Feiern hinter Gittern - für manche wird es ein Fest in Freiheit Foto: dpa

Jedes Jahr vor Weihnachten werden Straftäter vorzeitig entlassen. Die so genannte Weihnachtsamnestie soll ihnen die Wiedereingliederung erleichtern.

Stuttgart - Für einen Teil der Strafgefangenen im Südwesten ist vor einigen Tagen die Haft vorzeitig zu Ende gegangen. Diejenigen, die eigentlich zwischen dem 20. November und dem 6. Januar entlassen werden sollten, konnten bereits am 19. November das Gefängnis verlassen. Wie viele Männer und Frauen landesweit von der so genannten Weihnachtsamnestie profitieren, hat das Justizministerium allerdings nicht erhoben. Es sei von einer dreistelligen Zahl auszugehen, sagte ein Sprecher am Montag. Derzeit sitzen in den Gefängnissen in Baden-Württemberg rund 6700 Häftlinge.

Neu ist die vorzeitige Entlassung von Häftlingen vor den Weihnachtsfeiertagen nicht. 1963 wurde in Baden-Württemberg per Erlass die Amnestie eingeführt – bis dahin war jeweils im Einzelfall überprüft worden, ob ein Häftling früher entlassen wurde. Mit der geänderten Regelung sollte es einer größeren Zahl von Betroffenen ermöglicht werden, nötige Behördengänge und Erledigungen rechtzeitig zu tätigen.

Schwerverbrecher von der Amnestie ausgenommen

Zugleich erhoffe sich die Justiz auch eine „atmosphärische Entspannung in den Gefängnissen“, sagte der Sprecher. Denn Weihnachtszeit und Jahreswechsel seien für manche Gefangene emotional schwer zu bewältigen. Ausgenommen von der Amnestie sind allerdings Schwerverbrecher, bei denen eine vorzeitige Entlassung eine Führungsaufsicht verhindern würde. Auch wer während der Haft erneut straffällig wird, kann nicht mit Milde rechnen.

Weihnachten ist in den Gefängnissen eine besondere Zeit“, bestätigt Matthias Weckerle, Leiter der Justizvollzugsanstalt Rottenburg mit rund 600 Gefangenen. Viele empfänden in diesen Wochen die Trennung von der Familie besonders schwer, manche zögen sich in dieser Phase auch mehr zurück. Die Gottesdienste am Heiligen Abend sind – wie auch außerhalb der Gefängnismauern – deutlich stärker besucht als an anderen Tagen, sagt Weckerle, die Stimmung „sehr ergreifend“.

Auch die freiwilligen vorweihnachtlichen Bastelangebote – zum Beispiel die Herstellung von Papier-Weihnachtsschmuck – würden gern angenommen. In den Werkstätten stellen Gefangene auch Waren für den Rottenburger Nikolausmarkt her – vor allem Gebäck und Weihnachtsdekoration. Martins- und Weihnachtsgänse werden von Häftlingen im offenen Vollzug gezüchtet – auf dem Hofgut Maßhalderbuch auf der Schwäbischen Alb.

Auch die Seelsorger in den Haftanstalten sind in der Vorweihnachtszeit sehr gefordert – und erhalten Unterstützung von ihren Kirchenleitungen. Die Bischöfe im Südwesten besuchen regelmäßig an Heiligabend Gefängnisse, um mit Häftlingen und Bediensteten einen Weihnachtsgottesdienst zu feiern und mit ihnen zu sprechen. So wird beispielsweise Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, am 24. Dezember in das Frauengefängnis in Schwäbisch Gmünd gehen.

Auch das Finanzamt gibt sich milde

„Für viele Gefangene sind die Feiertage eine besondere Belastung“, berichtet auch der Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Uwe Renz. Der Theologe und Musiker war auch schon selbst an Weihnachten im Gefängnis, um für Gefangene zu spielen. „Ich habe gemerkt, dass durch Texte und Lieder viele innerlich angerührt waren“, sagt er.

Amnestie zu den Feiertagen erhalten in baden-Württemberg allerdings nicht nur Straftäter. Das Finanzministerium in Stuttgart ruft über die Feiertage einen so genannten Weihnachtsfrieden aus – vom Weihnachten bis zum neuen Jahr verzichten die Finanzämter „auf Maßnahmen, die die Bürger besonders belasten“. In dieser Zeit sollen möglichst keine Vollstreckungen und Außenprüfungen stattfinden.

„Der Weihnachtsfrieden ist gute Tradition und ein Beitrag zur Bürgerfreundlichkeit der Finanzverwaltung“, sagt Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid. In Einzelfällen kann aber auch darauf verzichtet werden – etwa, wenn die Verjährung droht. Auch Steuerbescheide werden in dieser Zeit bekannt gegeben. Das habe auch Vorteile für die Bürger, sagt Schmid. „Denn so werden auch Steuererstattungen nicht verzögert.“

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