Nach der Filmpremiere stellte sich Regisseur Thomas von Steinaecker im Atelier am Bollwerk den Fragen des Publikums. Foto: StZN/ak

„Otfried Preußler: Ich bin Krabat“ heißt eine Film-Biografie zum 100. Geburtstag des Kinderbuchautors. Vor der Ausstrahlung auf Arte feierte die Dokumentation im Atelier am Bollwerk Premiere.

Otfried Preußlers Kinderbücher haben einen ganz besonderen Sound, der sich bestens zum Vorlesen eignet. Wie dieser entstanden ist, zeigt Filmemacher Thomas von Steinaecker in der Arte-Dokumentation „Otfried Preußler: Ich bin Krabat“ und kommt für einen Moment dem Kinderbuchautor sehr nah. Als Geschichtenerzähler vor seinen Schülern und den eigenen Töchtern hat Preußler diesen warmherzigen Erzählton eingeübt, mit einem Diktiergerät in der Hand hat er ihn bei langen Spaziergängen perfektioniert.

Zu sehen war die Dokumentation, die anlässlich Preußlers 100. Geburtstag am 20. Oktober entstanden ist, am Dienstag im Atelier am Bollwerk; Gastgeber waren neben dem Fernsehsender Arte das Literaturhaus und der Thienemann-Verlag. Bei der Vorabpremiere, auf Arte läuft der Film am 2. Oktober, sorgte Preußlers langjährige Sekretärin Christine Annies von der Leinwand aus für viele Lacher im Saal. Für einen russischen Spion hätte sie den ihr damals noch unbekannten Spaziergänger mit dem Diktiergerät gehalten.

Die vertriebene Familie landet in Rosenheim

Kalter Krieg war in Europa, als Otfried Preußler seine Karriere als Kinderbuchautor vorantrieb. Alles Politische streift Thomas von Steinaeckers Film aber nur: Preußlers Romandebüt „Erntelager Geyer“, aus dem die Begeisterung spricht, mit welcher der 19-Jährige später in den Krieg zieht, die Vertreibung seiner Familie aus Nordböhmen, die fünf Jahre im russischen Lager, die Zeit seiner Vermittlungsarbeit nach dem Krieg zwischen Literaten in Ost und West.

Dabei liegt hier das Verständnis für den Titel der Dokumentation: Mit seinem Jugendroman „Krabat“, mit dem Preußler lange gerungen hat und der in Ausschnitten aus einer späten Verfilmung präsent ist, erzählt er auch von den eigenen Verfehlungen als junger Mann und den Lehren daraus. Mehr über dieses Thema lässt sich vielleicht bei einer weiteren Veranstaltung zu Preußlers rundem Geburtstag erfahren, wenn Carsten Gansel am 24. Oktober im Haus der Heimat über die Recherchen zu seinem Buch „Kind einer schwierigen Zeit. Otfried Preußlers frühe Jahre“ spricht.

Preußler-Experten kommen zu Wort

Doch den 2013 verstorbenen Schriftsteller zu erleben, wie er über seine Arbeit und Kinderliteratur nachdenkt, seine erste Heimat im heutigen Liberec und seine zweite im Rübezahlweg in Rosenheim zu sehen, lohnt das Zuschauen. Thomas von Steinaecker lässt zudem Preußler-Profis zu Wort kommen wie seinen Biografen Tilman Spreckelsen, die Tochter Susanne Preußler-Bitsch und die Literaturwissenschaftlerin Carola Pohlmann.

Mit Preußlers jüngerer Kollegin Kirsten Boie, die auch von ihrer Kindheitssehnsucht nach guten Büchern in einer Zeit des Mangels erzählt, bedauert man, dass Literatur für Kinder in Deutschland keinen höheren Stellenwert genießt. Mit mehr als 50 Millionen verkauften Büchern, mit denen Hotzenplotz, Wassermann, Hexe, Gespenst und Co. sogar ein Publikum in Asien erreichen, ist Preußler einer der erfolgreichsten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts. Man hätte seine besonnene Stimme gern öfter gehört. Auch von Steinaeckers Film setzt lieber auf dramatische Musik, als Preußlers besonderen Erzählfluss noch einmal zum Klingen zu bringen. Sehr bewegend, so die Resonanz des Premierenpublikums, ist der rund 50-minütige Blick auf Preußlers Leben aber dennoch gelungen.

Info

Termin
Arte zeigt „Otfried Preußler: Ich bin Krabat“ am 2. Oktober um 22.05 Uhr. In der Mediathek ist der Film bis zum 31. Dezember abrufbar.

Lesung
Der Literaturwissenschaftler Carsten Gansel spricht am 24. Oktober um 18 Uhr im Haus der Heimat (Schlossstraße 92) über die Arbeit an seinem Buch „Kind einer schwierigen Zeit. Otfried Preußlers frühe Jahre“, das einen von Krieg und Gefangenschaft Traumatisierten zeichnet. Im Mittelpunkt steht Preußlers „Krabat“ als eine Geschichte von Macht und Machtmissbrauch; Isabel Schmier liest daraus.

Ausstellung
Das Württembergische Landesmuseum ehrt Preußler mit einer Mitmachausstellung, in deren Fokus die kleine Hexe steht. Zu sehen ist sie im Alten Schloss vom 14. Oktober an.