Schwierige Zeiten hat Jana Berezko-Marggrander vom TSV Schmiden hinter sich. Als

Schwierige Zeiten hat Jana Berezko-

Marggrander vom TSV Schmiden hinter sich. Als die gebürtige Russin nach Deutschland kam, verstand sie kein Wort. Doch die heute 14-Jährige hat sich durchgebissen - und gehört in der

Rhythmischen Sportgymnastik mittlerweile zu den Besten ihrer Altersklasse.

Von Nils Mayer

FELLBACH. Jana Berezko-Marggrander lebt für ihren Sport. Sechsmal in der Woche trainiert sie am Bundesstützpunkt in Schmiden, um sich zu verbessern. Und das muss sie auch, die 14-Jährige hat sich hohe Ziele gesteckt: Sie will im kommenden Sommer zu den erstmals ausgetragenen Olympischen Spielen der Jugend (14. bis 26. August 2011) nach Singapur. Doch dafür muss sie sich erst einmal beim 20. Internationalen Turnier der RSG Schmiden am Wochenende für die EM in Bremen (14. bis 18. April) qualifizieren - und an der Weser mindestens Sechste werden.

Die Chancen dafür stehen nicht gerade schlecht: Nach dem Vorbereitungslehrgang in Bremen und der ersten Qualifikationsrunde in Kienbaum belegt Berezko-Marggrander Platz eins in der deutschen Wertung. Thomas Schütte ist zuversichtlich. "Bei der EM ist sie ziemlich sicher dabei", sagt der Pressemann der RSG Schmiden. Der gebürtigen Russin huscht bei diesen Worten ein Lächeln über die Lippen - sie hofft zwar inständig, dass es so sein möge, doch das würde sie niemals so deutlich aussprechen. Dabei spricht sie inzwischen perfekt Deutsch, aber der Sport hat sie Bescheidenheit gelehrt. Der Sport und das Leben.

Vor zweieinhalb Jahren sah das alles noch ganz anders aus. Damals wusste sie kein einziges deutsches Wort, nicht einmal bitte oder danke. Sie lebte mit ihrer Mutter Ravilya in Moskau und wäre nie auf die Idee gekommen, nach Deutschland auszuwandern. "Ich war zufrieden in Russland, hatte meine Freundinnen und wollte nicht von zu Hause weg", erzählt sie. Doch ihre Mutter hatte andere Pläne - im Sommerurlaub in der Türkei hatte sie sich in Frank Marggrander verliebt, da war es für sie bald klar, dass sie mit ihrer Tochter nach Linkenheim bei Karlsruhe ziehen würde.

Die kleine Jana hatte keine andere Wahl, als mitzugehen. Nach dem Umzug begann für sie eine schwierige Zeit. Vieles war für die damals Zwölfjährige neu - Sprache, Umgebung und Mentalität. Nur eines war ihr trotz aller Schwierigkeiten stets klar: Mit der rhythmischen Sportgymnastik wollte sie nach acht Jahren auf keinen Fall aufhören. "Ohne Sport würde mir etwas fehlen. Ich finde, das ist die beste Sportart für Mädchen", sagt sie. Frank Marggrander suchte deshalb im Internet nach Angeboten und stieß auf die RSG Schmiden. Er rief bei Thomas Schütte an, der war aber skeptisch. "Oft rufen Eltern an und halten ihr Kind für talentiert. Wir wollten uns deshalb selbst ein Bild von ihr machen", erklärt Schütte. Jana Berezko turnte vor und überzeugte Cheftrainerin Galina Krylenko. Nach nur fünf Tagen in Deutschland wurde Jana ins Schmidener Internat aufgenommen.

Jetzt war sie auf sich allein gestellt - und das machte sie noch unglücklicher. Weil sie weder Deutsch noch Englisch sprach, konnte sich das russische Mädchen mit niemandem verständigen. Zur Sprachlosigkeit gesellten sich fast zwangsläufig Heimweh und Sehnsucht nach ihrer Mutter. Oft zog sie sich traurig in ihr Zimmer zurück. "Die ersten Wochen waren schlimm für mich, ich habe niemanden verstanden und fast jeden Abend geweint", gibt sie zu.

Heute kann die Sportlerin offen darüber reden - in akzentfreiem Deutsch. Denn mittlerweile ist das Talent voll integriert im Internat, mit Anastasia Kempf bewohnt sie ein gemütlich eingerichtetes Doppelzimmer. An der weiß-weinrot gestrichenen Wand hängen neben mehreren Plakaten von Veranstaltungen zwei Bilder von ihrer Familie. "Meine Eltern und meinen Stiefbruder vermisse ich sehr", sagt sie, "und doch bin ich inzwischen sehr froh, hier im Internat zu sein." Das ist nicht zu übersehen. Jana Berezko-Marggrander tritt selbstbewusst auf, zeigt keine Spur von Schüchternheit und Zurückhaltung. Mit ihren Mitbewohnerinnen plappert und lacht sie viel, ab und zu schauen sie sich abends einen Gruselfilm an. "Ansonsten mache ich abends häufig meine Hausaufgaben", sagt die Siebtklässlerin des Gustav-Stresemann-Gymnasiums.

Für Freizeit bleibt neben Schule und Sport nicht viel Zeit - doch für die Erfolge in der Sportgymnastik verzichtet sie gerne darauf. Jana ist glücklich in Schmiden, ihr Durchhaltevermögen hat sich gelohnt.