Zu Fuß auf dem Schulweg: Marie und Friederike in Sielmingen. Foto: Ursula Vollmer

Grundschulkinder in Filderstadt sind in dieser Woche dazu angehalten, möglichst zu Fuß zum Unterricht zu kommen. Nach Beobachtungen der Lehrer kommt die Aktion gut an.

Filderstadt - Ahmad Hussein vom Gemeindevollzugsdienst in Filderstadt hat sich diese Woche verwundert umgeschaut: „Normalerweise sieht es hier anders aus“, sagt er frühmorgens in Bernhausen. Zwar wuseln Scharen von kleinen Ranzenträgern an ihm vorbei in Richtung Bruckenackerschule. Von motorisierten Elternbegleitdiensten ist am Abzweig von der Plieninger auf die Fröbelstraße hingegen erstaunlich wenig zu sehen.

„Das liegt wohl doch an der Aktion“, schlussfolgert der Bedienstete, der mit seinen Kollegen in dieser Woche besonders die Verkehrssituation vor den Grundschulen in den Blick nimmt. Auch vor der Weilerhauschule wird das morgendliche Bild ausnahmsweise nicht vom Blech-Chaos an- und abfahrender Autos bestimmt: „Die Aktion ist super angelaufen“, lautet die Bestätigung in Plattenhardt.

Das Motto dieser Filderstädter Woche: „Sicher und bewegt zur Schule“. Das Ziel: 1500 Filderstädter Grundschulkinder sollen ermutigt werden, ihren Weg zum Unterricht und zurück fünf Schultage lang konsequent zu Fuß zu bewältigen.

„Ich fahre immer“

„Natürlich hab’ ich davon gehört, aber was soll ich machen“, sagt eine Mutter in Plattenhardt und springt eilig zurück ins Auto, nachdem das Kind abgeliefert ist, „ich bin berufstätig und muss los“. Eine andere Frau guckt erstaunt: „Ich fahre immer, wenn ich Zeit habe“. Von einem Stempelpass scheint ihre Zweitklässlerin nichts erzählt zu haben.

In dieser Karte können sich die Kinder ihren Fußmarsch jeden Tag vom Lehrer oder der Lehrerin bestätigen lassen. Am Ende der Woche sorgen dann die Eltern mit ihrer Unterschrift für die „Beglaubigung“ und machen so den Weg frei für eine kleine Anerkennung. „Die Kinder sollten allerdings weniger belohnt als vielmehr überzeugt werden“, sagt Karin Genitheim. Dennoch hält die Leiterin der Sielminger Wielandschule das Wochenprojekt für absolut sinnvoll, zumal die Kinder begeistert mit von der Partie seien. Die Eltern würden die Aktion meist ebenfalls gutheißen – mit wenigen Ausnahmen. Manche Erziehungsberechtigte fühlten sich offenbar bevormundet: „Das muss man schon mir überlassen“, sei da und dort zu hören. Die Rektorin beobachtet einerseits eine wachsende Tendenz zur Überbehütung, andererseits habe auch der Stress der Mütter zugelegt: Deren durchgetakteter Berufsalltag lasse mitunter kaum noch Alternativen zum „Mamataxi“ zu.

Manche Eltern haben Sicherheitsbedenken

Weitere Beweggründe, das Auto zu starten, sind Sicherheitsbedenken, wie sie eine Plattenhardterin geltend macht, oder auch längere Entfernungen. „Ich finde den Weg zum Laufen einfach zu weit“, sagt eine Mutter vor der Bruckenackerschule. An der Gotthard-Müller-Schule versucht man solche Vorbehalte bereits zum dritten Mal zu entkräften. Vor der aktuellen Projektwoche wurden im vergangenen Jahr zwei ähnliche Aktionen gestartet – mit einigem Erfolg, wie Saskia Seigis, eine der Organisatorinnen, sagt.

Für die Lehrerin ist beharrliches Dranbleiben am Thema wichtig, auch um Eltern zum „Loslassen“ zu motivieren. Nicht immer sei es allerdings Mama und Papa anzulasten, wenn sie ihre Kinder kutschieren, hat das Lehrerkollegium der Grundschule in Bonlanden festgestellt: „Zu uns werden auch Kinder gebracht, die anderswo wohnen – weil sie beispielsweise die Sprachförderschule besuchen oder die Eltern hier arbeiten“, zieht Gabriele Nothelfer eine erste Zwischenbilanz. Die Rektorin findet die Aktion „richtig gut“, hat aber auch Verständnis für manche Zeitzwänge der Eltern.

Einen Kompromiss hat Lilly mit ihren Eltern ausgehandelt. Die kleine Plattenhardterin wird immer nur dann gefahren, wie sie erzählt, „wenn es donnert“.

Bewegungsoffensive
Der Keim ist gelegt: Zwischen Montag und Freitag hat ein Großteil der 1500 Filderstädter Erst- bis Viertklässler den Schulweg zu Fuß in Angriff genommen und sich die „erlaufene“ Leistung mittels Stempelpass bestätigen lassen. „Sicher und bewegt zur Schule“ haben die Organisatoren das Projekt genannt, das sich als Bestandteil in das Gesamtkonzept „Bewegte Kommune“ einfügt. Vor gut anderthalb Jahren ist die Bewegungsoffensive vertraglich zwischen der Stadt Filderstadt und der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg festgeschrieben worden. Angestoßen hatte die Kooperation Karl Munz, der Vorsitzende der Sportgemeinschaft Filderstadt. Als Partner sind das Staatliche Schulamt sowie die AOK mit im Boot. 19 Städte und Gemeinden haben sich zwischenzeitlich zum Bündnis zusammengeschlossen. Das Ziel: Kinder sollen sich nicht nur im Alltag mehr bewegen, sondern unter qualifizierter Anleitung gezielt ihre körperliche und geistige Beweglichkeit trainieren, Selbstvertrauen tanken und soziale Kompetenzen einüben. Zum Auftakt wurden Fortbildungen für Lehr- und Erziehungskräfte organisiert und an einem zentralen Aktionstag die motorischen Fähigkeiten von 650 Kindern ermittelt. Dafür hat die Stadt 10 000 Euro in die Hand genommen, wie Stefan Hörz, stellvertretender Leiter des Amts für Familie, Schulen und Vereine sagt. „Sicher und bewegt zur Schule“ gehört als weiterer Baustein zur Gesundheits-Präventionskampagne und soll in den nächsten Wochen ausgewertet werden. „Dann wissen wir, wie viele Stempel wirklich ,abgeholt’ worden sind“, sagt Hörz – und vielleicht auch, ob die Saat über den Aktionsschub hinaus aufgegangen ist.