EU-Kommissarin Vera Jourova berichtet von Hinweisen aus Italien bezüglich VW. Foto: dpa

EU-Verbraucherkommissarin berichtet von Mängeln trotz Werkstattbesuch – und fordert Nachtests.

Berlin - Vera Jourova ist als EU-Kommissarin in Brüssel für den Verbraucherschutz zuständig. Unter anderem will die Tschechin erreichen, dass die Rechte der 8,5 Millionen Besitzer eines Volkswagen mit einer Abgaswerte-Manipulationssoftware gewahrt bleiben. Aus Sicht ihrer Behörde hat VW nämlich „in den meisten Mitgliedsstaaten klar gegen europäische Verbraucherschutzgesetze verstoßen“. Aus diesem Grund hat sie vergangene Woche den Chefaufklärer des Konzerns, das Vorstandsmitglied Francisco Javier Garcia Sanz zu Gast gehabt, der ihr zusicherte, dass bis Jahresende alle Fahrzeughalter informiert und bis Herbst nächsten Jahres alle in Europa vom Dieselskandal betroffenen Autos umgerüstet werden.

Das Misstrauen gegenüber dem Wolfsburger Hersteller bleibt dennoch groß. Anlass dafür sind die ersten Umrüstungen, die bisher nur bei etwa einer guten halben Million Fahrzeuge stattgefunden haben. Bei einem Besuch in Berlin hat Kommissarin Jourova am Dienstag vor Journalisten von „Hinweisen“ ihrer Behörde berichtet, „dass die Standards sogar nach der Reparatur nicht eingehalten werden“. Es handelt sich nach Angaben ihres Sprechers um die Auswertung einer Stichprobe umgerüsteter Fahrzeuge in Italien. Eine italienische Verbraucherschutzorganisation habe sich damit an die Brüsseler Behörde gewandt.

In der Sitzung mit VW-Konzernvorstand Sanz soll dieser die entsprechenden Vorwürfe dementiert haben, hieß es aus Kommissionskreisen. „Ich möchte auf dieser Grundlage keine abschließenden Schlussfolgerungen ziehen“, sagte Jourova in Berlin, „aber ich möchte, dass wir nachprüfen, ob die Fahrzeuge nach dem Werkstattbesuch auch wirklich den Vorgaben entsprechen“. Eventuell notwendige Nachuntersuchungen könnte die Europäische Kommission allerdings nicht alleine, sondern nur im Zusammenspiel mit den nationalen Behörden anordnen.

Das Kraftfahrtbundesamt gibt sich gelassen

Beim Kraftfahrtbundesamt sieht man dazu derzeit keine Veranlassung. Ein Sprecher verwies darauf, dass eine Freigabe nur erteilt werde, wenn die entsprechenden Abschalteinrichtungen entfernt wurden, mit denen auf dem Prüfstand viel bessere Stickoxidwerte erzielt werden als im realen Fahrbetrieb auf der Straße. Die entsprechenden technischen Lösungen dafür seinen in den vergangenen Monaten von VW entwickelt und zum größten Teil vom Kraftfahrtbundesamt bereits genehmigt worden. Zu möglichen Vorgängen oder Versäumnisse in Italien, so der Behördensprecher, wolle man sich aber nicht äußern.

„Auch wir misstrauen den VW-Reparaturen“, sagt dagegen für den alternativen Automobilclub VCD deren Verkehrsexperte Gerd Lottsiepen. Der bloße Austausch der Software und der Einbau eines Gitters sei nicht genug. Dies sei jedoch kein spezifisches Problem von VW, sondern betreffe auch andere Hersteller, die zum Teil freiwillige Rückrufaktionen eingeleitet haben.

Im Gegensatz dazu hatte der für den Diesel-Rückruf in Europa zuständige VW-Manager Manfred Bort kürzlich in einem Mitarbeitermagazin die Maßnahmen gelobt: „Von den Kunden, die vor zwei oder drei Monaten einen Brief erhalten haben, waren bereits mehr als 60 Prozent in den Werkstätten und sind zufrieden wieder nach Hause gefahren.“ Sie könnten nämlich darauf „vertrauen, dass sich beim Verbrauch, beim Fahrverhalten oder bei der Motorleistung nichts verändert“.

Jeder Kunde soll am Ende ein Zertifikat bekommen

Als Ziel gibt die tschechische EU-Kommissarin aus, dass jeder geschädigte VW-Kunde in Europa am Ende ein Zertifikat in Händen halten muss, aus dem hervorgeht, dass sich sein Fahrzeug wieder in einem gesetzeskonformen Zustand befindet. Ohne eine solche Bescheinigung, so Jourova, müsse es Entschädigungszahlungen geben.

Ihre Brüsseler Behörde fordert schon lange, dass die europäischen Kunden nicht schlechter gestellt werden dürfen als jene in den USA. Dort muss der Volkswagenkonzern als Teil eines Vergleichs in Höhe von 13,6 Milliarden Euro zusätzlich zum angebotenen Rückkauf der betroffenen Fahrzeuge jedem Kunden zwischen 5100 und 10 000 Dollar Entschädigung zahlen. Auch hier kann die EU-Kommission nicht selbsttätig aktiv werden, sondern nur an die Regierungen der Mitgliedstaaten appellieren. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt lehnt Entschädigungen mit dem Verweis auf unterschiedliche Rechtssysteme und Rechtstraditionen in den Vereinigten Staaten und in Europa ab.

An diesem Donnerstag kommt im Bundestag erneut der Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre zusammen. Als Konsequenz aus dem Manipulationsskandal wollen die Abgeordneten in den nächsten Monaten verschärfte gesetzliche Regeln auf den Weg bringen. Unter anderem soll es in Zukunft auch staatlich durchgeführte Fahrzeugtests geben. Gleichzeitig soll die entsprechende Motorsteuerungssoftware hinterlegt werden, um etwaige Manipulationen auszuschließen.