In den vergangenen Wochen werden die meisten Verbraucher Post wie diese von ihren Stromlieferanten bekommen haben. Foto: Frank Rodenhausen

Viele Stadtwerke und Energielieferanten heben ihre Tarife zum 1. Januar auch im Rems-Murr-Kreis empfindlich an. Bei den Verbrauchspreisen gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede. Ein Wechsel zu den aktuell günstigsten ist aber nicht immer möglich.

Fast alle Energielieferanten haben in den vergangenen Wochen Post an ihre Kunden verschickt. „Wie Sie den Medien entnehmen konnten, sind die Beschaffungspreise für Energie an den Großhandelsmärkten stark angestiegen“, leitet etwa die Süwag, Grundversorger in einigen Kommunen rund um Backnang, ihre „Wichtige Information für Sie“ ein. Der Inhalt wie bei nahezu allen Mitbewerbern: Die Strompreistarife werden zu Beginn des kommenden Jahres erhöht – zum größten Teil in einem erheblichen Maße. Aber es gibt auch deutliche Unterschiede, wie eine stichprobenartige Umfrage in der Region zeigt.

EnBW zurzeit am günstigsten

Der günstigste der angefragten Anbieter in Sachen Verbrauchspreise ist im Grundversorgertarif die Energie Baden-Württemberg (EnBW). 37,31 Cent verlangt der Energiekonzern für die Kilowattstunde. Begründet wird das mit einem „Jahre im Voraus“ eingekauften Grundbestand, der extreme Preissprünge zumindest „in einem gewissen Umfang“ abfedern könne, so ein Unternehmenssprecher. Einen Tarifsprung zum Jahreswechsel müsse die Hausstrom-Kundschaft nicht befürchten. Die jüngste Preisanpassung hat es allerdings auch bereits zum 1. Oktober gegeben – im Schnitt wurde um gut 31 Prozent erhöht. Berücksichtige man die Entlastung, die sich aus der Weitergabe des Wegfalls der Erneuerbare-Energien-Umlage ergibt, liege das Preisniveau um 15,2 Prozent über dem Vorjahr. Zuvor habe die EnBW seit 2020 die Haushaltsstrompreise für ihre Kunden zweimal senken können. „Mit dieser Preispolitik gehörte wir zu den großen Ausnahmen im Strommarkt“, so der Unternehmenssprecher weiter.

Bei den Stadtwerken Stuttgart kostet die Kilowattstunde Strom für Bestandskunden aktuell noch 25,52 Cent brutto. Vom 1. Januar 2023 an werden es 39,75 Cent sein. Der Aufschlag liegt damit bei rund 56 Prozent. Trotz vorausschauenden Einkaufs schlügen die hohen Beschaffungskosten nun durch, sagt der Versorger. Für Neukunden hingegen wird der Preis gesenkt. Wer sich aktuell neu für die Belieferung durch die Stadtwerke entscheidet, zahlt 59,85 Cent pro kWh, vom 1. Januar an müssen Neukunden dann noch 49,75 Cent berappen. „Wir beschaffen die Strommengen rollierend, daher kommt es nun auch zu Senkungen“, so eine Stadtwerke-Sprecherin, der Preisgipfel scheint überschritten.

Stadtwerke Backnang teuer aber mit Garantie

Den höchsten Verbrauchspreis im Rems-Murr-Kreis hat von 1. Januar an mit 78,79 Cent pro Kilowattstunde wohl die Backnanger Stadtwerketochter Backnangstrom. Dieser resultiere zwar aus den gewählten Einkaufszeitpunkten an der Strombörse, sagt der Stadtwerke-Geschäftsführer Thomas Steffen, allerdings gebe es auch eine Preisgarantie für das ganze Jahr. „Andere Versorger werden dagegen unterjährig nochmals anpassen müssen“, mutmaßt Steffen. Der Aufschlag wir dennoch für viele Kunden gewaltig sein. Aktuell liegen die Verbrauchspreise der Backnanger eigenen Angaben zufolge zwischen 34 und 37 Euro.

