Angeln beruhigt die Nerven: Brendan Gleeson als wohlmeinender irischer Priester behält die Nerven auf der Suche nach seinem potenziellen Mörder Foto: Verleih

Brendan Gleeson drehte mit Regisseur John Michael McDonagh bereits die Thrillerkomödie „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“. Nun nähern sich die beiden in „Am Sonntag bist du tot“ erneut mit blackboxschwarzem Humor den Bewohnern eines irischen, nur bedingt christlichen Kaffs.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Am Sonntag bist du tot"

Schon einiges hat der engagierte Dorfpriester James Lavelle (Brendan Gleeson) vernommen auf der rezeptiven Seite des Beichtstuhls. Diese Konfession allerdings ringt dem abgebrühten Graubart zumindest erweiterte Pupillen und eine Respekt signalisierende Schnute ab: „Ich werde Sie töten, Vater“, prophezeit der verborgene Sünder. „In der Tat eine alarmierende Eröffnung“, entgegnet der Kleriker trocken

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Schon einiges hat der engagierte Dorfpriester James Lavelle (Brendan Gleeson) vernommen auf der rezeptiven Seite des Beichtstuhls. Diese Konfession allerdings ringt dem abgebrühten Graubart zumindest erweiterte Pupillen und eine Respekt signalisierende Schnute ab: „Ich werde Sie töten, Vater“, prophezeit der verborgene Sünder. „In der Tat eine alarmierende Eröffnung“, entgegnet der Kleriker trocken.

Brendan Gleeson drehte mit Regisseur John Michael McDonagh bereits die Thrillerkomödie „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“. Nun nähern sich die beiden in „Am Sonntag bist du tot“ erneut mit blackboxschwarzem Humor den Bewohnern eines irischen, nur bedingt christlichen Kaffs.

Neben dem kindlichen Festhalten an Normen bar jeder Rationalität, reißt die Kirche durch Missbrauchsskandale immer wieder gewaltige Vertrauenslücken auf. Auch diese thematisiert McDonagh. Lavelle jedoch ist unschuldig. Er repräsentiert einen modernen Geistlichen, der weder seine eigenen Schwächen leugnet noch die seiner Religion. Heutzutage einen schlechten Priester töten? „Bringt nichts, kommt ja nicht mal in der Zeitung“, räsoniert der potenzielle Mörder, selbst einst junges Opfer bestialischer Christusanbeter. Stirbt derweil ein guter, ist das ein Schock.

Wer die Parallele noch nicht erkennt, dem gibt sie der Originaltitel preis: „Calvary“ bezeichnet in anglofonen Sphären den Kalvarienberg, den Hügel Golgatha. Vor über 2000 Jahren soll man dort einen ähnlich schuldfreien Mann nach langem Leidensweg für die Mangelhaftigkeiten anderer hingerichtet haben.

Auch Lavelle hat einiges hinter sich. Seine manisch-depressive Tochter Fiona (Kelly Reilly) kam vor der Kirchenkarriere zur Welt. Sie liebäugelt seit dem Tod der Mutter immer wieder mit dem Suizid. Gleeson haucht seiner Rolle in jeder Szene den unbestechlichen Blick, die Desillusionierung ein, die in den Pupillen eines Manns mit derartigem Schicksal ruht.

Die Drohung hält ihn nicht vom gewohnten Rundgang ab. Für die Zuschauer – ahnungslos, wer da Priester und mutmaßlichen Schöpfer wiedervereinen will – füllt sich so das Provinzpanoptikum: der liebesunglückliche Kohlescheffler Fitzgerald (Dylan Moran), der aggressive Automechaniker afrikanischen Migrationshintergrunds Simon (Isaach de Bankolé), der trinkende Metzger Jack (Chris O’Dowd), dessen Frau ihr Ehegelübde offenkundig nicht allzu ernst nimmt. Spätestens verzweifelt der optimistische Philanthrop am geisteskranken Insassen Freddie (Sohn des Hauptdarstellers: Domhnall Gleeson). Keiner glaubt an Vater James‘ Kunde. Doch der gibt niemals auf.

Der Nebendarstellerdichte zum Trotz zerrinnt der Streifen nicht in episodenhafter Seelsorge. Alle Akteure erledigen ihren Job zufriedenstellend. Der glänzende Gleeson aber überstrahlt alle: Er bietet dem Spott, auch der Verachtung der Gemeinde die Stirn, drückt den Gottesflüchtigen letztendlich trotzdem die Oblate auf die Zunge und schluckt wiederum selbst die Bitterkeit seines Loses. Zwischen der reputationsgeschädigten Institution und der systemkranken Gesellschaft kämpft er für Menschlichkeit und Fairness. Diese erdrückenden Motive köpfen die von McDonagh im Drehbuch gesäten Humorblüten zu keiner Zeit – das ist schlichtweg genial.

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