Andreas Vollmer zeigt die Startseite seiner App für Bahnsharing. Foto: Peter Petsch

Schlechte Nachrichten für die Bahn: Wenn Andreas Vollmers Plan aufgeht, wird das Gruppenticket, das täglich von 60 000 Personen genutzt wird, längst nicht so lukrativ wie früher sein. Mit einer App des Stuttgarter Gründers sollen Bahnreisende bei Gruppentickets Geld sparen können.

Schlechte Nachrichten für die Bahn: Wenn Andreas Vollmers Plan aufgeht, wird das Gruppenticket, das täglich von 60 000 Personen genutzt wird, längst nicht so lukrativ wie früher sein. Mit einer App des Stuttgarter Gründers sollen Bahnreisende bei Gruppentickets Geld sparen können.
 
Stuttgart - Herr Vollmer, Apps und Webportale rund um Mobilität gibt es etliche. Mitfahrzentrale, Carsharing, Fernbusreisen – braucht man da noch ein Produkt wie Bahnsharing?
Ja, denn unsere App will bestehende Infrastrukturen nutzen und manche nervige Begleiterscheinungen, wie bei der Mitfahrzentrale ein Gespräch aufgedrängt oder reingedrückt zu bekommen, vermeiden. Mir persönlich geht es manchmal auf den Zeiger, wenn ein Fremder mich über meine Lebensgeschichte ausfragt. Außerdem ist es vor allem für Frauen sicherer.
Ihre Lebensgeschichte hat vor 36 Jahren in Dresden begonnen.
Ja, dort wurde ich den 70ern geboren. Aber meine Vorfahren sind Schwaben. Darum ging es 1989 auch zurück in die Region Stuttgart.
Mit dem Zug?
Ja. Und seitdem nervt mich die Bahn ehrlich gesagt ein wenig. Sie ist einfach zu teuer geworden. Wie soll es sich denn eine einfache Verkaufsangestellte, die zwölf bis 13 Euro brutto in der Stunde verdient, leisten, nach Köln zu fahren? Auch Rentner haben nicht mehr Geld als früher. Oft sind die Gruppentickets – das Länder-Ticket, Länder-Ticket Nacht, Quer-durchs-Land-Ticket, Schönes-Wochenende-Ticket – die einzige Option für diese Menschen. 100 000 Personen fahren täglich damit. Und mehr als zwei Drittel der Reisenden sind mit diesen Tickets allein oder zu zweit unterwegs.
Wenn sich das ändert, könnten der Bahn jährlich sieben- bis achtstellige Millionenbeträge fehlen.
Darum bin ich von der App ja so überzeugt. Sparen macht ja schließlich Spaß – besonders uns Schwaben.
Sie sagen das offenbar mit einer gewissen Genugtuung.
Durchaus. Die Bahn bemerkt nur, dass man existiert, wenn man ihr wehtut. Bis jetzt ist uns das allerdings noch nicht wirklich gelungen. Ärgerlich ist, dass wir beispielsweise in einem komplizierten Verfahren die Website mobile.bahn.de auslesen müssen, da die Bahn keine Daten herausgibt – was bis jetzt zumindest geduldet zu werden scheint. Um ehrlich zu sein, habe ich noch nicht mal versucht, mit der Bahn zu reden. Meiner Erfahrung nach sind die mit kleinen Unternehmen wie uns sowieso in keiner Weise kooperativ. Wir wollen aber auf keinen Fall ein Online-Schwarzmarkt für Gruppentickets sein, wie er an Bahnhöfen Wirklichkeit ist. Wer kennt es nicht, angesprochen zu werden und eine Fahrkarte angeboten zu bekommen?
Die Bahn könnte dem selbst entgegenwirken, indem sie Ihr Geschäftsmodell kopiert.
Daran glaube ich nicht wirklich. Ich bin der Meinung, die Bahn will mit dem Gruppenticket sowieso nur ihre Regionalzüge vollbekommen beziehungsweise besser auslasten. Vorwiegend mit Studenten, Rentnern und anderen, die sich in der Regel andere Tickets kaum leisten können – Geschäftsmänner bekommen ihre Reisen ja meistens von ihren Firmen bezahlt. Wenn die Bahn mein Modell kopiert, würde sie sich doch nur selber schaden. Außerdem braucht so ein Großkonzern vermutlich recht lange, neue Strukturen in Betrieb zu nehmen.
Dass Sie – sofern Sie Erfolg haben – der Bahn schaden könnten, ist offensichtlich. Aber was haben Sie davon?
Aktuell ist Bahnsharing überhaupt nicht lukrativ. Es ist alles noch ein Antesten. Ideen, wie man das ändern könnte, gibt es aber schon. Zum Beispiel könnte man zusätzlich Bezahldienste einführen. Wenn Andi beispielsweise mit vier netten Mädels fahren will – oder für Fotografen, die mal unter ihresgleichen reisen möchten. Dafür brauchen wir aber zunächst noch mehr Bahnsharing-Nutzer.
Wie viele?
Wir glauben, dass es ab 100 000 interessant wird. Mit aktuell 7000 registrierten Nutzern, von denen etwa 100 täglich auf bahnsharing.de aktiv sind, kriegen wir gerade mal Gemeinschaftsreisen zwischen Großstädten hin. Wir brauchen mehr Masse, damit man auch Mitfahrer von Tübingen nach Ulm findet.
Wie wollen Sie dann neue Nutzer gewinnen, wenn die App nichts zum Reinvestieren abwirft?
Ich bin noch an anderen Unternehmen im App-Bereich beteiligt, die Bahnsharing stützen. Einen großen Investor wollen wir uns aber nicht ins Boot holen. Dann ist man wieder abhängig. Wir wachsen lieber langsam. Momentan verbessern wir unsere App wieder. Darin, zu sehen, dass es vorangeht, besteht momentan die Kür, nicht im Monetären.
Und wie ist dann das Feedback, wenn schon kein Geld in die Kassen gespült wird?
Überwiegend positiv. Auch tolle Anregungen sind dabei: Neulich hat uns ein Blinder geschrieben. Er möchte, dass wir Bahnsharing blindenfreundlich machen.
Hat Bahnsharing auch ein internationales Potenzial?
Nur teilweise. In Spanien gibt es keine Gruppentickets. Aber mit insgesamt zwei Milliarden Zugfahrten im Jahr und bundesweit rund 5400 Bahnhöfen sollte der Markt in Deutschland fürs erste groß genug sein.