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Die Wahl zur Landessynode ist kirchenpolitisch zentral. Vier Listen stellen sich zur Wahl, an der schon 14-Jährige teilnehmen können.

Marbach/Bottwartal - Wofür steht welche Liste bei den Wahlen zur Landessynode? Im Evangelischen Kirchenbezirk Marbach gibt es vier Listen. Hier einige Einblicke, wie ihre Vertreter denken. Alle begrüßen, dass schon 14-Jährige wählen gehen dürfen, aber welche Themen sind den Kandidaten für die Zukunft wichtig?

Wie kann man junge Menschen erreichen und Kirchenaustritten entgegenwirken? Thomas Stuhrmann, Pfarrer in Abstatt und als Theologe Kandidat der Liste „Lebendige Gemeinde“,
hält nichts davon, jeden gesellschaftlichen Trend mitzumachen. Der Glaube an Jesus Christus könne das Leben eines Menschen befreien vom Zwang, sich von anderen bewerten zu lassen. Es brauche Vorbilder, die das konsequent als Haupt- und Ehrenamtliche in der Kirche leben.

Ein Quereinstieg für diejenigen, die zum Pfarrer berufen, aber keinen akademischen Abschluss haben, befürwortet Thomas Stuhrmann. Fusionen von Kirchengemeinden ersetzten keine verbindlichen Vereinbarungen zu kooperieren. Auch müsse die Kommunikation zwischen Synode und Gemeinden verbessert werden, da diese oft erst nach Beschlüssen von den Themen erfahren. Stuhrmann sucht nach neuen Formen, den Kern des Glaubens zu vermitteln. Dabei müsse Kirche auch den Mut haben zu sagen „Wir nicht!“ Dazu brauche es Gottes Geist und Mut. Stuhrmanns Mitkandidat als Laie, Michael Fritz, will Religionsunterricht und die Arbeit mit Kindern finanziell stärken, auch die Seelsorge an den Kliniken brauche mehr Stellen. Irrwege sehen Stuhrmann und Fritz in einer reinen Selbstbeschäftigung.

Kirche müsse sich viel schneller verändern als bisher, meint Reiner Klotz, der für die Liste „Kirche für Morgen“
kandidiert. Er ist davon überzeugt, „dass neben den klassisch strukturierten Kirchengemeinden gleichberechtigt ganz neue Gemeindeformen entstehen müssen, gerade für junge Leute“. Solche kirchlichen Start-ups für die Jüngeren sollten finanziell stärker gefördert werden, sagt der Steinheimer Diakon und Vorsitzende des CVJM. „Wir wollen, dass Kirche die Möglichkeiten der Digitalisierung voll ausschöpft und intensiv um die Frage ringt, wie das Evangelium im Internet verbreitet und kirchliche Prozesse verschlankt werden können.“ Die Kirche habe „die beste Botschaft der Welt“, sie müsse nur den Menschen stärker in den Blick nehmen. „Wir haben den Mut, junge Menschen auf die Kanzeln steigen zu lassen“, sagt Klotz. Bei der Verteilung der Finanzen solle der Jugendbereich überproportional bedacht werden, ohne die Arbeit mit Älteren zu vernachlässigen.

Außerdem wünscht sich Reiner Klotz mehr Freiheit für ehrenamtlich Engagierte, gute Schulungen und eine hohe Wertschätzung für sie. Zum Pfarramt solle es neue Zugänge geben: „Warum nicht ein praxisbezogenes Duales Studium Pfarramt?“ Überhaupt solle Kirche nicht nur über Geld reden, sondern es auch geben, meint Klotz, der als Irrwege ansieht, „mehr Angst vor Veränderung zu haben als Gottvertrauen und den Mut, Dinge auch umzusetzen“. Das Motto sollte lauten „Deine Kirche braucht mutige Kirchenvisionäre und nicht ängstliche kirchliche Konkursverwalter!“

Die Jugendlichen gehören zur Kirchengemeinde und sollten dementsprechend auch die Möglichkeit haben, sich an diesem demokratischen Prozess zu beteiligen, findet die Ludwigsburger Religionspädagogin und Diakonin Ines Göbbel, die ebenso wie Professor J. Thomas Hörnig für den Gesprächskreis „Offene Kirche“
kandidiert. Allerdings bräuchten die Jüngeren noch mehr Aufklärung. Gegen Kirchenaustritte gebe es kein Patentrezept, aber die Offene Kirche wolle die Diakonie stärken. „Ganz im Sinne von Dietrich Bonhoeffer ist Kirche nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Nächstenliebe müsse laut Göbbel die Motivation sein, nicht höhere Kirchenmitgliederzahlen. Diakonie sei allerdings für Jugendliche ein Fremdwort. Es gelte, Angebote für Jüngere auszubauen.

Als Synodale will Ines Göbbel Gedanken, Sorgen und Bedürfnisse der Jugendlichen in die Synodalarbeit einbringen. „Außerdem sehe ich Kirche als Teil der Gesellschaft und damit eine Verantwortung, etwas für den großen Frieden zu tun: Gleichberechtigung leben, soziale Ungerechtigkeit bekämpfen, interreligiöse Gespräche führen, Umwelt schützen, Rüstungsstopp fordern und mehr.“

Der größte Irrweg, den Kirche einschlagen könnte, ist nach Ansicht von Ines Göbbel, sich zurückzuziehen, nur noch für andere christliche Menschen da zu sein, nur auf sich und ihren Gottesdienst zu schauen. „Ich setze mich für eine Kirche ein, die offen ist und bleibt, egal woher die Menschen kommen, was ihr Lebensweg, ihre Lebensform oder Identität ist, egal wie tief ihr Glaube ist.“

Kirchenaustritte besonders junger Menschen bedrücken Peter Schaal-Ahlers vom Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“.
Dafür gebe es in Europa viele Ursachen, weiß der Ulmer Pfarrer. „Es hat mit der Individualisierung, der Ökonomisierung des Lebens, dem Medienverhalten und auch mit Mobilität zu tun. Soziologen sprechen von einem Megatrend.“ Dagegen habe er kein Patentrezept. „Aber ich weiß, dass Gemeinden und kirchliche Orte, wo Menschen ernst genommen werden und unterstützt werden, wo gelacht, gesungen, gebetet, Freud und Leid geteilt wird, anziehend sind.“ Im Übrigen wolle er auch das Gelingende sehen. „Und da gibt es vieles: vom Kindergarten über schöne Kirchen, Arbeit mit Migranten, Gottesdienste mit schöner Kirchenmusik, die Arbeit der Akademie, Besuchsdienste bis zur Sterbebegleitung.“ Gäbe es die Kirche nicht, man müsste sie erfinden, sagt Schaal-Ahlers. Er halte es mit Martin Luther, der gegen alle Allmachtsfantasien gesagt hat: „Wir sind es doch nicht, die da die Kirche erhalten könnten. Unsere Vorfahren sind es auch nicht gewesen. Unsere Nachkommen werden es auch nicht sein: sondern, der ist es gewesen, ist es noch und wird es sein, der da sagt: ,Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt’.“

Schaal-Ahlers versteht sich als Brückenbauer in der Landessynode. Unterschiedliche theologische Strömungen gelte es zusammenzuhalten. „Zudem sehe ich mich als Lobby für diejenigen, die nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen. Wir alle wissen, dass die Kirche kleiner werden wird. Diesen Prozess gilt es gerecht, fröhlich und aufeinander hörend zu gestalten.“