Diesel-Autos gelten zwar als sparsam, stoßen aber auch viele Schadstoffe aus Foto:  

Motoren sollen sauberer werden und weniger Sprit verbrauchen. Was einfach gesagt ist, ist für Ingenieure eine riesige Herausforderung. Denn geringere Verbräuche bedeuten gleichzeitig mehr Schadstoffe – vor allem beim Diesel. Wichtige Fragen und Antworten:

Lohnt die Anschaffung eines Diesel noch?
Dieselantriebe sind immer noch sparsamer als Benziner, der Vorsprung ist aber geringer geworden. Und Selbstzünder sind in der Anschaffung teurer. Rechnet man andere Faktoren, etwa Wertverfall und Spritpreise mit ein, ergibt sich folgendes Bild. Grob gesagt beginnen sich die meisten Modelle ab einer Fahrleistung von 90 000 bis 100 000 Kilometern zu rechnen. Welche Auswirkungen der VW-Abgasskandal auf die Wiederverkaufswerte haben wird, ist noch unsicher.
Welche Abgase stoßen Diesel aus?
Verbrennungsmotoren wie Diesel oder Benziner stoßen beim Betrieb mehrere Hundert verschiedene Gase und Partikel aus. Für bestimmte Substanzen wie etwa Kohlenmonoxid, Stickoxid (NOx) oder Ruß hat der Gesetzgeber Grenzwerte bestimmt. Werden diese überschritten, erhält das Auto keine Zulassung. Schwefel als Kraftstoffzusatz ist auf dem Rückzug, verbleites Benzin seit 1998 in Deutschland nicht mehr erhältlich.
Was ist mit dem Treibhausgas Kohlendioxid?
Kohlendioxid (CO2) gilt gesetzlich nicht als Schadstoff. Der CO2-Ausstoß ist für die behördliche Zulassung irrelevant. Das ist auch nachvollziehbar. Das Gas ist zu einem kleinen Anteil in reiner Atemluft enthalten. Pflanzen benötigen es zum Wachstum. Allerdings ist Kohlendioxid klimaschädlich. Sein massenhafter Ausstoß fördert die Erderwärmung. Die EU zieht daher auch beim Thema CO2 die Schrauben an.

