Martina Gedeck in „Anna Felici“ Foto: Verleih

Die Schauspielerin Martina Gedeck war zu Gast bei der Stuttgart-Premiere des Kinofilms „Anna Felici – Barfuß durchs Leben“.

Stuttgart - Spätsommer in der Camargue. Zwei Frauen nehmen Abschied. Dicht an ihren Gesichtern zeigt die Kamera disziplinierte Rücknahme. Doch um Mundwinkel zuckt es, in den Augen flirrt Verwirrung. Dann steigt Serena mit ihren beiden Kindern in den Bus. Er bringt sie zum Ehemann, dem Vater der Jungs. Helke bleibt zurück, wird später mit dem Auto in ihre Galerie fahren. Gefilmt wird die Abschiedsszene auf der Landstraße von Dario, Serenas älterem Sohn.

Martina Gedeck spielt die Galeristin Helke

Ortswechsel. Kino Cinema, Stuttgart, Dienstagabend dieser Woche. Zwei Tage vor dem bundesweiten Starttermin lädt Camino Filmverleih zur Stuttgart-Premiere von „Anna Felici – Barfuß durchs Leben“ ein. Zu Gast ist Martina Gedeck. Sie spielt die Rolle der Galeristin Helke, die sich in einem feministischen Sommercamp in Serena, die Ehefrau eines Künstlers, verliebt. Regie führt Daniele Luchetti; die Rolle der Serena spielt Micaela Ramazotti.

„Die Abschiedsszene“, sagt Gedeck, „haben wir zunächst viel melodramatischer gespielt. Micaela hat viel geweint, und ich hab’ lange hinter dem Bus hergewunken. Doch Luchetti hat uns alles weggenommen. Er hat zu mir gesagt: Sei froh, dass sie jetzt wegfährt, dann bist du sie los. Du bist doch eine Eroberin, und du hast sie erobert.“ Martina Gedeck lacht. „Anna Felici – Barfuß durchs Leben“, ein quirlig-leichter, ein tiefgründiger Film, ist ein Sittengemälde der frühen 1970er Jahre und im Look dieser Zeit in Rom, der Camargue und an der Mittelmeerküste gedreht. Ein Film über den Aufbruch gesellschaftlicher Konventionen, über Kunst und das Glück, das sich in Momenten von Schmerz und Leid oft unsichtbar macht.

Daniele Luchettis dritter Familienfilm

Nach „Mein Bruder ist ein Einzelkind“ und „La Nostra“ ist dieser Streifen Daniele Luchettis dritter Familienfilm. Die unterhaltsame, von bezauberndem Humor getragene Story wird in retrospektiver Ich-Form aus Darios Perspektive erzählt. Sein Fazit: „Es waren zweifellos glückliche Jahre. Nur schade, dass es keiner gemerkt hat.“

Martina Gedeck, die von Luchetti ins italienische Ensemble geholt wurde, auch weil sie italienische Sprachkenntnisse hatte, erzählt in Stuttgart über die Arbeitsweise des Regisseurs: „Er hasst es, wenn Dinge absehbar sind, er lädt zum Improvisieren ein, so entsteht ein fast dokumentarischer Stil.“ Zum Entstehungsprozess: „Am Set lag über allem eine große Würde. Das lag auch daran, dass viele Menschen in Italien arbeitslos sind. Viele Kollegen waren älter als ich, alle hatten große Achtung vor dem, was sie taten.“ Und sie fügt – erinnernd lächelnd – hinzu: „Wir Frauen wurden sowieso auf Händen getragen.“ Martina Gedeck, 1961 in München geboren, im Alter von neun Jahren nach Berlin gekommen, Absolventin des Max-Reinhardt-Seminars, zweifache Preisträgerin des Deutschen Filmpreises, nach Stuttgart angereist mit ihrem Mann, dem Regisseur Markus Imboden, ist vielen Zuschauern bekannt aus Filmen wie „Das Leben der Anderen“, „Elementarteilchen“, „Bella Martha“, „Der Baader Meinhof Komplex“. An diesem Abend nach ihrer Rolle als namenlose Frau in der Verfilmung von Marlen Haushofers Kultbuch „Die Wand“ befragt, sagt die 55-jährige Schauspielerin: „Danach hatte ich überhaupt keine Lust mehr zu sprechen. Und irgendwie kommt mir das beim Film heute noch verloren vor, du lernst einen Text auswendig und tust vor der Kamera so, als ob du ihn zum ersten Mal sprichst.“

Eine Geschichte über das Erwachsenwerden in jedem Lebensalter

Lockend und distanziert zugleich begegnet Martina Gedeck als Helke Serena, der schönen Ehefrau von Guido (sehr differenziert: Kim Rossi Stuart), einem avantgardistischen Künstler. Michaela Ramazotti, in Italien vor allem als Komödiantin bekannt, leidet unter den Eskapaden ihres Mannes. Er leidet unter seiner Erfolglosigkeit. Und doch hält das Paar eine Leidenschaft zusammen, die Seufzer bei den Zuschauern auslöst.

„Anna Felici – Barfuß durchs Leben“ ist keine Coming-out-Story zweier Frauen. Es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden in jedem Lebensalter, über die Chancen von Lebensbrüchen. Wie nah der Film am Leben ist, zeigt die Reaktion einer Zuschauerin: „Das ist das Leben, wir folgen einer Neugier, von der wir nicht wissen, wohin sie uns führt. Ich weiß nicht, ob ich heute Abend gut schlafe.“ (In Stuttgart im Cinema)