Zu Beginn der Tour ist die Enz noch recht breit, dann wird sie schmäler. Foto: privat

Mit einem Kanu zu Viert auf der Enz bei Bietigheim zu paddeln macht großen Spaß – erfordert aber auch ein gewisses Maß an Achtsamkeit.

Bietigheim - Es ist ein Sommertag wie im Bilderbuch. Der Himmel strahlt in seinem schönsten Blau und das Thermometer hat sich bei knapp 30 Grad eingependelt. Kein Wunder, dass das Element Wasser an diesem Mittwoch bei vielen auf der Beliebtheitsskala weit oben steht. Doch der Breitenauer See ist geschlossen, manche Freibäder haben zu, da schafft die Enz die erhoffte Abkühlung. Wobei – die meisten, die sich an diesem Abend unterhalb des Bietigheimer Viadukts am und im Wasser tummeln, gehen nicht schwimmen, sondern erkunden das Gewässer beim Standup Paddling auf einem Board, in einem Kajak oder eben wie wir Vier in einem Kanu.

Sinnbildlich sitzt man als Familie das ganze Jahr über im selben Boot. In einem realen Boot war’s vor zwei Jahren im Urlaub in Holland zum ersten und letzten Mal – damals war’s ein Ruderboot, heute steht die Paddel-Premiere in einem Kanadier bevor. Und noch bevor wir überhaupt starten, geht die Diskussion darüber los, warum ich uns nicht für eine Kajaktour angemeldet habe. Das sei doch viel besser, meinen die Söhne. Da sei jeder auf sich selbst gestellt und nicht auf die anderen angewiesen. Eben deshalb, denk ich mir, sage aber nichts und halte nach Jochen Albrecht Ausschau, der uns in die Tücken des Kanufahrens einweist und die Route erklärt.

Die Zugvögel verleihen an sieben Verleihstationen im Großraum Stuttgart 200  Kanus, Kajaks und 50 SUPS für geführte und unbegleitete Touren auf der Enz, dem Neckar oder der Rems. Die Nachfrage in diesem Sommer ist riesig. Die Coronakrise lässt die Menschen noch mehr nach draußen strömen und viele erkunden in diesem Jahr die Heimat und nutzen die Freizeitangebote, die möglich sind. Aus den neun fest angestellten Mitarbeitern werden dann knapp 50 Kräfte.

Dann wird’s ernst. Schwimmwesten an, Schuhe aus, Wertsachen in eine wasserdichte Tonne, die mit aufs Boot darf und Paddel fassen. Anders als beim Standup Paddling sollte das Paddel lediglich bis zu den Schultern reichen, ansonsten kann ich keinen Unterschied ausmachen. Wer sitzt wo in dem Vierer-Kanadier? Schon das will gut überlegt sein. Einzig die Position des Steuermannes steht gleich fest: Papas Schultern sind breit genug, um die Verantwortung zu tragen. Das Gewicht sollte gleichmäßig verteilt sein und wenn die Spitze des Kanus vorn leicht aus dem Wasser ragt, lässt es sich leichter steuern. Jochen Albrecht erklärt noch kurz, wie das Paddel richtig gegriffen wird, wie man links und rechts fährt, wie der Rückwärtsgang eingelegt wird und betont, dass es besser ist, wenn man im Takt paddelt. Also gut. Probieren wir es.

Doch vor dem Spaß steht erst nochmal der Schweiß. Das Boot wiegt an die 50 Kilo und muss ans Ufer getragen werden. Vor ein paar Tagen, gibt uns Jochen Albrecht noch schmunzelnd mit auf den Weg, sei eine Gruppe gut gelaunter, vermutlich aber auch etwas beschwipster junger Männer gleich beim Losfahren gekentert. Na prima. Doch wir kommen erstaunlich gut vom Ufer los und paddeln in Richtung Viadukt. Hier im Bereich des imposanten Bauwerkes ist ganz schön was los – was bedeutet, dass man sich beinahe schon im Slalom an den SUPs vorbei schlängeln muss und auch den Boots-Gegenverkehr nicht aus dem Blick lassen darf. Und das in einer Phase, in der wir Vier von der gewünschten Synchronität beim Paddeln und damit vom ruhigen Dahingleiten noch ein gutes Stück entfernt sind. „Mama, wackel nicht so. Bleib doch mal ruhig sitzen“, mosert mein Jüngster, als ich das Handy aus der Tasche hole, um das erste Foto zu machen. In der Tat muss auch ich mich, die ich eigentlich dachte, in Sachen Gleichgewicht durch die regelmäßige Yogapraxis erprobt zu sein, erst an das Wackeln gewöhnen. Das Passieren des Viaduktes ist geschafft und auf der Enz wird es ruhiger. Insekten tänzeln übers Wasser und mir fällt siedendheiß ein, dass ich den Schnakenschutz vergessen habe. Das aufgeregte Stöbern im Rucksack hat ein aufgeregtes Wackeln des Bootes zur Folge und wird mit einer Verwarnung des Sohnes bestraft. Eine junge Dame gleitet auf ihrem SUP an uns vorbei. Vertieft in ein Telefonat, ihr zu Füßen döst ein Golden Retriever in der Abendsonne. So bewegen sich also Profis auf dem Wasser.

Ein paar Minuten weiter wird die Enz schmaler und außer uns scheint niemand auf dem Wasser zu sein. Die Blätter der Bäume am Uferrand rascheln leise im Wind. An manchen Tagen begegnet man auch Eisvögeln, Graureihern und Schildkröten – wir werden ein paar Paddelschläge lang von einer Entenfamilie begleitet. In einem Infofilm der Zugvögel auf Youtube habe ich gesehen, wie ein Kanufahrer ganz entspannt im Boot liegt und die Beine über den Rand hängen lässt. Das wär’s jetzt, denke ich mir. Die Stille und die Natur genießen und die Akkus wieder auffüllen. Erste Zweifel kommen auf, ob ich trotz des Positionswechsels das Gleichgewicht halten könnte, und noch eh ich die Gedanken zu Ende gedacht habe, werde ich durch eine Diskussion meiner Söhne, wer wen durch unprofessionelle Paddelhaltung zuerst nass gespritzt hat, aus dem Träumen gerissen. Fazit: Eine Kanutour bietet sich als Familienausflug an, um Spaß zu haben und sich als Team zu bewähren. Will man jedoch die Ruhe und die Natur genießen, sollte man überlegen, alleine oder aber nur mit Partner auf Tour zu gehen.

Aus dem Freibad, das nicht weit vom Ufer entfernt liegt, durchbrechen Stimmen die Stille. Die Sonne scheint unerbittlich und wir sind froh, genügend Trinken eingepackt zu haben. Immer wieder verengt eine Ansammlung von Totholz und ins Wasser ragende Äste den Fahrweg. Rund eineinviertel Stunden braucht man bis zum Wehr an der Rommelmühle – kleine Pausen eingeschlossen. Zurück geht’s umso schneller, weil man nicht gegen den Strom anpaddeln muss. Zwei bis zweieinhalb Stunden sollte man aber einplanen für die Tour auf der Enz. Wer ein Picknick machen möchte, entsprechend länger. Das sollte aber auf dem Boot gemacht werden, denn Anlegen im Naturschutzgebiet ist nicht.