Das autonome Fahren gehört zu den Schlüsselanwendungen neuer Technologien – auch für Bosch. Foto: dpa

Bosch schafft eine Vielzahl digitaler Arbeitsplätze. Das ist ein gutes Signal für den Standort Deutschland – gäbe es da nicht eine große Schwäche.

Stuttgart - Der amerikanische Google-Konzern lässt selbstfahrende Autos durch Kalifornien rollen, die Mitfahr-Plattform Uber experimentierte ebenso mit selbstfahrenden Autos wie der schicke amerikanische Autohersteller Tesla. Gemessen an den Schlagzeilen könnte der Eindruck entstehen, amerikanische Softwarekonzerne und Autohersteller seien gerade dabei, den deutschen Firmen die nächste Generation des Fahrens aus der Hand zu nehmen. Doch dieser Eindruck ist oberflächlich und trügerisch.

Das Trägheitsmoment der deutschen Industrie

Die deutsche Industrie hat zwar durchaus die Angewohnheit, Ideen von anderen erst einmal mit Argwohn betrachten – nach der Devise: Was man nicht selbst erfunden hat, kann nichts Gescheites sein. Das war vor Jahrzehnten schon so beim Katalysator und zog sich bis hin zum Hybridfahrzeug, über das deutsche Manager so lange die Nase rümpften, bis ein Toyota-Modell bei den Kunden einschlug. Das deutsche Trägheitsmoment ist nicht zu verachten.

Es ist allerdings gut für die deutsche Wirtschaft, dass das Rennen um die beste Technologie selten am Start entschieden wird. Viel wichtiger als der Vorsprung zu Beginn ist der lange Atem, um eine Technologie systematisch voranzubringen. In dieser Disziplin ist die deutsche Wirtschaft deutlich stärker – sieht man einmal großzügig über die fehlgeleitete Weiterentwicklung der Diesel-Abgasregulierung hinweg.

Die Verknüpfung von Software und Industrie bietet große Chancen

Es ist ein starkes Zeichen für das Vertrauen in die eigene Stärke, wenn Bosch nun ankündigt, in diesem Jahr 20 000 Arbeitsplätze aufzubauen und zu einem guten Teil mit Softwareexperten zu besetzen. Das zeigt, dass der Stuttgarter Konzern mitnichten geneigt ist, reinen Softwarekonzernen das Feld zu überlassen. Vielmehr spielt das Unternehmen eine große Stärke gerade der deutschen Wirtschaft aus – die Fähigkeit, technisch-industrielles Wissen mit der immer wichtiger werdenden Softwarekompetenz zu verknüpfen. Das ist gerade bei besonders spannenden Zukunftstechnologien wie dem autonomen Fahren und der vernetzten Produktion eine Schlüsselkompetenz.

Dass Technikunternehmen aller Größenordnungen und Forschungsinstitute in der Region Stuttgart so dicht geballt sind, ist eine Stärke, die sich anderswo nicht ohne Weiteres nachahmen lässt. Kommt die Softwarekompetenz hinzu, kann daraus eine starke Mischung entstehen. Dass Bosch einen beträchtlichen Teil der neuen Arbeitsplätze in Deutschland ansiedelt, deutet darauf hin, dass diese Stärke auch im Zeitalter der Digitalisierung ein Pfund ist, mit dem sich wuchern lässt.

Die Schwächen des Standorts

Das bedeutet allerdings keineswegs, dass am Standort Deutschland alles in Ordnung wäre. Im Bildungssystem scheint die Notwendigkeit, die nachwachsende Generation und nicht zuletzt auch die heute Berufstätigen mit der Digitalisierung vertraut zu machen, bei Weitem noch nicht angekommen zu sein. Ein Schlaglicht darauf warf vor einigen Monaten das kleinkarierte Gezänk in der baden-württembergischen Landesregierung, dem das Pflichtfach Informatik noch vor seiner Einführung wieder zum Opfer zu fallen drohte – die Koalition konnte sich nicht auf die Zahl der Lehrerstellen einigen. Nach einem Kompromiss wird das Fach nun ein kümmerliches Dasein fristen. Auf diese Weise lässt sich das Ziel, Baden-Württemberg zur Leitregion bei der Digitalisierung zu entwickeln, sicher nicht erreichen.

Insgesamt schafft Deutschland bei den Bildungsinvestitionen nicht einmal den Durchschnitt der entwickelten OECD-Länder. So hell das Licht mit der Bosch-Entscheidung auch auf das Land strahlt, so lang ist der Schatten, den dabei die heutige Bildungspolitik wirft.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de