Träumt von ihrem zweiten Pokalsieg mit den Stuttgarter Volleyballerinnen: Außenangreiferin Kim Renkema Foto: Pressefoto Baumann

Es ist das Spiel des Jahres für die Stuttgarter Volleyballerinnen: An diesem Sonntag (15.15 Uhr/Sport 1 live) wollen sie in Halle/Westfalen gegen die Ladies in Black Aachen den Pokal gewinnen. Wenn’s klappt, gibt es eine große Feier. „Aber zufrieden“, sagt Spielführerin Kim Renkema, „werden wir nicht sein.“

Stuttgart - Hallo, Frau Renkema, gibt es ein Spiel, von dem Sie sagen würden, dass es das schönste Ihrer Karriere war?
Ja, das gibt es.
Welches?
Das Pokalfinale 2011 in Halle/Westfalen.
Warum?
Weil ich mit einem tollen Team den Pokal gewonnen habe – damals fing der Volleyball in Stuttgart zu leben an. Aber auch, weil dieses Pokalfinale etwas Magisches hat.
Wie meinen Sie das?
Das ganze Wochenende ist ein einziges Spektakel. Zum Beispiel wusste ich, dass mehr als 10 000 Zuschauer kommen würden. Und trotzdem habe ich die ersten fünf Minuten beim Aufwärmen nur gestaunt und gedacht: Boah, sind das viele Leute! Ich war so supernervös, dass ich gar nicht realisiert habe, was alles passiert ist. Wir haben zwar den Pokal geholt, aber angekommen ist das bei mir erst zwei Tage später.
Am Sonntag stehen Sie mit Ihrem Team erneut im Pokalfinale . . .
. . . und darüber freue ich mich aus zwei Gründen ganz besonders: Erstens hoffe ich, dass ich das Spiel diesmal intensiver erleben und genießen kann. Und zweitens gönne ich allen meinen Mitspielerinnen, die erstmals in Halle sind, diese supertolle Erfahrung.
Aus dem Stuttgarter Team von 2011 sind nur noch Sie übrig, und Sie sind auch die Einzige im aktuellen Kader, die den deutschen Pokal schon mal gewonnen hat.
(Lacht) Das stimmt. Aber nun haben wir ja die Chance, dies zu ändern.
Am Samstag gab es im letzten Spiel der Bundesliga-Runde einen 3:1-Erfolg in Aachen. Würden Sie der These zustimmen, dass Ihr Team nun auch in Halle klarer Favorit ist?
Ja – wenn es ein Bundesliga-Spiel wäre. Das volleyballerische Niveau spricht für uns, zudem sind wir in der Bundesliga Zweiter geworden und Aachen Siebter. Doch im Pokalfinale ist der Druck ein ganz anderer, vor so einer Kulisse kommt es auf die Nerven und die mentale Stärke an. Da kann alles passieren. Ich würde es so sagen: Wenn wir machen, was wir können, dann sind wir der Favorit.
Und nach dem Sieg gibt es ein großes Fest?
Wir werden sicher ein bisschen feiern, aber eines kann ich Ihnen versprechen . . .
. . . was?
Wir werden ganz sicher nicht zufrieden sein.
Hört sich an wie eine Kampfansage.
(Schüttelt den Kopf) Nein, das ginge zu weit. Andererseits werden wir jede Woche stärker – es wird also immer schwieriger, uns zu schlagen. Sollten wir das Halbfinale der Play-offs erreichen und dort auf Schwerin treffen, wären wir sicher nicht ohne Chance, zumal wir aufgrund des zweiten Platzes in der Bundesliga-Runde im entscheidenden dritten Spiel Heimrecht hätten.
Und wenn es zu einem Meisterschafts-Finale gegen Dresden kommen würde?
Auch dann ist alles möglich.
Woher kommt diese Zuversicht?
Ich bin beeindruckt von meinem Team. Wir spielen eine so gute Saison, wie sie uns niemand zugetraut hätte.
Was macht die Mannschaft so stark?
Talent, Stimmung, Kampfgeist. Typen, die unbedingt gewinnen wollen. Manchmal muss ich dabei an eine Horde wilder Hunde denken, die unbedingt von der Leine gelassen werden wollen. Und durch jeden Erfolg und jeden Rückstand, den wir aufgeholt haben, ist unser Selbstvertrauen weiter gewachsen. Wir wissen, dass wir jeden schlagen können. Und wenn man dann noch von unseren Fans hört, dass es ihnen großen Spaß macht, uns zuzuschauen, dann ist das ein wunderbares Gefühl.
