Vom Tatort ist nichts mehr übrig: Das Einfamilienhaus in Aidlingen wurde in diesem Sommer abgerissen. Foto: factum/Granville

Im Prozess um die in einem Einfamilienhaus aufgezogene Cannabis-Plantage taktieren die Anwälte, weil die jeweilige Beteiligung der Angeklagten an der Tat nicht eindeutig ist.

Aidlingen - Der Vorsitzende Richter hält den Zeitpunkt für passend: Am zweiten Verhandlungstag erinnert er die fünf Angeklagten daran, dass ein Geständnis strafmildernd wirkt. Wenn es etwas zu gestehen gebe, „würde es nichts schaden, dies jetzt zu tun“, sagte er am Dienstag am Stuttgarter Landgericht. Je früher das Geständnis komme, desto mehr Wert habe es auch. Bandenmäßiges Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird den Männern vorgeworfen. In einem Einfamilienhaus im Aidlinger Ortsteil Dachtel sollen sie 811 Marihuanapflanzen aufgezogen haben. Die Ernte hätte 200 000 Euro bis zu einer halben Million Euro einbringen können. Es handelt sich um eine der größten Plantagen, die die Polizei in jüngster Zeit gefunden hat.

Auf das Angebot des Richters geht keiner ein

Doch auf das Angebot des Richters ist keiner der Angeklagten eingegangen – vorläufig, wie einer der Verteidiger für seinen Mandanten betonte. Die Anwälte regten vielmehr ein Gespräch mit der Strafkammer und dem Staatsanwalt an. „Wir wollen halt hören, was sie bekommen, wenn sie ein Geständnis ablegen“, erklärte einer von ihnen. Für die Tat steht ein Strafrahmen von fünf Jahren bis 15 Jahren im Raum. Wird der Cannabis-Anbau als minderschwere Tat eingestuft – beispielsweise weil die Bandenstruktur nicht so stark war oder weil es sich um eine weiche Droge handelt –, wären auch Bewährungsstrafen möglich. „Der Sachverhalt ist noch eine amorphe Masse“, antwortete der Richter auf die Gesprächsanregung, „es ist schwierig, da konkret zu werden.“

Eine Beteiligung an der Tat lässt sich zumindest von drei Angeklagten nicht abstreiten: Sie sind am Abend des 7. März in dem Einfamilienhaus festgenommen worden. Ein 34-jähriger Mann aus Esslingen gilt laut Anklage als Gärtner der Plantage. Er wohnte in dem Haus, dessen beide Stockwerke eng mit Pflanzen bestückt waren. Ein ebenfalls 34 Jahre alter Mann aus Fellbach (Rems-Murr-Kreis) soll das Geld für die Ausstattung besorgt haben – rund 45 000 Euro. Seinen vier Jahre älteren Bekannten aus Frankreich soll er engagiert haben, um die Anlage aufzubauen. Er sollte auch als Erntehelfer eingesetzt werden.

Gegen die zwei Angeklagten aus Sindelfingen liegen weniger Beweise vor. Einem 35 Jahre alten Mann wird vorgeworfen, die Aufzuchtutensilien beschafft zu haben. Auf ihn zugelassene Autos waren auch vor dem Haus gesehen worden. Er ist schon einmal beim Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz von der Polizei erwischt worden – damals im Wagen des fünften Angeklagten. Dem 43 Jahre alten Mann, der mit der Hausbesitzerin verheiratet ist, unterstellt die Staatsanwaltschaft, dass er das Rauschgift verkaufen sollte. Er macht von seinem Schweigerecht Gebrauch. Bis auf ihn sitzen alle Angeklagten in Untersuchungshaft.

Das Haus ist mittlerweile abgerissen

Am Dienstag trat ein Nachbar aus Aidlingen als Zeuge vor Gericht auf. Er berichtete von mehreren Lieferwagen, die rückwärts an das Haus heranfuhren. „Ich dachte, es wird ausgeräumt“, sagte er. Bestimmte Personen will er dort aber nicht gesehen haben. Rund 40 Jahre lang hatte der im vorigen Jahr verstorbene Besitzer seinen Angaben zufolge dort gewohnt. Die Tochter erbte das Haus, von ihr hatte der Zeuge gehört, dass sie es abreißen lassen wolle. Vor ungefähr zwei Monaten wurde es nun tatsächlich dem Erdboden gleich gemacht. Ein Kriminalhauptkommissar berichtete, wie er fünf Stunden lang mit zehn Kollegen die Plantage aberntete. Seit zehn Jahren sei er im Rauschgiftbereich tätig, aber eine solche Menge habe er noch nicht auf einem Haufen erlebt, erklärte er. Original verpackte Anzuchtutensilien hat er außerdem in dem Haus entdeckt: viele Transformatoren, Steckdosen, Schalter und Lüfter.

Am 17. Oktober soll der Prozess fortgesetzt werden. Dann ist noch einmal der Hauptsachbearbeiter von der Kriminalpolizei Böblingen als Zeuge geladen. Er soll die Beweislage noch besser klären. „Wenn jedem Dackel alles klar ist, zählt ein Geständnis nicht mehr so viel“, warnte der Richter die Angeklagten noch einmal vor.