestaltungsfreiheit flöten.

Doch es gab für das Städtchen auch eine neue Chance: „Wir sind daran, unser Image komplett auf neue Füße zu stellen“, sagt Martus. Philippsburg soll mit seiner Strominfrastruktur zwar Energiestandort bleiben. Doch anstelle von Atomstrom will man künftig mit Sonnenenergie von sich reden machen.

Mit 87.500 Quadratmetern hat der Ort das größte Solardach Deutschlands auf dem Logistikzentrum von Goodyear Dunlop. Zudem wurde dieser Tage auf einer ehemaligen Mülldeponie gleich neben dem Kernkraftwerk ein Solarpark fertiggestellt, der eine Spitzenleistung von 710 Kilowatt hat. „Wir können 75 Prozent der Privathaushalte in Philippsburg mit erneuerbaren Energien versorgen“, sagt Martus nicht ohne Stolz.

Martus: Schon wieder Kompromiss aufgekündigt

Deshalb ist der Stadtchef auch so sauer, dass der Ort am Rhein ausgerechnet jetzt wieder wegen seiner atomaren Altlast in den Fokus rückt. „Schon wieder soll den Philippsburgern ein gesellschaftlicher Kompromiss aufgekündigt werden.“

Dass ausgerechnet Baden-Württemberg neben Schleswig-Holstein Bereitschaft signalisiert hat, den im Ausland lagernden deutschen Restmüll bei den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Philippsburg zu lagern, kann Martus nicht nachvollziehen. „Das entspricht nicht einer Politik des Gehörtwerdens“, meint er. Werden die Überlegungen umgesetzt, will er an vorderster Front dagegen protestieren.

Fremden Atommüll wollen die Philippsburger nicht. Doch was heißt schon fremder Müll? Woher die in den fünf Behältern lagernde strahlende Hinterlassenschaft in La Hague stammt, weiß man gar nicht so genau. Im baden-württembergischen Umweltministerium verweist man zudem darauf: „Der meiste Müll, der in Philippsburg produziert wurde, ist bereits in Gorleben.“