Blick vom Dach des österreichischen Hospizes in der Jerusalemer Altstadt. Foto: Welzhofer

Die Arbeit von „Biblische Reisen“ ist seit 50 Jahren durch die Krisen im Nahen Osten geprägt.

Herr Röwekamp, im Oktober 2010 standen wir mit anderen Journalisten auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Das war nur wenige Wochen, bevor die Revolution begann...
Ich erinnere mich gut. Ich war nach dieser Reise im Januar 2011 noch einmal dort, weil unser ägyptischer Mitarbeiter Geburtstag hatte. Neben aller Freude über die Veränderungen fragt man sich als Geschäftsführer eines Reiseveranstalters natürlich sofort, welche Auswirkungen das auf den Tourismus haben wird.

Und welche Folgen hatte der Arabische Frühling für Biblische Reisen?
Tunesien- und Ägypten-Reisen haben wir kurzzeitig aus dem Programm genommen. Diese Länder kommen langsam zurück. Ganz anders ist die Lage in Syrien, für das es eine Reisewarnung gibt. Wann Reisen dorthin wieder möglich sein werden, ist unklar. Vor allem, wann das Bild des Landes wieder so sein wird, dass die Leute dorthin reisen wollen.

Ist dieses Bild in den Köpfen oft schlechter als die tatsächliche Situation?
Ja, je weiter entfernt und je fremder ein Land ist, desto länger braucht es, um sich touristisch zu erholen. Terroranschläge in Madrid und London können so schrecklich sein, wie sie wollen, den Tourismus dort beeinflusst das nur begrenzt. Wenn so etwas im Nahen Osten passiert, kann das den Tourismus für Jahre zum Erliegen bringen.

Woran liegt das?
Aus europäischen Ländern erreichen uns viele andere, positive Bilder. Aus weit entfernten Regionen haben wir oft nur die negativen. Das ist mir vor vielen Jahren klargeworden, als ich einmal einen unserer ägyptischen Mitarbeiter fragte, wann er wieder seinen jährlichen Deutschland-Besuch machen würde. Er sagte mir: „Dieses Jahr komme ich nicht. In Deutschland werden Ausländer jetzt verbrannt.“ Das war in den 90er Jahren, als Anschläge auf Asylbewerberheime verübt wurden. Das war das Einzige, was ägyptische Medien aus Deutschland berichteten. Genauso geht es uns mit dem Nahen Osten.

Ein Hauptreiseziel von Biblische Reisen war von Anfang an Israel. Wie hat der Konflikt mit den Palästinensern und mit den Nachbarstaaten die Arbeit geprägt?
Ob es der Sechs-Tage-Krieg 1967 war, der Konflikt mit der Hisbollah oder der Einmarsch der Israelis im Gazastreifen – solche Ereignisse haben sofort eine große Wirkung. Reisen werden abgesagt. Fast gänzlich zum Erliegen kam der Israel-Tourismus während der beiden Intifada ab 1987 und ab 2000 sowie durch den Golfkrieg 1991. Das war für uns fast existenzbedrohend.

Seite 2: Verarbeitung der eigenen Geschichte

Hat sich das Verhältnis zwischen Israelis und deutschen Touristen verändert?
Ich war in den 70er Jahren das erste Mal in Israel. Die jüdischen Reiseleiter stammten teilweise selbst aus Deutschland. Sie haben Unglaubliches geleistet, was die Verarbeitung der eigenen Geschichte und den Brückenbau zu deutschen Touristen angeht. Diese Generation stirbt langsam aus. Aber auch die Haltung unserer Kunden hat sich teilweise verändert.

Inwiefern?
In den 60er und 70er Jahren gab es eine große Begeisterung für das kleine, schwache Israel, das sich gegenüber feindlichen Nachbarstaaten behauptete. Diese Begeisterung schwindet. Der Eindruck, dass im Verhältnis zu den Palästinensern vieles nicht richtig läuft, ist bei manchen unserer Mitreisenden sehr stark und führt zu antiisraelischen, wenn nicht gar antisemitischen Äußerungen. Wir versuchen deshalb, die Vielfalt der beiden Gesellschaften zu vermitteln – die unglaubliche Spannbreite zwischen Ultranationalisten und Fundamentalisten auf der einen Seite und säkularen, friedensbewegten Gruppen auf der anderen Seite.

Sie sind vor Ort auch Arbeitgeber. Wie gehen Sie dabei mit dem Konflikt um?
Beide Seiten wollen ein Stück des touristischen Kuchens. Wir arbeiten schon immer mit christlich-palästinensischen Agenturen ebenso zusammen wie mit jüdisch-israelischen. Zum Beispiel müssen wir an der Mauer, die Israel in den vergangenen Jahren zwischen seinem und palästinensischen Gebieten gebaut hat, den Reiseführer wechseln, weil Israelis jenseits der Mauer nicht mehr arbeiten dürfen. Das hat für die Gruppe aber den Vorteil, dass sie beide Seiten hört.