Dabei sind die Stadtwerke in ihrem Gebiet nicht einmal der Strom-Grundversorger. Das ist in weiten Teilen die Süwag. Deren Tarif wird in der Grundversorgung mit 53,63 Cent angegeben. Bei einem Jahresstromverbrauch von 2500 Kilowattstunden müsse man sich auf eine Steigerung von 65 Prozent gegenüber dem aktuellen Jahr gefasst machen, räumt der Energieversorger ein, dessen Tochter Syna im Norden des Kreises auch viele Netze betreibt.

Einen fast ähnlich guten Verbrauchspreis wie die EnBW bietet mit 38,62 Cent als einziger Anbieter aus dem Rems-Murr-Kreis das Remstalwerk an – und das trotz einer Steigerung um 41 Prozent gegenüber dem Tarif von diesem Jahr. Doch Wechselwillige haben zurzeit das Nachsehen. Der interkommunal angedockte Versorger nimmt keine Neukunden auf. Weil sie sonst zu den sehr hohen Preisen an der Börse nachkaufen und ihren Bestandskunden noch deutlich höhere Preise zumuten müsste müsste, hat die Geschäftsführerin Gabriele Laxander einen Aufnahmestopp für Neukunden angeordnet. „Wir warten erst einmal den Winter ab“, sagt sie.

Das würde ihr Geschäftsführer-Kollege Gerhard Ammon von den Stadtwerken Fellbach möglicherweise auch gerne machen. Doch als Marktführer in seinem Gebiet muss er jeden Verbraucher, der sonst versorgungslos wäre, aufnehmen – also vor allem die, deren bisherige Versorger ihren Geschäftsbetrieb, der einzig auf schnelles Wachstum und kurzfristig günstige Einkaufspreise ausgelegt war, aufgeben mussten. Dennoch werden die Fellbacher Stadtwerke mit 42,31 Cent in der Grundversorgung unter den gegebenen Umständen im kommenden Jahr noch einen sehr guten Preis anbieten können.

Auch die Nachbarn müssen sich da nicht verstecken. Die Stadtwerke Waiblingen erhöhen ihren Verbrauchspreis in der Grundversorgung zwar um 30 Prozent – aber auf vergleichsweise noch moderate 44,1 Cent pro Kilowattstunde.

Stadtwerke Schorndorf dürfen nicht splitten

Die Stadtwerke Schorndorf hingegen haben ihr Angebot eines gesplitteten Grundversorgungstarifs mehr oder weniger wieder zurücknehmen müssen. Weil der Energieversorger Ende vergangenen Jahres mehr als 400 Kunden in die Grundversorgung nehmen musste, deren bisherige Versorger die Lieferung eingestellt hatten, wurde von diesen ein mit mehr als 82 Cent extrem hoher Tarif verlangt, während Altkunden mit fast 50 Cent weniger zur Kasse gebeten wurden. Die Begründung, dass die zusätzlichen Mengen an Strom nicht in der Kalkulation enthalten und zu sehr hohen Preisen eingekauft werden mussten, und man treue Kunden damit nicht belasten wollte, leuchtet ein. Doch das Unternehmen ist verpflichtet einen einheitlichen Tarif in der Grundversorgung anzubieten. Im kommenden Jahr wird man nun einheitlich 57,7 Cent pro Kilowattstunde verlangen müssen.

Wer?
 Grundversorger ist das Unternehmen, welches die meisten Kunden in einem kommunalen Netzgebiet beliefert.  Oft sind die jeweiligen Stadtwerke der Grundversorger einer Kommune. Das ist zum Beispiel in Fellbach, Waiblingen oder Schorndorf der Fall. Das muss aber nicht so sein. In Backnang zum Beispiel ist der „Platzhirsch“ die Süwag. In mehreren kleinen Kommunen des Kreises, etwa in Spiegelberg und Großerlach, aber auch in der Großen Kreisstadt Weinstadt, ist es die EnBW.

Was?
 Ein Grundversorger kann im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern eine Energiebelieferung nur dann ablehnen, wenn das für ihn erwiesenermaßen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.

Wann?
 Betreiber von Energieversorgungsnetzen der allgemeinen Versorgung müssen alle drei Jahre festlegen, welches Energieversorgungsunternehmen in einem Netzgebiet die meisten Haushaltskunden beliefert und damit der Grundversorger ist.