Am 5. Mai werden die Fahrspuren der Heilbronner Straße (Blickrichtung LBBW) verlegt. Die Metallbrücken tragen Fernwärme- und Wasserleitungen. Foto: Michele Danze

Die Bauarbeiten für den Stuttgart-21-Tiefbahnhof rücken näher. Zuvor muss die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) ihre Stadtbahntunnel verlegen. Der Umbau gleicht einer Operation am offenen Herzen. Der erste Eingriff ist für den 5. Mai terminiert.

Stuttgart - Baustellen im Stadtgebiet sind eine zähe Angelegenheit. Sie behindern Autofahrer oft Wochen, Monate, ja Ewigkeiten. Auf der riesigen Kreuzung am Kiesinger-Platz beim Hauptbahnhof wollen Tiefbauamt, Bahn und Stuttgarter Straßenbahnen AG jetzt zeigen, dass es auch anders geht. Die Firmen Züblin und Siemens sollen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 einen Umbau-Rekord aufstellen. Die Vorgabe: 19 Stunden. Dann soll am 5. Mai der Ab- und Neuaufbau aller Ampeln, die Verlegung von neun Fahrspuren auf der Heilbronner Straße (B 27) und deren Markierung erledigt sein.

„Pan B? Wir haben keinen Plan B. Im schlimmsten Fall geht es nach 19 Stunden eben weiter, und der Verkehr wird von Hand geregelt“, sagt Winfried Reichle, der zuständige SSB-Bereichsleiter. Verantwortlich für die OP mit 40 Spezialisten ist Bernd Schröder. Der Bauingenieur in städtischen Diensten kämpfte am Donnerstag beim Pressetermin vor dem Hotel Rieker direkt an der Kreuzung mit lauter Stimme gegen den Verkehrslärm an.

Werktags rollen auf der Kreuzung am Kiesinger-Platz rund 100.000 Autos in alle Himmelsrichtungen. Am Umbau-Sonntag am 5. Mai rechnet das Tiefbauamt pro Stunde mit nur 1400 Fahrzeugen – und mit gutem Wetter, ohne das gar nichts geht. „Wenn es regnen sollte, müssen wir die Aktion verschieben, weil dann die Straßenmarkierung nicht gemacht werden kann“, erklärt Schröder. Bei allein sechs stadteinwärts führenden Spuren würden fehlende Striche unvermeidlich ein Chaos produzieren. Sollte Petrus im Lager der Stuttgart-21-Gegner sitzen, gilt der 9. Mai als Ausweichtermin, weil auch an Christi Himmelfahrt mit einem ähnlich mageren Verkehrsaufkommen wie am 5. Mai gerechnet wird.

Brückenbau in drei Bauabschnitte getaktet

Der Eingriff in die Kreuzung Kriegsberg-, Friedrich-, Heilbronner Straße und den Klett-Platz ist nötig, um an dieser Stelle in die Tiefe gehen und bestehende Stadtbahnröhren und einen Abwasserkanal verlegen zu können. Die Mittelinsel, die heute die Heilbronner Straße am Kiesinger-Platz teilt, lässt dafür zu wenig Raum. Die stadtein- und stadtauswärts führenden Fahrspuren müssen wesentlich weiter auseinander gedrückt werden. Allein die Baugrube für die SSB wird rund 20 auf 20 Meter messen. Sie bekommt einen Stahldeckel, auf dem während der unterirdischen Bauarbeiten der Verkehr rollen kann. Obwohl bündig mit der Straßenoberfläche, sprechen die Ingenieure aber nicht von einem Deckel, sondern von einer Brücke über die Baugrube. „Die verkraftet auch 40-Tonner“, nickt Reichle. Die Grube zur Verlegung des städtischen Abwasserkanals, der die B 27 am Kiesinger-Platz in Richtung Landesbank kreuzt, ist ein wenig schmaler als die der SSB. „Der Kanal hat ein Kastenprofil von zwei auf drei Metern“, sagt Rainer Bücker. Er ist Gesamtverkehrskoordinator der Bahn für das Projekt Stuttgart 21. Zwei auf drei Meter wären nicht viel, aber „zur Verlegung des Kanals müssen wir 14 bis 20 Meter in die Tiefe“, erklärt Bücker die eigentliche Herausforderung. Sie lässt sich nur mit langen Bohrpfählen sicher meistern.

Ihren Brückenbau haben die Partner in drei Bauabschnitte getaktet, die insgesamt fünf Monate dauern. Takt Nummer eins wird am 5. Mai um 1 Uhr morgens beginnen. Dann wird die Kreuzung mit Ausnahme aller Rechtsabbiegespuren gesperrt. Die Ampeln werden abgeklemmt. Ab 9 Uhr am Sonntagmorgen wir die B 27 in beide Richtungen freigegeben, aber nur einspurig. Die Abbiegespuren nach rechts bleiben. Die Polizei wird den Verkehr so lange von Hand regeln, bis alle neuen Ampeln aufgebaut und alle Fahrspuren umgelegt und markiert sind. Spätestens um 20 Uhr soll das der Fall sein. Im schlimmsten Fall wird weiter von Hand geregelt und ein reicher Erfahrungsschatz für die folgenden Umbaustufen gesammelt.

Die eigentlichen Tiefbauarbeiten werden von Oktober an 30 Monate dauern. Sie sind generalstabsmäßig geplant. „Zwischen der SSB und uns ist Gleichschritt angesagt, sonst klappt das nicht“, verfällt Bücker in Militärjargon. Den Zuschlag für die jeweiligen Tiefbauarbeiten erhielten verschiedene Bereiche der Stuttgarter Züblin AG. Bezahlen muss das alles die Bahn, weil ihr Tiefbahnhof die Verlegungen auslöst. Als Blaupause für andere Baustellen in der Stadt gilt der 19-Stunden-Umbau übrigens nicht.