Um nicht nur vom Nahen Osten abhängig zu sein, wurde das Programm in den 80er Jahren um die Stätten der Christenheit in Europa erweitert. Die „Zeit“ schrieb spöttisch: „Biblische Reisen bietet nun auch Reisen nach England und Schottland an. Bibelstellen werden noch gesucht.“ Solche Kritik kam meist von außen. Die Erweiterung hatte zwar wirtschaftliche Gründe, war aber auch auf die Wünsche der Kunden zurückzuführen. Und inhaltlich kann man auch diese Reisen als biblische Reisen bezeichnen. Wir gucken auf ein Land und fragen, was haben diese Orte, Bilder, Menschen mit Religion und Gott zu tun?

Ein wichtiges Standbein sind Gruppenreisen, die Sie für Pfarrer und Gemeindegruppen organisieren. Kirchliche Bindungen lösen sich immer mehr auf.
Wir organisieren heute auch Gruppenreisen für Freundeskreise, Volkshochschulkurse, Chöre, Studentengruppen. An Religion interessierte Menschen werden aber unser Publikum bleiben. Religiöses Interesse schwindet nicht, das zeigen alle Statistiken. Es hat nur oft nichts mehr mit Kirche zu tun.

Ist Ihnen nicht der Name im Weg, der sich nach Bibelkreis anhört?
Ich sage manchmal: Unser Name ist Fluch und Segen zugleich. Auf dem amerikanischen Markt zum Beispiel, wo wir seit einiger Zeit aktiv sind, ist er genau richtig. „Biblical Tours“ schafft dort Vertrauen, egal ob man auf den Spuren der Reformation oder zu den Passionsspielen nach Oberammergau reisen will. In Deutschland werden manche eher abgeschreckt, weil sie befürchten, missioniert zu werden. Wir müssen einfach deutlich machen, dass dieser Name keine Scheuklappenmentalität bedeutet. In diese Richtung geht unser Angebot „Biblische Reisen für Atheisten“.  Sie wollen im Oktober 2012 auch die erste Reise von 1962 wiederholen. Sie führte vom Libanon über Syrien und Jordanien nach Israel. Zumindest Syrien könnte schwierig werden. 1962 fand die Reise während der Kuba-Krise statt. Ob Syrien bis Oktober wieder bereisbar ist, wissen wir jetzt nicht. Wir sind von den politischen Verhältnissen abhängig, das hat sich seit 50 Jahren nicht geändert.

Georg Röwekamp, 1959 in Duisburg geboren, studierte unter anderem Islamwissenschaften und Judaistik und promovierte in Theologie. Seit 2001 ist er Geschäftsführer von Biblische Reisen. Er hat mehrere Bücher über Israel geschrieben, aber auch „Der Mythos lebt: Die Geschichte des FC Schalke 04“.

Reisen im Jubiläumsjahr

50 Jahre Biblische Reisen
1962 vom Katholischen Bibelwerk als Touren für Theologen zu den Stätten der Heiligen Schrift gestartet, ist Biblische Reisen heute ein ökumenischer Reisedienst, der von Katholischem Bibelwerk und der evangelischen Deutschen Bibelgesellschaft getragen wird und in die ganze Welt führt. Neben Studienreisen für jedermann organisiert Biblische Reisen auch Touren für Pfarrer mit Gemeindegruppen.

Infos zum Programm unter Telefon 0711/61925-0 oder www.biblische-reisen.de

Programm im Jubiläumsjahr
2012 hat der Veranstalter einige neue Reisen ins Programm aufgenommen; ein Auszug: Im August findet einen archäologische Studienreise nach Österreich statt. Dabei können die Teilnehmer selbst bei den Ausgrabungen der frühchristlichen Basilika Virunum in der Nähe von Klagenfurt mitmachen. Ein neues Angebot ist auch „Israel für Familien“ im August. Außerdem soll im Oktober die erste Reise von 1962 wiederholt werden. Sie führt vom Libanon über Syrien und Jordanien nach Israel. Ob sie durch Syrien führt, ist allerdings von den politischen Verhältnissen abhängig. Einen neuen Kundenkreis erschließen will sich das Unternehmen mit einer „Biblischen Reise für Atheisten“, die im Oktober nach Ägypten und Israel führt.

Infos im Katalog „Jubiläumsreisen 2012“, bestellbar unter Telefon 0711/61925-0 oder info@biblische-reisen.de