Forscher mit Geschäftssinn: Andreas Fath im Mannheimer Hafen Foto: Rinderspacher

Wieder so ein Rekordsüchtiger, mag man denken. Doch Andreas Fath strebt mit seinem Vorhaben, den Rhein 1231 Kilometer vom Tomasee bis zur Nordsee zu durchschwimmen, auch nach wissenschaftlichen Meriten.

Mannheim - „Du willst also über Bord springen?“, sagt der Kapitän des Polizeiboots im Mannheimer Hafen und mustert den Draufgänger von oben bis unten. „Bist du schon mal im Rhein geschwommen?“ Ohne das Nicken abzuwarten, fügt er hinzu: „Du weißt hoffentlich: Ein Binnenschiff macht fünf bis sechs Meter pro Sekunde.“

Andreas Fath weiß das, doch der Bootskapitän weiß augenscheinlich nicht, wer Andreas Fath ist: ein vielfach ausgezeichneter Langstreckenschwimmer, der schon einige Rekorde aufgestellt hat. In diesem Sommer will er einen hinzufügen, denn der 49-Jährige hat sich vorgenommen, den Rhein in seiner ganzen Länge zu durchschwimmen: 1231 Kilometer von der Quelle am schweizerischen Tomasee bis Hoek van Holland.

Jetzt steht er erst einmal an Bord eines Mannheimer Museumsschiffs und macht sich bereit zu einem Probesprung ins Hafenwasser, das ungefähr die Farbe hat von Latte macchiato (umgerührt). Soeben hat er Journalisten erklärt, warum er das Wagnis überhaupt unternimmt: weil er „ein verrückter Professor“ sei.

Andreas Fath ist in der Tat Chemiedozent an der Hochschule Furtwangen und Spezialist für Wasserreinigung. Wenn er also schon mal im Rhein schwimmt, so hat er sich gedacht, dann kann er auch gleich Proben nehmen: „Mich interessiert, wie es um die Güte des Flusswassers von den Alpen bis zur Nordsee bestellt ist.“ Dazu wird er sich ein Gerät auf den Rücken schnallen, und seine Studenten, die ihn in zwei Beibooten begleiten, werden regelmäßig Wasserproben nehmen.

Und dann gibt es da noch einen dritten Beweggrund für das Unternehmen „Rheines Wasser“, wie Fath es nennt: Er trommelt damit zur höheren Ehre seiner Hochschule. Die ist nämlich chronisch klamm, oder sagen wir: Das Geld reicht nie für die vielen Wünsche. In Faths Fall ist das ein teures Wasseranalysegerät, das aus dem normalen Budget nicht bezahlt werden kann. Also ist er auf der Suche nach Sponsoren.

Der Professor geht also quasi auf Fischzug, und das unter den wohlgefälligen Augen seines Rektors. Der sitzt gerade neben ihm und windet sich ein wenig bei der Frage, ob denn den baden-württembergischen Hochschulen das Wasser schon bis zum Hals steht. „Man braucht solch spektakuläre Aktionen nicht unbedingt“, sagt Rolf Schofer, „aber es ist leichter, teure Geräte von Unternehmen zu bekommen, wenn man damit eine öffentliche Aktion verbindet.“ Zu einem verrückten Professor gehöre nun mal eine verrückte Hochschule.

Die Studenten, die aus dem Schwarzwald mit nach Mannheim gefahren sind, daddeln grinsend in ihre Notebooks. Damit seine Worte niemand in den falschen Hals bekommt, erklärt sie der Rektor noch einmal: Das Ganze sei auch ein Studienprojekt von verschiedenen Fakultäten. Die Studenten im Fach Digitale Medien zum Beispiel begleiten und filmen die ganze Aktion. Schofer: „Das soll auch zeigen, wie wir als Hochschule aufgestellt sind.“

Dass Furtwangen nicht gerade im Rheinland liegt, ist den Akteuren natürlich bewusst. Doch beim Campus Schwenningen, einem von drei Standorten der Hochschule, entspringt der Neckar – und der mündet schließlich in Vater Rhein.

Acht Stunden pro Tag will Fath im Neoprenanzug die Wellen durchpflügen, und das fast einen Monat lang. An Land geht er nur zum Schlafen oder an den wenigen Stellen, an denen Schwimmen verboten ist: an der Loreley zum Beispiel oder an den Schleusen und Wehren. Oder am Rheinfall bei Schaffhausen. Ob er Rotterdam auf dem Wasserweg passieren darf, ist auch noch nicht sicher: Den Antrag dazu hat er aber gestellt.

„Wir wissen genau, dass der Rhein ein gefährliches Gewässer ist“, sagt der Leistungssportler. Eskorten werden deshalb nicht geduldet. Anfeuerungen vom Ufer aus – am 1. August schwimmt er an seinem Geburtsort Speyer vorbei – sind aber sehr wohl erwünscht.

Am meisten Respekt hat Fath vor dem Vorderrhein in den Alpen, denn kurz nach dem Tomasee ist statt Schwimmen eigentlich Körper-Rafting angesagt. Diese Wildbachtechnik wird er wählen müssen, und Ortskundige leiten ihn durch die Felsen.

Zuletzt hat eine solche Tour übrigens 2012 der Schweizer Extremsportler Ernst Bromeis versucht. Allerdings vergeblich, denn die Kälte zwang ihn zum Aufgeben. Gelungen ist sie bisher nur dem Bonner Klaus Pechstein im Jahr 1969. Den hat Fath kürzlich angerufen, um sich einige Tipps zu holen. Doch so richtig warm sind die beiden wohl nicht miteinander geworden.

„Er hat gesagt, das sei alles heutzutage viel einfacher“, erzählt Fath. Der Rhein sei sauberer, und die Neoprenanzüge seien besser geworden. Das stimme zwar, räumt der Professor ein, gibt aber die vielen Wehre und Staustufen zu bedenken, die seither entstanden sind. Leicht wird die Sache nicht, da sind sich die beiden einig.

Weil eine solche Rheinpartie Geld kostet, hat sich die Fachhochschule schon jetzt Sponsoren ins Boot geholt. Da trifft es sich gut, dass Fath vor seinem Professorenjob beim Schiltacher Armaturenhersteller Hansgrohe gearbeitet hat.

Die Firma hält sich viel auf ihr Engagement zur Wasserreinhaltung zugute und hält darüber auch regelmäßig Tagungen ab. Auf dem Hansgrohe Wassersymposium am 13. November will Fath denn auch über die Forschungsresultate erstmals öffentlich berichten.

Dann kann er zum Beispiel sagen, ob sich bereits die Modedroge Crystal Meth im Wasser befindet. Oder wie viel Antibiotika, Plastikpartikel oder Schmerzmittel in Richtung Nordsee unterwegs sind. „Wir erwarten uns zahlreiche neue wissenschaftliche Erkenntnisse“, sagt Fath. Beim Auswerten helfen so renommierte Partner wie das Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe, die Universität Bayreuth und das Alfred-Wegener-Institut auf Helgoland.

Den Rettungsring, den ihm der Bootskapitän beim Probesprung im Mannheimer Rheinhafen anbietet, lehnt Fath übrigens dankend ab: „Den brauch’ ich nicht“, sagt er trocken, „ich geh’ nicht unter.“