Welche Ziele verfolgen die Motorenbauer?
In der Vergangenheit haben die Motorenentwickler ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet, den Autos mit Benzinmotor den Durst abzugewöhnen. Abgasreduktion stand nicht im Vordergrund, da Benziner durch den Drei-Wege-Kat bereits sehr sauber sind. Beim sparsameren Dieselmotor ging es im Gegensatz dazu darum, ihn so sauber wie den Benziner zu machen. Dass dabei die Motorleistung anstieg, war gar nicht das eigentliche Entwicklungsziel, sondern eher ein Nebeneffekt. Effizienz durch bessere Wirkungsgrade bei immer niedrigeren Schadstoffemissionen lautete das entscheidende Stichwort bei Daimler, BMW, Volkswagen und Co.
Warum ist es so schwer, Motoren sauber und gleichzeitig verbrauchsarm zu konstruieren?
Es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass geringer Verbrauch und geringe Schadstoffemissionen zwei Seiten der gleichen Medaille sind. Natürlich sinkt der Schadstoffausstoß generell, wenn der Motor im Betrieb weniger Sprit benötigt. Dennoch kann ein Motor, der auf geringe Kraftstoffverbräuche getrimmt ist, eine echte Dreckschleuder sein. Ingenieure stehen beim Motorenbau nämlich vor einem vertrackten Problem: Je effizienter die Verbrennung des Kraftstoffs im Motor abläuft, desto mehr Schadstoffe werden ausgestoßen. Im Grunde besteht also ein Zielkonflikt zwischen niederen Spritverbräuchen und geringem Schadstoffausstoß.
Wo liegen die Herausforderungen konkret?
Einer der Schlüssel für effiziente Motoren sind hohe Verbrennungstemperaturen. Hohe Temperatur bedeutet nämlich wenig Kraftstoffverbrauch. Allerdings: Je heißer die chemischen Reaktionen im Zylinder ablaufen, desto mehr des gefürchteten Stickoxids entsteht, zumal wenn auch noch – wie beim Diesel – unverbrauchter Sauerstoff vorhanden ist. Fast scheint es wie verhext: „Egal, was man macht, um die Verbräuche zu reduzieren, man kauft sich immer unerwünschte Nebenwirkungen mit ein“, sagt Michael Bargende, Professor am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen (IVK) der Universität Stuttgart. Einen Königsweg, innermotorisch alles gleichzeitig zu erreichen, gebe es nicht.
Wenig Schadstoffe, aber hoher Verbrauch – welche Probleme machen den Ingenieuren das Leben noch schwer?
Die meisten Instrumente im Baukasten der Entwickler – etwa die Verminderung des Hubraums (Downsizing) in Kombination mit der Turboaufladung, die Einführung der Direkteinspritzung oder die Erhöhung der Einspritzdrücke – haben unerwünschte Nebeneffekte. Sowohl die Motorsteuerung als auch die notwendige Abgasnachbehandlung werden immer komplexer, aufwendiger und kostenintensiver. Ein Beispiel: Um die Stickoxidemissionen (NOx) im Motor zu reduzieren, kann zum Beispiel gekühltes Abgas zurückgeführt werden. Allerdings fängt der Motor an zu rußen, wenn man zu viel Abgas rückleitet, was wiederum ein häufigeres Abbrennen im Partikelfilter inklusive Mehrverbrauch zur Folge hat. Motoren-Spezialist Bargende spricht in diesem Zusammenhang von einem „NOx-Ruß-Zielkonflikt“, vor dem die Entwickler stünden.
Wie haben die Hersteller das Problem gelöst?
Grob gesagt haben alle Autobauer die Motoren – Diesel wie Benziner – auf niedrige Kraftstoffverbräuche und Effizienz getrimmt. Das ungelöste Problem der Schadstoffemissionen haben sie durch diverse motorentechnische Kniffs – beispielsweise die Rückführung des Abgases in den Motor –, vor allem aber durch eine immer aufwendigere Reinigung des Abgases in den Griff bekommen. Besondere Bedeutung erlangten dabei beim Benzinmotor der Drei-Wege-Kat und beim Diesel der Partikelfilter, der Stickoxid-Speicher-Kat oder der SCR-Kat mit Harnstoffeinspritzung ins Abgas (Spitzname: Pipi-Kat). Wie der Fall VW jetzt zeigt, waren die Herausforderungen aber so groß, dass mancherorts wohl auch zu unerlaubten Tricks gegriffen wurde.
Wie wirkt sich die immer aufwendigere Technik auf die Autos aus?
In gängigen Autos sind heutzutage eine ganze Reihe von Reinigungskomponenten eingebaut, etwa Drei-Wege-, Speicher- oder SCR-Kats mit Harnstoffeinspritzung, um die Stickoxidemissionen zu senken. Nach Angaben des Diesel-Spezialisten Bosch sei es zwischen Anfang der 1990er Jahre und 2013 gelungen, die „Stickoxid-Rohemissionen um rund 96 Prozent“ zu senken. Der Aufwand hat aber auch gravierende Nachteile: Die Komplexität und die Kosten steigen. In Fachkreisen heißt es, der Umstieg von der Euro-5-Abgasnorm zur derzeit gültigen Euro-6-Norm habe bei den Herstellern zu Mehrkosten von etwa 300 Euro je Diesel-Fahrzeug geführt. Dazu kommt: Tendenziell wirken sich die diversen Nachbehandlungssysteme auch negativ auf die Verbrauchswerte der Autos aus. Motoren-Experte Bargende sagt: „Jede Abgasnachbehandlung bringt tendenziell einen leichten Mehrverbrauch mit sich.“
Sind die angeführten technischen Hindernisse nicht eine Ausrede der Autoindustrie?
Die Politik hat die Autoindustrie nicht vor unlösbare Aufgaben gestellt. Allerdings hat sie es ihnen durchaus ungemütlich gemacht. Ab 2020 dürfen die Fahrzeugflotten der Hersteller im Durchschnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Das entspricht einem Verbrauch von 4,1 Litern Benzin oder 3,6 Litern Diesel pro hundert Kilometer und stellt eine deutliche Senkung der aktuellen Werte dar. Die von der EU vorgegebene NOx-Emissionsgrenze ist ebenfalls deutlich gesunken. Jede weitere Verschärfung der EU-Abgasnormen entspräche dem Entwicklungsaufwand „von mindestens ein bis zwei neuen Motorengenerationen“, schätzt Motorenentwickler Bargende. Die Werte werden dann sicher eingehalten, es ist aber eine „enorme Anstrengung“, sagt er. Der jüngst zurückgetretene VW-Chef Martin Winterkorn sagte vor einiger Zeit, die Reduktion von einem Gramm CO2 pro Kilometer koste den Konzern 100 Millionen Euro.