Vor der Saison kamen zehn neue Spielerinnen, die außergewöhnlich schnell zusammengewachsen sind. Gibt es eine Erklärung?
Dass dies so gut geklappt hat, das war kein Zufall. Manager Bernhard Lobmüller und Trainer Guillermo Naranjo Hernandez haben genau darauf geachtet, Charaktere auszuwählen, die möglichst gut zueinander passen. Und dieser Plan ging voll auf. Ein dickes Kompliment dafür.
Wie viele Teambuilding-Seminare gab es?
Gar keines, das war nicht nötig. Ein gemeinsamer Besuch auf dem Wasen hat gereicht (lacht). Ich habe noch nie eine Saison gespielt, die so schnell vorbeifliegt. Es macht unglaublichen Spaß. Auf dem Feld, aber auch sonst bei allem, was wir gemeinsam unternehmen. Es gibt keinerlei Reibereien oder Animositäten. Und alle haben Respekt voreinander.
Ist das nicht bei allen Teams so?
Lassen Sie es mich so ausdrücken: In der Bundesliga gibt es viele Teams, die haben ein, zwei überragende Spielerinnen. Aber wir haben die stärkste Mannschaft. Und wir können uns sicher noch weiter steigern.
Welchen Anteil hat der Trainer am Erfolg?
Einen großen. Er und sein Co-Trainer Giannis Athanasopoulos arbeiten unglaublich hart, sie beschäftigen sich jeden Tag stundenlang mit Analysen, Videos und taktischen Kniffen. Das kommt unglaublich gut an bei der Mannschaft. Wie auch der Punkt, dass sie intensiv mit jeder Spielerin daran arbeiten, um sie noch besser zu machen.
Es fällt auf, dass kaum eine Spielerin mit Verletzungen zu kämpfen hat. Zufall?
Sicher nicht. Unser Trainer-Team hat ein sehr gutes Händchen für den Wechsel zwischen Belastungs- und Ruhephasen. Das passt optimal. Ich habe in meiner Karriere viele Trainer erlebt und würde behaupten: Nicht jeder hätte einen so großen Erfolg mit uns wie Guillermo und Giannis.
Sie sind nach zwei Jahren in Italien nach Stuttgart zurückgekehrt. Warum?
Weil ich das Gefühl hatte, dass hier etwas entstehen kann. Ich bin nach Italien gegangen, um Erfahrungen zu sammeln, eine neue Sprache zu lernen, mich persönlich weiterzuentwickeln. Das hat alles traumhaft funktioniert. Aber es war für mich immer klar, dass ich noch mal in Stuttgart spielen will.
Nun allerdings in einer anderen Rolle.
Stimmt. Ich bin nun mit 27 Jahren die zweitälteste Spielerin und Kapitänin. Das ist eine tolle Herausforderung. In Italien habe ich gelernt, hohen Erwartungsdruck auszuhalten. Das kommt mir nun zugute. Ich denke viel weniger an mein eigenes Niveau, wichtig ist vor allem die Leistung des Teams.
Und doch gibt es Experten, die sagen, Sie hätten nie besser gespielt als derzeit.
Ich fühle mich einfach wohl in Stuttgart, habe hier ein sehr gutes Leben, auch außerhalb des Volleyballs. Das macht alles einfacher.
Ihr Vertrag gilt auch noch für die nächste Saison. Wird das Team zusammenbleiben?
Innerhalb der Mannschaft sprechen wir nicht über Geld oder Verträge, das muss jede von uns für sich selbst regeln. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Spielerinnen wechseln wollen.
An Angeboten wird es nicht mangeln.
Das mag schon sein, die anderen Vereine sind ja auch nicht blind. Aber wir legen eine traumhafte Saison hin, sind ein tolles Team, spielen für den meiner Meinung nach besten Verein in der Bundesliga, in einer Stadt, die sich mehr und mehr für Volleyball begeistert und in der noch so viel möglich ist. Was will ich denn mehr? So etwas gebe ich für 500 Euro mehr im Monat nicht einfach auf. Zu Stuttgart gibt es wenig echte Alternativen.
Sie sprechen, als wollten Sie sich als Nachfolgerin von Manager Lobmüller bewerben.
(Grinst) Das liegt daran, dass ich nicht nur in meinen Sport verliebt bin, sondern auch in Stuttgart. Es könnte gut sein, dass ich auch nach meiner Karriere hier bleiben werde.