Unternehmen prüft zwei Standorte in Untertürkheim - Neubau soll 103 Meter hoch werden.

Stuttgart - Nach zwei Jahren eiserner Sparrunden lenkt der Daimler-Vorstand seinen Blick auf den eigenen Auftritt. Ende 2008 gestoppte Pläne für den Neubau der Konzernzentrale in Untertürkheim werden wieder aufgenommen.

Daimler verdient gut, es dürfen wieder Pläne geschmiedet werden. "Wir prüfen, ob und inwieweit das Projekt Konzernzentrale wieder aufgenommen werden kann", formuliert die Daimler-Pressestelle betont vorsichtig. Die Integration der Bürojobs aus Möhringen in Untertürkheim sei "angelaufen, aber nicht abgeschlossen". Angesichts einer Gewinnprognose von sieben Milliarden Euro für 2010 (vor Steuern und Finanzergebnis) fällt der Neustart leicht. "Wir sind mit dabei, es soll mit den beiden ersten Preisträgern weitergehen", freut man sich im Büro Behnisch Architekten.

Die neue, von Glaswänden umhüllte Konzernzentrale soll mit mindestens 103 Metern und bis zu 33.000 Quadratmeter Nutzfläche deutlich mächtiger aufragen als der komplett leerstehende Altbau. Die alte Verwaltungszentrale entspreche "in keinster Art und Weise mehr den Anforderungen", so die Auskunft des Autobauers. Gerüchte über eine Asbest-Belastung werden zurückgewiesen. "Das stimmt nicht", so der Sprecher. Man habe über die Jahre Luftmessungen veranlasst. Zu den möglichen Kosten des Neubaus hält sich Daimler bedeckt.

Der Neubau soll Maßstäbe setzen

Beim Autokonzern sinniert man nicht nur über die Gestalt der neuen Zentrale, also einen elliptischen oder eckigen Grundriss. Am Neckar denkt man auch über die Platzierung der neuen Landmarke nach. Als Adresse für das Hochhaus ist nicht nur der Alt-Standort Mercedesstraße137, sondern auch der 800 Meter entfernte Karl-Benz-Platz in Untertürkheim im Gespräch. "Aus städtebaulicher Sicht wäre das ein guter Standort", sagt Heinz Sonntag vom Stadtplanungsamt. Während die Cannstatt zugewandte Seite des riesigen Werkgeländes mit dem Mercedes-Museum und dem Van-Entwicklungszentrum gleich zwei architektonische Höhepunkte zeige, biete sich die Untertürkheimer Seite am Benz-Platz weniger repräsentativ dar.

Maßstäbe setzen soll der Neubau in jedem Fall - als "Herz eines dynamischen, modernen, globalen Unternehmens", das "verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen demonstriere", heißt es in der Projektbeschreibung des Büros Behnisch. Mit seinem Wechsel an die Spitze hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche dem Vorstand im Januar 2006 unmittelbaren Kontakt zur Blaumann-Basis verordnet. Die nadelgestreifte Führungsspitze zog aus der schicken Bürostadt in Möhringen zu den Montagebändern des Untertürkheimer Stammwerks. Er wolle seine Leute dort haben, wo die "Action" ist, hatte Zetsche nach langem US-Aufenthalt gesagt.

Im damals 50 Jahre alten Hochhaus mit der Nummer137 an der Mercedesstraße wurden die Schreibtische im Zeichen des Stellenabbaus enger gerückt. Das Gebäude bot für die (kriselnde) Weltfirma Daimler-Chrysler am dunkel getünchten Empfang im Erdgeschoss einen demuthauchenden Auftritt. Zetsche zog, wie bis 1990 seine Vorgänger, in die 13. Etage. Darüber rotiert wie in Möhringen der dreizackige Stern.

Die Pläne kommen wieder aus der Schublade

Im Oktober 2006 schlug Zetsche die unter Edzard Reuter errichtete Bürostadt in Möhringen für 240 Millionen Euro an eine französische Kapitalgesellschaft los. Gleichzeitig wurden die Räume zurückgemietet. 2016 kann ein Teil des Vertrags gelöst werden. In der Möhringer Exklave ist auf 107.000 Quadratmetern Platz für 2700 Beschäftigte.

Schon beim Umzug nach Untertürkheim war klar, dass der Vorstand in dem 65 Meter messenden Hochhaus lediglich einen Zwischenstopp einlegen würde. Die Büros galten als angestaubt, der Komplex als nicht wirtschaftlich sanierbar. Direkt daneben entwarf daher das Stuttgarter Architekturbüro Belz, Lutz, Guggenberger (KBK) auf den Grundmauern des abgerissenen alten Museums einen viergeschossigen Neubau. "Ein Zweckbau im Herzen des Werks", hieß es bei der Daimler-Pressestelle untertreibend. "Ein Zweckbau, der aufgrund seiner Position und Aufgabe Würde und Eleganz erhalten soll", konkretisierte der 2009 verstorbene Belz.

Der Vorstand sammelte in diesem Neubau 2008 auf 9100 Quadratmetern 400 Mitarbeiter um sich - und lobte dann unter sieben Büros einen Architektenwettbewerb für ein neues Hochhaus aus. Das Planungsgutachten sah zwei Sieger: das Büro Barkow Leibinger aus Berlin und Behnisch Architekten aus Stuttgart. Beide wollen den Büroriegel aus den 60er Jahren durch einen neuen, um 90 Grad in Tal-Längsrichtung gedrehten Glasturm ersetzen. Doch die Sieger wurden in den Wartestand geschickt. Das nächste massive Sparprogramm rollte durch den Konzern, die Pläne lagen auf Eis. Nun kommen sie wieder aus der Schublade.