Frank Zappa Foto: Redferns

Frank Zappa war ein Selfmade-Mann, einer, der auf eigene Faust Musikstudien betrieb, sein eigenes Studio gründete, eigenen Maßstäben folgte. Der Hit „Bobby Brown“ machte ihn zum Weltstar.

Stuttgart - Selten hatte man die Stimme des Rockmusikers Frank Zappa im Radio gehört, es sein denn, sein Hit „Bobby Brown“ wurde gespielt. Nun aber hörte man sie, eben dort, im Dezember 1993. „What’s the secret word for tonight?“, fragte sie – Worte, die Zappas Auftritt mit dem deutschen Ensemble Modern in der Alten Oper Frankfurts eröffnet hatten. Einen Monat zuvor war „The Yellow Shark“ erschienen, die Aufzeichnung dieses Konzertes. Dann die Meldung: Frank Zappa war in seinem Haus in Los Angeles gestorben, am 4. Dezember 1993. Er wurde 52 Jahre alt.

Heute, 20 Jahre später, findet man im Internet Aufzeichnungen seiner letzten Interviews. Man sieht einen vom Prostatakrebs geschwächten Mann mit grauem Vollbart. Weniger gute als schlechte Tage erlebe er nun, sagt Zappa zu Jamie Gangel, Moderatorin der Today-Show des US-Senders NBC. Er blickt dem Tod ins Gesicht und posiert noch einmal trotzig als der Kettenraucher, der er immer war: „Tobacco is my favourite Vegetable“. Wofür, fragt Jamie Gangel ihn, möchte er, Frank Zappa, erinnert werden? Für seine Musik? Das, antwortet Zappa, sei nicht wichtig, sei bedeutungslos: „Die Menschen, die sich darum sorgen, ob man sich später an sie erinnern wird“, sagt er, „das sind Typen wie Reagan oder Bush. Sie geben viel Geld dafür aus und arbeiten hart daran, dass man sich sicher an sie erinnern wird“.

Zappa und die Cartoon-Musik

Zappa betonte gerne, dass er sich selbst als Komponist verstand – aber auf Nachruhm hatte er es dabei nicht abgesehen. Er komponierte Rocksongs, Popsongs, Rhythm ‚n Blues, Orchesterstücke und Streichquartette mit dem gleichen Humor, der selben kindlichen Freude am Spiel mit den Klängen. Die Haltung, mit der er, weit abseits akademischer Diskurse, seine rigorose Dekonstruktion von Hochkultur und Trivialkultur betrieb, kann man heute vermissen. Auf eines seiner „Multi-complex Instrumentals“, die die Ohren und Finger von Musikern zum Glühen brachten, ließ Zappa immer, unerbittlich, einen seiner „Real dumb Songs“ folgen. Und wenn er Musik für Orchester und Kammerensembles schrieb, dann ließ er ausgebildete Musiker eine skurrile Cartoon-Musik aufführen. Auch damit war er seiner Zeit voraus: erst 20 Jahre nach „200 Motels“ sollte Carl Stalling, der die Musik für die Cartoons der 1950er und 1960er Jahren schrieb, wiederentdeckt werden – die beiden Alben, auf denen man Stallings Musik nun hören kann, wurden von Hal Willner und John Zorn produziert.

Frank Zappa war ein Selfmade-Mann, einer, der auf eigene Faust Musikstudien betrieb, sein eigenes Studio gründete, eigenen Maßstäben folgte. Ende der 1970er Jahre befreite er sich aus allen vertraglichen Verpflichtungen großen Plattenfirmen gegenüber und wurde damit zum vielleicht ersten Rockmusiker, der sich, im genauen Wortsinn, als „Independent“ bezeichnen konnte. Jahrzehntelang waren die bis dahin erschienenen Zappa-Alben nicht mehr im Handel erhältlich.

Das Stuttgarter Regie-Team „Böller und Brot“ konnte für seinen Film „Where’s the beer and when do we get payed“, der vom Leben des Zappa-Schlagzeugers Jimmy Carl Black erzählt, keine Musik Zappas verwenden – Gail Zappa, die Witwe des Musikers, untersagte es: in einigen Szenen des Films sieht man Black beim Signieren von Alben, die sie für Schwarzpressungen hielt.

Zappa agierte immer sehr nahe am musikalischen Zeitgeist

So sehr Zappas Witwe aber heute mit Rockmusikern streitet, die die Musik ihres Mannes spielen möchten, so sehr muss man ihr dafür danken, dass sie diese Alben nun in überzeugender Abmischung wieder auf den Markt bringt. Beim Remastering seiner eigenen Alben zeigte Zappa selten ein glückliches Händchen. Und dass er seine ohnehin verkannte Doowop-Hommage „Cruisin’ with Ruben and the Jets“ 1985 im glatten Klanggewand jenes Jahrzehntes wieder auflegte und die Rhythmusgruppe Jimmy Carl Black und Roy Estrada durch Chad Wackerman und Arthur Barrow ersetzte, war gewiss eine der größten Fehlentscheidungen seiner Karriere. Dabei agierte Zappa immer sehr nahe am musikalischen Zeitgeist – seine Alben der 1960er gehören diesem Jahrzehnt so eindeutig an, wie die der 1970er und 1980er. Jazz, Blues, Folk, Progressive-Rock, Hardrock, Disco, Rap – all diese Stile baute er scheinbar mühelos in sein anarchisches Musikpuzzle ein.

Frank Zappa mag ein Kind seiner Zeit gewesen sein – aber seine Musik wird noch gespielt. Zahlreiche klassischen Ensembles haben seit seinem Tod Stücke in ihr Repertoire aufgenommen – und nicht nur das Ensemble Modern, das noch mit Zappa selbst zusammen arbeitete, auch das barocke Ensemble Ambrosius und das Omnibus Wind Ensemble veröffentlichten ganze Zappa-Alben, während das Stuttgarter Ensemble Ascolta seiner Musik einen Abend im Theaterhaus widmete. Der Amerikaner Ed Palermo, die französische Big Band El Bocal und die Big Band des NDR interpretierten Zappa im Jazz-Kontext.

Und immer wieder findet, Gail Zappas Widerstand zum Trotz, in Bad Doberan die Zappanale statt, das Festival der Zappa-Fans, bei dem auch Caballero Reynaldo schon auf der Bühne stand, ein Spanier, dessen pfiffige Version des ewigen Zappa-Hits „Bobby Brown“ in einer besseren Welt die Hitparaden gestürmt hätte.

In seiner Glossen-Sammlung „The Real Frank Zappa Book“ spottete Franz Zappa schon 1989 über die Nostalgie, die sich in der Musikszene breit zu machen begann, sah die Welt sogar an ihr zugrunde gehen. Noch vor den großen Retrowellen war das, die seit den 1990er Jahren die Branche überschwemmen. Er selbst hat, auch 20 Jahre nach seinem Tod, sehr viel mehr als das zu bieten.